Kultur Geschichten aus Entenhausen

Ein früher Donald.
Ein früher Donald.

Die Maus als Magnet: Das Landesmuseum Mainz setzt bei „Walt Disney – Mickey, Donald & Friends“ auf die Anziehungskraft populärer Comicfiguren.

Was man wissen muss: Walt Disney hat nicht einen einzigen Comic gezeichnet. Sein Metier war der Trickfilm und noch viel mehr die Markenpflege. Darauf verstand er sich äußerst gut, aus seinem kleinen, in den 1920ern gegründeten Cartoon-Studio wurde ein globales Unterhaltungsimperium. Comics waren für ihn nur ein (lukratives) Nebenprodukt und Werbemittel für die Filme; um die Bildgeschichten von Micky Maus, Donald Duck & Co. kümmerten sich andere. Deren Namen wurde lange Zeit verschwiegen, weshalb es verdienstvoll vom Landesmuseum ist, einigen der bedeutendsten Künstlern unter der Disney-Flagge eine Bühne zu bereiten. Die Zeichner stehen im Mittelpunkt der Ausstellung, zunächst drei Altmeister. Floyd Gottfredson (1905-1986) brachte ab 1930 Micky Maus, die ihren ersten Filmauftritt 1928 hatte, in die damals in den USA enorm populären Zeitungsstrips. 15.000 Geschichten kamen in über 40 Jahren zusammen. Al Taliaferro (1905-1969) widmete sich wenig später Donald Duck in kurzen Gag-Episoden. Er verlieh dem bloß schnatternden Erpel aus den frühen Trickfilmen Charakter. Carl Barks (1901-2000) schließlich erweiterte das Enten-Universum um Onkel Dagobert, Gustav Gans und Daniel Düsentrieb und erschuf Entenhausen nahezu im Alleingang. Duckburg hieß das bei ihm, der deutsche Name stammt von der genialen Übersetzerin Erika Fuchs. Barks verfasste die ersten Erzählungen über mehrere Seiten für die neuen Comic-Hefte. Er kündigte früh bei Disney und arbeitete dann für Western Publishing, einen Lizenznehmer. Dessen Monatsmagazin „Walt Disney’s Comics and Stories“ erreichte Mitte der 1950er eine Auflage von drei Millionen Exemplaren. Barks Name tauchte nie auf. Doch war seine künstlerische Handschrift unverkennbar, weshalb die Leser bewundernd vom „guten Zeichner“ sprachen. Erst als ein Fan beim Verlag nachfragte, erfuhr man, wer hinter den wie üblich mit „Walt Disney“ signierten Comics steckte. Nach seiner Pensionierung malte Barks in Öl und verdiente damit erst richtig Geld. Teil zwei der Ausstellung behandelt noch lebende Zeichner der Gegenwart. Don Rosa ist Carl Barks’ Erbe, zeichnete ab 1987 vorwiegend Dagobert-Geschichten. Jan Gulbransson und Ulrich Schröder sind deutsche Zeichner, die im Rahmenprogramm auch nach Mainz kommen. Disney-Comics spielen in den USA so gut wie keine Rolle mehr. Material für den europäischen Markt wird schon lange hauptsächlich in Italien und Dänemark produziert. Gulbransson dachte sich für Egmont-Ehapa etwa die fast 100-seitige Erzählung „Die Ducks in Deutschland“ aus. Schröder arbeitet für verschiedene europäische Verlage hauptsächlich als Illustrator und malt auch großformatige Gemälde. Von den 300 Exponaten war gut die Hälfte bislang noch nie zu sehen, schätzen die Macher. Gezeigt werden Werke aus allen Phasen der Produktion: Skizzen, Vorzeichnungen, einzelne Streifen, ganze Bildgeschichten und fertige Seiten. Einige Merchandising-Artikel wie das Art-Deco-Service mit Micky dürfen nicht fehlen. Viele der alten Schätze stammen aus der Privatsammlung von Peter Reichelt und Ina Brockmann. Der Mannheimer Reichelt hat frühzeitig in Comic-Kunst investiert und Originale aufgestöbert, als sie noch kaum als Wertanlage geschätzt wurden und erschwinglich waren. Zeitweise arbeitete er als Agent und persönlicher Berater von Carl Barks in Europa. Der 59-Jährige konzipiert selbst Ausstellungen und war auch an der Barks-Schau 1996 in Mainz beteiligt. Damals kaufte das Landesmuseum 42 Zeichnungen für seine Graphische Sammlung, die jetzt stolz hergezeigt werden. Die Frage, ob Comics Schund oder Kunst sind, stelle sich glücklicherweise längst nicht mehr, sagt Kurator Eduard Sebald. „Deshalb gehören sie auch ins Museum.“ Wer sich Zeit nimmt, wird hohe Zeichenkunst entdecken und nebenbei erfahren, wie Comics eigentlich entstehen – das ist der didaktische Ansatz der mit viel Liebe zum Detail gestalteten Ausstellung. Die Art, wie man Comics ins Museum bringt, erfinden die Mainzer nicht neu. Angesprochen wird mit dem zugkräftigen Thema ein breites Publikum und eine jüngere Zielgruppe, die einen neuen Blick auf die populären Figuren gewinnen kann. Um tiefschürfende Erkenntnisse zur Comic-Historie geht es weniger. Schade nur, dass es keinen Ausstellungskatalog gibt, in dem die spannende Thematik eingehender beleuchtet werden könnte. Dafür sei schlicht kein Geld dagewesen, räumt Kurator Sebald ein. Verschwiegen wird ebenfalls nicht, dass der Anstoß zur Beschäftigung mit Disney von außen kam, nämlich durch das Mainzer Citymarketing. Ziel der erstmaligen Kooperation zwischen Land und Stadt ist es, zahlreiche Menschen nach Mainz zu locken. Dafür wird eifrig getrommelt: Einen Wagen beim Karnevalsumzug gab es schon, eine vier Meter hohe Micky-Figur steht am zentralen Gutenbergplatz, Busse tragen Werbeaufschriften. Die Marke von 50.000 Besuchern wird angepeilt, möglichst viele von ihnen sollen auch den Weg in die Innenstadt für einen Einkaufsbummel finden. Kunst und Kommerz – das wusste schließlich schon Walt Disney trefflich zu verbinden. Die Ausstellung „Walt Disney – Mickey, Donald & Friends“: Landesmuseum Mainz, bis 29. Juli; geöffnet dienstags 10-20 Uhr, mittwochs bis sonntags 10-17 Uhr.

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