Kultur Händel-Festspiele: Im Zauberreich der schönen Bilder

Da ist für die Zauberin Alcina (Layla Claire) die Welt noch in Ordnung. Sie hält den Ritter Ruggiero in ihrem Bann.
Da ist für die Zauberin Alcina (Layla Claire) die Welt noch in Ordnung. Sie hält den Ritter Ruggiero in ihrem Bann.

Premiere der Oper „Alcina“ zur Eröffnung der Festspiele des Badischen Staatstheaters in Karlsruhe

Vor 40 Jahren gab es erstmals ein Festival zu Ehren von Georg Friedrich Händel am Badischen Staatstheater in Karlsruhe. Als Oper wurde damals „Alcina“ gespielt. Jetzt gab es zum Jahrestag eine Neuinszenierung eben jenes Stücks, die musikalisch den erreichten hohen internationalen Rang der Festspiele eindrucksvoll belegt, szenisch allerdings nicht vollständig befriedigt. Karlsruhe war übrigens erst die zweite Stadt auf dem Kontinent, in der im 20. Jahrhundert die Händel-Oper nach Ariosto gespielt wurde. Das war 1930. Seither hat sich in der Aufführungspraxis der barocken Bühnenwerke bekanntlich Epochales getan. Auch mit der Version von 1978 hat die neue „Alcina“ wenig gemein. Das Werk erklingt nun fast ungekürzt, natürlich im italienischen Original und mit einer Besetzung in den originalen Stimmlagen. Der Ruggiero, einst eine Glanzpartie des Kastraten Carestini, kann nun sogar von einem Mann in hoher Lage gesungen werden. Das war vor vier Jahrzehnten kaum möglich, weil die Countertenöre damals den nötigen Stimmumfang in der Regel noch nicht hatten. Also sangen Mezzosopranistinnen die Rolle – oder Tenöre übernahmen tiefer transponiert den Part. Und – da kommt jetzt die Pfalz ins Spiel – keiner hat das je mit so unvergleichlicher Gesangskunst getan wie Fritz Wunderlich in einer Kölner Einstudierung von 1959. Aus der Capella Coloniensis als erstem deutsches Originalklangensemble von Rang, die damals spielte, kamen einige Musiker später zu den Deutschen Händel-Solisten. An der Seite Wunderlichs stand seinerzeit Joan Sutherland in der Titelrolle, die aus der Alcina eine der großen tragisch umflorten Frauenpartien der Operngeschichte gemacht hat. Eine Barockprimadonna unserer Tage, die der Titelrolle nun auch in Karlsruhe Würde und tragische Größe gibt, ist Layla Claire. Sie begeistert durch stimmlichen Wohllaut, edle Linienführung und verinnerlichten Ausdruck. Ganz im Einklang mit Händels Musik betont sie die gefühlvoll-elegischen Züge der Figur. Der australisch-dänische Countertenor David Hansen ist ihr Ruggiero. Er hat die geforderte Höhe und notwendige Beweglichkeit in den Koloraturen. Die gewinnende Ausstrahlung seiner Kollegin hat er (noch) nicht. Aleksandra Kubas-Kruk singt mit luftig-leichtem Sopran und kesser Anmut die Morgana. Benedetta Mazzucato ist eine Bradamante mit sicher und virtuos geführtem, dazu klangschönem Mezzo. Klares Profil geben Alexey Neklyudov als Oronte und Nicholas Brownlee als Melisso ihren Partien. Die junge Sopranistin Carina Schmieger glänzt in der kleinen, aber feinen Rolle des Oberto durch bezaubernden Vortrag. „Spiritus rector“ dieser musikalisch exzellenten Einstudierung ist Andreas Spering, der nach elf Jahren Pause wieder einmal am Pult der Deutschen Händel-Solisten steht. Seine Wiedergabe ist ungemein vielfältig und ausdrucksintensiv. So differenziert in Tempo, Dynamik und Klangfarben ist die Partitur selten zu hören. Immer wieder fasziniert der Dirigent durch seine Detaillösungen, welche die Sprachkraft und Sinnlichkeit der Musik kongenial steigern. Die Händel-Solisten spielen einmal mehr vorzüglich. Stellvertretend sei abermals die Solo-Oboistin Susanne Regel genannt. Natürlich hat bei der Händel-Pflege in Süddeutschland Karlsruhe die Nase vorn. Doch gerade bei „Alcina“ hat Stuttgart mit der Inszenierung von Jossi Wieler und Sergio Morabito, die fast 20 Jahre lief, Maßstäbe gesetzt. James Darrah kommt bei seinem Deutschland-Debüt an diese Art der psychologischen Durchdringung von Personen und Situationen nicht heran. In einer klaren, optisch durchaus attraktiven, tendenziell sogar fast abstrakten Bühnenwelt – mit Bühnenbildern des Duos Mac Moc Design und Kostümen von Chrisi Karvonides-Dushenko sowie dezent eingesetzten Videos von Adam Larsen – erzählt er die Geschichte in angenehmen Bildern und einer nicht selten interessanten Choreographie. Um einen entschleunigten Bühnenzauber à la Bob Wilson zu erreichen, ist es aber zu viel Bewegung. Um die Personen umgekehrt tiefschichtig zu erfassen, bietet die Regie viel zu wenig. An Christof Loys Version in Hamburg und München darf man da auch nicht denken. Und warum zum Schluss in einer Videosequenz mit der alternden Alcina einmal kurz die spektakuläre Inszenierung von Katie Mitchell vor drei Jahren in Aix-en-Provence zitiert wird, bleibt unverständlich. Bei der Premiere im ausverkauften Staatstheater wurde die gut vierstündige Produktion einhellig bejubelt. Info Vorstellungen sind noch heute sowie am 24. und 27. Februar um 19 Uhr. Karten gibt es auch schon für die Vorstellungen im kommenden Jahr am 23. Februar und 1. März 2019 unter Telefon 0721 933333 oder www.staatstheater.karlsruhe.de

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