Kultur Kampfmaschine im Schnee

Liam Neeson in der Rolle eines Vaters, der sich an den Mördern seines Sohnes rächt.
Liam Neeson in der Rolle eines Vaters, der sich an den Mördern seines Sohnes rächt.

„Schindlers Liste“-Star Liam Neeson ist ein Glückspilz. Jüngst schwärmte der inzwischen 66-jährige nordirische Schauspieler: „Jeden Tag freue ich mich, dass ich den schönsten Beruf der Welt habe und es mir leisten kann, nur Aufgaben zu übernehmen, die mir wirklich Spaß machen.“ „Hard Powder“, dem Hollywood-Remake der norwegischen Kriminalkomödie „Einer nach dem anderen“, merkt man an, wie viel Spaß der Star offenbar daran hatte.

Der in seiner Heimat Norwegen als Top-Star gehandelte Regisseur Hans Petter Moland hat sich bei der von ihm in den USA inszenierten zweiten Auflage seines eigenen Erfolgs aus dem Jahr 2014 trotz einiger neuer Einfälle weitestgehend an das Original gehalten. Die Handlung wurde allerdings von der nordeuropäischen Einöde in das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ verlegt, ins eisige Colorado, da, wo die legendären Rocky Mountains thronen. Liam Neeson hat die Hauptrolle übernommen, die Stellan Skarsgård vor fünf Jahren gespielt hat: einen biederen Mann, der tagein, tagaus mit einem Schneepflug Straßen und Wege räumt. Aus Nils Dickman wurde Nels Coxman. Dessen Leben verläuft in geordneten Bahnen. Nichts kann ihn aus der Ruhe bringen. Dann aber ereilt Nels und seine Frau Grace (Laura Dern) ein furchtbarer Schicksalsschlag: Ihr Sohn Kyle (Micheál Richardson) wird tot aufgefunden, vollgepumpt mit Drogen. Nels bricht zusammen, will sich gar das Leben nehmen. Doch ein Freund des Toten taucht auf und berichtet, dass Kyle von den Killern des Drogenbosses Viking (Tom Bateman) ermordet wurde. Was den braven Vater in eine Kampfmaschine verwandelt. Stoisch, wie er bisher seine Arbeit verrichtet hat, macht er sich nun daran, einen Gangster nach dem anderen vom Diesseits ins Jenseits zu befördern. Der Film unterhält mit einer rasanten Mischung aus atemloser Action und pechschwarzem Humor. Alles ist ein bisschen schneller, üppiger und gelegentlich sogar überraschender als im Original. Die Landschaftsaufnahmen etwa begeistern mit einer schier überwältigenden Weite und Schönheit. Wenn das Blut den Schnee färbt, meint man, die Bilder müssten jede Sekunde regelrecht explodieren. Clou des Films ist allerdings die Interpretation des einsamen Rächers durch Liam Neeson. Der ebenso als Charakterdarsteller („Schindlers Liste“, „Chloe“) wie Haudegen („Batman Beginns“, „96 Hours“) erfahrene Schauspieler verleiht der Figur bei alle Überzeichnung eine glaubhafte Tiefe, verwandelt Nels nie in ein Monster, sondern zeichnet ihn durchweg als gebrochenen Mann. Da er dies mit Nonchalance tut und mit einer kräftigen Prise Ironie würzt, die das Mordsspektakel eindeutig ins Licht des Absurden rückt, wird die Geschichte in keinem Moment zu einem fragwürdigen Plädoyer für Selbstjustiz. Die Akteure neben Liam Neeson geraten allerdings des Öfteren ins Hintertreffen. Laura Dern etwa, wie Neeson bereits zwei Mal für einen Oscar nominiert, kann als Grace nicht einmal ansatzweise ihr enormes Können zeigen. Ihre Rolle wird von Drehbuch und Regie zu klein und eindimensional gehalten. Kleine Mängel wie dieser werden jedoch durch einige schön-schräge Momente wett gemacht. Da tummeln sich etwa herrlich kuriose Randgestalten, beispielsweise eine indigene Drogenbande. Mehr als einmal zündet kraftvoller Humor. Das A und O des Films aber ist das in keinem Moment routiniert anmutende Spiel von Liam Neeson. Man glaubt ihm jede warme Gefühlsregung und jede eiskalte Tat. Neben seiner erstaunlichen körperlichen Präsenz schafft er es, dass Innere des Mannes in dessen Augen zu spiegeln. Das gibt dem vergnüglichen Thriller einige Augenblicke tiefsinnigen Innehaltens. Demnächst soll er als Raymond Chandlers berühmter Detektiv Philip Marlowe in die Kinos kommen. Möglicherweise klappt es dann ja endlich mit einem Oscar für Liam Neeson. Verdient hat er ihn längst.

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