Filmfestival Mannheim-Heidelberg Männlichkeit und Mutterschaft: Das Festivalprogramm steht fest

Die französische Newcomerin Ghjuvanna Benedetti sit für ihre Rolle als Tochter eines korsischen Clanbosses im Wettbewerbsfilm „T
Die französische Newcomerin Ghjuvanna Benedetti sit für ihre Rolle als Tochter eines korsischen Clanbosses im Wettbewerbsfilm »The Kingdom« für den neuen Nachwuchs-Schauspielpreis des Filmfestivals Mannheim-Heidelberg nominiert.

Am 7. November beginnt das 73. Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg. Jetzt wurde das reiche Programm bekanntgegeben und der Vorverkauf eröffnet. Auch ein neuer Preis für Nachwuchsschauspiel wird eingeführt.

„Das ist für uns immer ein besonderer Moment. Jetzt geht's richtig los!“, meinte Festivalleiter Sascha Keilholz, als er das Programm mit einigen Teammitgliedern im Mannheimer Cinema Quadrat vorstellte. Mit 82 Beiträgen aus 42 Ländern aller Kontinente wird es sehr umfangreich und, wie der Name schon verheißt, international. Zwar rangieren unter der hohen Zahl an Filmbeiträgen auch elf Kurzfilme von zum Teil nur wenigen Minuten Dauer, dennoch ist es am besten, man verschafft sich rechtzeitig einen Überblick und nutzt den Vorverkauf, online (ab sofort) oder vor Ort (ab 26. Oktober), um nicht allzu viel zu verpassen. Von 7. bis 17. November wirklich alles zu sehen, dürfte unmöglich sein.

Die größte Sektion des Festivals bildet mit 16 Beiträgen der Wettbewerb „On the Rise“ mit ersten und zweiten Werken von Nachwuchsregisseuren, gefolgt von 15 Filmen in der Rubrik „Pushing the Boundaries“, die Filme berufserfahrenerer Regisseure in den Blick rückt. 13 Beiträge, von 1928 („Steamboat Bill, Jr.“ von und mit Buster Keaton) bis 2011 (der indonesische Martial-Arts-Film „The Raid“), umfasst die Retrospektive „Körper im Film“ und ein Dutzend die Reihe „Filmscapes“, in der ästhetisch und narrativ im Prinzip alles möglich ist, von Kurzfilmen des regionalen Filmcoachingprojekts Girls Go Movie über das australische Knetfigurendrama „Memoir of a Snail“ bis zu „Afternoons of Solitude“ von Albert Serra, der irgendwo zwischen martialischer Stierkampf-Doku und blutigem Kunstfilm changiert.

Eröffnet das Festival am 7. November: der kanadische Film „Sharp Corner“.
Eröffnet das Festival am 7. November: der kanadische Film »Sharp Corner«.

Als wiederkehrende Motive macht Keilholz zu überwindende innere und äußere Grenzen sowie die Migration aus. Etliche Filme untersuchen gesellschaftliche Schieflagen und prangern soziale oder politische Missstände an. Filme aus Indien und Pakistan hinterfragen das Kastensystem und das Patriarchat. Produktionen aus Brasilien und der Dominikanischen Republik, selten genug in Europa zu sehen, beschwören ebenfalls die Selbstermächtigung von Frauen und die Überwindung arbeitsrechtlicher Unwuchten. Während „Afternoons of Solitude“ oder der US-Beitrag „Eephus“ in oftmals als „toxisch“ erlebte Männerwelten führen, stehe gleich in einer ganzen Anzahl von Filmen die weibliche Mutterschaft im Fokus: Als Wunsch und Empfinden in „Ten Months“, oszillierend zwischen Schwarzer Komödie und Psychothriller in „Salve Maria“ oder als „regretting motherhood“, Bedauern der Mutterschaft, in der US-Horrorkomödie „Nightbitch“. Gar ein neues Subgenre entdeckt Keilholz – „das kennt man aus der Lyrik, aber nicht aus dem Film“ – in den „Schäferfilmen“ „Bring Them Down“, der wieder die (selbst)zerstörerische Männlichkeit ins Spiel bringt, und „Shepherds“, dem Abschlussfilm des Festivals, einer romantischen Aussteigergeschichte, die wie der Eröffnungsfilm „Sharp Corner“ aus Kanada kommt.

Wer genau hinschaut, entdeckt etliche Filme im reichen Angebot, die in Zukunft noch von sich reden machen könnten. Etwa „Nightbitch“ mit Amy Adams, der Chancen für den nächsten Oscar als beste Hauptdarstellerin eingeräumt werden, ebenso wie der Komödie „Universal Language“, die Kanada für den Academy Award als bester internationaler Film eingereicht hat, Deutschlands Vorschlag „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ von Mohammad Rasoulof oder das Thriller-Musical „Emilia Pérez“, mit dem sich der 72-jährige französische Filmemacher Jacques Audiard, der also genauso alt ist wie das Festival selbst, ganz auf der Höhe der Zeit zeigt.

Ein starker Wettbewerbsfilm aus Indien: „Girls Will Be Girls“ erzählt von der ersten Liebe einer 16-Jährigen, bei deren Erfüllun
Ein starker Wettbewerbsfilm aus Indien: »Girls Will Be Girls« erzählt von der ersten Liebe einer 16-Jährigen, bei deren Erfüllung ihre Mutter eine besondere Rolle spielt.

Das IFFMH verleiht aber auch wieder am 14. November eigene Auszeichnungen. Erstmals in diesem Jahr gibt es den mit 10.000 Euro dotierten Young Actors Award, für den die Französin Ghjuvanna Benedetti („The Kingdom“), die Kanadierin Ariella Mastroianni („Gazer“) und die Spanierin Laura Weissmahr („Salve Maria“) nominiert sind. Über die Vergabe entscheidet die dreiköpfige internationale Jury, die auch die beiden Hauptpreise im Wettbewerb zuspricht.

Schon fest steht: Der Grand IFFMH Award geht am 9. November an die schottische Filmemacherin Lynne Ramsay, von der ebenso eine Auswahl von drei Filmen zu sehen sein wird wie von der renommierten Polin Agnieszka Holland, die mit einer Hommage gewürdigt wird.

Kurios: „Holy Electricity“ aus Georgien spürt auch merkwürdigen Ausprägungen der Religiösität im Land nach. Die zwei Hauptfigure
Kurios: »Holy Electricity« aus Georgien spürt auch merkwürdigen Ausprägungen der Religiösität im Land nach. Die zwei Hauptfiguren versuchen sich als Vertreter und verkaufen selbst gebastelte LED-Leuchtkreuze.

Beim Kartenkauf profitieren die Festivalbesucher diesmal von einem solidarischen Preissystem, das neu eingeführt wird. Käufer der Einzeltickets können fortan entscheiden, welche von drei Preiskategorien (Basis für 8 Euro, Standard 12 Euro oder Soli 14 Euro) sie wählen und damit ermöglichen, dass auch Kinobesucher mit geringerem Budget teilnehmen können. Bei verschiedenen Veranstaltungen des Rahmenprogramms ist der Eintritt ohnehin frei. Beteiligte Kinos sind in Mannheim das Cineplex, das Atlantis, das Cinema Quadrat sowie das Stadthaus N1, in Heidelberg der Luxor-Filmpalast, das Gloria und der Karlstorbahnhof sowie in beiden Städten zahlreiche weitere Orte, in denen das Rahmenprogramm stattfindet.

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