Hardrock Mr. Big nehmen Abschied

Eric Martin (links) und Paul Gilbert in Aktion. Gilbert musste kurz zuvor den Diebstahl seiner Gitarren verdauen.
Eric Martin (links) und Paul Gilbert in Aktion. Gilbert musste kurz zuvor den Diebstahl seiner Gitarren verdauen.

Die Hardrock-Legenden Mr. Big sind gerade auf ausgedehnter Abschiedstournee „The Big Finish“. Dabei machten sie am Dienstagabend auch in der Frankfurter Batschkapp Station. Ein ebenso schweißtreibender wie wehmütiger Abend.

Alarm! Paul Gilbert wandte sich vor dem Mr.-Big-Konzert in Frankfurt via Instagram mit einem Hilfegesuch an die Fans. „Diese vier Gitarren sind mir heute in Frankfurt, Germany, geklaut worden“, schrieb der Gitarrist, der von der Fachpresse immer wieder zu den besten seines Metiers gezählt wird, und postete ein paar Bilder dazu. In der Hoffnung, die Fans würden die Augen offen halten.

Auch der größte Virtuose ist ohne sein Instrument auf der Bühne hilflos, aber ausfallen musste das Konzert am Ende trotzdem nicht. Irgendwie war es Gilbert gelungen, kurzfristig Ersatz zu organisieren. Auf der Bühne ließ er sich den Stress und das ungewohnte Gerät nicht anmerken, den hässlichen Vorfall erwähnte er in der Batschkapp auch mit keiner Silbe. Profi eben. Es galt ja auch, eine Mission zu erfüllen: gemeinsam mit einer gut gefüllten Halle Abschied zu feiern. Denn nach gut 36 Jahren soll es das nun gewesen sein, mit dieser Supergroup, die sich 1988 in Los Angeles formiert hat: mit eben Gitarrist Gilbert (ehemals Racer X), Bassist Billy Sheehan (ehemals bei Talas, Steve Vai und David Lee Roth), Schlagzeuger Pat Torpey (ehemals bei Belinda Carlisle und Robert Plant) sowie Frontmann Eric Martin. Die Band zog ob des guten Rufs ihrer einzelnen Mitglieder schnell Aufmerksamkeit auf sich, gerade in Japan war (und ist) die US-Gruppe erfolgreich.

Durchbruch mit untypischer Ballade

Der internationale Durchbruch gelang 1991 mit dem Album „Lean Into It“. Auf diesem fand sich der Mr.-Big-Hit schlechthin – die Akustik-Ballade „To Be with You“. Wie das bei Rockbands oft so ist: Ausgerechnet mit einer Nummer, die stilistisch so gar nicht typisch für ihren eigentlichen Sound ist, gelingt der größte Wurf. „To Be with You“ ist unheimlich soft, ein starker Kontrast zum üblichen, treibenden, schweißgetränkten Hardrock der Band. Und so überrascht es nicht, dass die Mr. Big nur noch einmal in die Nähe dieses Erfolges kommen sollten: 1993, mit dem Cat-Stevens-Cover „Wild World“, in dem es ebenfalls ausnahmsweise etwas ruhiger und radiotauglicher zuging.

Im Fahrwasser ihrer großen Abschiedstournee haben Mr. Big unlängst ihr zehntes Studioalbum veröffentlicht. Doch beim Konzert in der Batschkapp spielte „Ten“ keine Rolle. Kein einziger der neuen Songs fand sich auf der Setlist wieder. Stattdessen lag der Fokus auf dem Erfolgsalbum „Lean into It“. Das wurde dem gleichermaßen gut aufgelegten wie wehmütigen Publikum in Gänze serviert. Schön zu sehen: Trotz ihres fortgeschrittenen Alters haben die Jungs durchaus noch Wucht, und Eric Martin ist bei Stimme. Das ist nicht selbstverständlich, gerade die Hardrock- und Hair-Metal-Stars der 1980er haben mit ihren Stimmen ja oft Raubbau getrieben. Jon Bon Jovi und Axl Rose könnten ein Lied davon singen. Natürlich hat auch Martin hier und da mal zu kämpfen, aber insgesamt kann sich das durchaus noch hören lassen. Zumal er zuletzt so seine Probleme hatte, nachdem er vor wenigen Wochen fies im Tourbus ausrutschte und sogar ins Krankenhaus musste. Der Mann beißt seither tapfer auf die Zähne.

Eine Nostalgie-Show

Natürlich war der Abend in Frankfurt eine Nostalgie-Show. Eine, bei der man nochmal zu „Alive and Kicking“ steil gehen konnte. Bei der man zu „Green-Tinted Sixties Mind“ die 60erJahre verklären oder sich ein letztes Mal auf die „Road to Ruin“ begeben konnte. Bei der Frankfurt nochmal inbrünstig „I'll be your daddy, your brother, your lover and your little boy“ mitgrölen konnte. Und natürlich zu „To Be with You“ und „Wild World“ nochmal gefühlig werden durfte.

Neben „Lean into It“ wurde der Rest des Mr.-Big-Katalogs leider mit Missachtung gestraft. Immerhin war aus dem selbstbetitelten Debütalbum „Addicted to that Rush“ (ein gelungener Einstieg ins Konzert) und aus „Hey Man“ noch „Take Cover“ dabei. Ansonsten spendierten die US-Rocker ihren Fans ein paar ausschweifende Soli und ein paar Cover („Baba O’Riley“ von The Who und „Shy Boy“ von Talas). Nach rund zwei Stunden hatte die Rock-Party ein Ende.

Noch ein Diebstahl

Ob es das jetzt war? War „The Big Finish“ wirklich das letzte große Hurra von Mr. Big? Gerade im Hardrock soll man ja niemals nie sagen: Wie oft gingen Bands wie Aerosmith, Kiss und die Scorpions schon auf Abschiedstour? Nun, bei Mr. Big dürfte es anders sein. Und das liegt vor allem daran, dass es sich für die Band einfach komisch anfühlt, ohne Gründungsmitglied Pat Torpey auf der Bühne zu stehen. Der Schlagzeuger starb 2018 mit gerade mal 64 Jahren an den Folgen einer Parkinson-Erkrankung. In Frankfurt vertrat ihn Nick D'Virgilio. Dem hatten sie in der Nacht zuvor übrigens auch die Drum-Mikros geklaut ...

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