Schlager „Musik hat wirklich Macht“: Nana Mouskouri im Interview

Wird zum 90. Geburtstag mit weißen Rosen gefeiert: Nana Mouskouri.
Wird zum 90. Geburtstag mit weißen Rosen gefeiert: Nana Mouskouri.

Interview: Nana Mouskouri ist eine Ikone des Schlagers. Zu ihrem 90. Geburtstag am Samstag erscheint nun das Album „Happy Birthday, Nana“ mit ihren größten Hits in deutscher Sprache. Darunter sind Klassiker wie „La Provence (Du blühendes Land)“, „Glück ist wie ein Schmetterling“ und natürlich „Weiße Rosen aus Athen“. Steffen Rüth sprach mit der Griechin, die seit Langem am Genfer See lebt, über ihre Karriere.

Liebe Nana, wie geht es Ihnen?
Mir geht es mittlerweile wieder ganz gut. Viel besser jedenfalls als noch vor ein paar Wochen.

Was war denn geschehen?
Vor ungefähr einem Monat war ich in Athen und bin dort gefallen. Das ist, gerade in meinem Alter, keine ungefährliche Sache. Aber ich hatte Glück, es ist nichts gebrochen. Die einzige Folge ist, dass ich mich nun ein bisschen ausruhen muss, um wieder ganz in Ordnung zu kommen.

Ihre Auftritte sind rar geworden – hier Nana Mouskouri 2023 bei der Fernsehshow „Das Adventsfest der 100.000 Lichter“.
Ihre Auftritte sind rar geworden – hier Nana Mouskouri 2023 bei der Fernsehshow »Das Adventsfest der 100.000 Lichter«.

Ihre Lieder sind ja immer voller Freude und Liebe. Machen Sie sich aktuell mehr Sorgen um die Welt als sonst in Ihrem Leben?
Ja, ich bin besorgt. Seit ich auf der Welt bin, haben wir sehr viel Fortschritt und tolle Entwicklungen erlebt. Vieles hat sich sehr positiv verändert. Auf der anderen Seite wachsen die jungen Menschen heute mit Bedrohungen auf, die wir zuvor noch nicht kannten. Ich wuchs mit dem Schrecken des Zweiten Weltkriegs auf, aber das ist ja sehr lange her, und wir glaubten, so etwas könne nie wieder geschehen. Ich finde es ganz schrecklich, und ich hätte es nie für möglich gehalten, dass jetzt wieder so viele Menschen in Europa in einem Krieg sterben.

Sie waren sechs Jahre alt, als die deutsche Wehrmacht 1941 Griechenland überfiel. Ihr Vater führte ein Freiluftkino. Sie haben den Krieg noch erlebt.
Ja, ich habe den Krieg gesehen. Ich habe gesehen, wie Leichen in den Straßen lagen. Aber trotz allem: Ich bin und ich bleibe eine sehr optimistische Person. Ich habe viel Schönes und viel Schlimmes in meinem Leben gesehen, und ich bin überzeugt: Es gibt immer Hoffnung. Was allerdings nicht heißt, dass ich die derzeitigen Kriege und Krisen nicht ernstnehmen würde, denn das tue ich.

Was sollten wir tun?
Wir sollten nicht vergessen, unser Leben zu leben. Das Beste daraus machen. Eines Tages wird es auch wieder besser aussehen. So war es doch immer.

„Ich habe nie aufgehört zu arbeiten“, sagt Nana Mouskouri.
»Ich habe nie aufgehört zu arbeiten«, sagt Nana Mouskouri.

Und was machen Sie denn aus Ihrem großen Geburtstag? Schauen Sie mit Vorfreude auf den 13. Oktober?
Ich versuche immer noch zu verstehen, dass ich 90 Jahre alt werde. Es ging so schnell! Auf alle Fälle ist es ein großes Privileg. Ich habe so lange überlebt, ich lebe noch immer, und es geht mir gut. Längst nicht alle Menschen werden so alt, die meisten bedauerlicherweise nicht.

Hatten Sie ein Rezept, um ein hohes Alter zu erreichen?
Ja, ich habe mir immer Ziele gesetzt. Und ich habe nie aufgehört zu arbeiten. Mein ganzes Leben lang war Disziplin extrem wichtig, das war schon so, als ich am Konservatorium in Athen Gesang, Klavier und Harmonielehre studierte und in meiner Freizeit in einer Jazzband sang. Ich bin immer, so gut es ging ,bei mir geblieben und war aufrichtig zu mir selbst. So bin ich gut durch schöne wie auch durch schwere Zeiten gekommen. Jetzt bin ich hier, 90 Jahre alt, und alle fragen mich, wie ich feiern werde.

Und? Rechnen Sie mit weißen Rosen als Geschenk?
Aber natürlich! Ich liebe Blumen, und ich liebe auch natürlich weiße Rosen. Immer wieder schicken Fans mir Blumen, darüber freue ich mich sehr. „Weiße Rosen“ ist für meine Karriere und für mein ganzes Leben ein sehr besonderes Lied. Es war 1961 meine erste Single in Deutschland und wurde sogleich zu einer Nummer eins und bescherte mir meine erste Goldene Schallplatte. Das Lied war der wirkliche Beginn meiner Karriere, jedenfalls der Karriere außerhalb von Griechenland. Seither habe ich nie mehr aufgehört zu singen.

Typische Geste: Nana Mouskouri bei einem Konzert 2014.
Typische Geste: Nana Mouskouri bei einem Konzert 2014.

Sie haben nun einige Ihrer Lieder mit dem Royal Philharmonic Orchestra neu produziert. Diese sind Teil des Best-of-Albums „Happy Birthday, Nana“. Wie ging die Arbeit vonstatten?
Wir haben meine Originalstimmaufnahmen von damals genommen und meinen Gesang aus den Sechziger Jahren neu mit dem wunderbaren Klang des Orchesters zusammengeführt. Ich habe ursprünglich klassische Musik studiert, mit der Klassik begann für mich alles. Es gefällt mir, meine Stimme von früher nun in einem solch üppigen Soundgewand zu hören.

Auf „Happy Birthday, Nana“ sind Ihre großen deutschsprachigen Erfolge versammelt – nur das Stück „Pios échi Dakria“ singen Sie in Ihrer Muttersprache. Was hat es mit dem Lied auf sich?
Den Song habe ich als einzigen für diese Platte neu eingesungen. Dabei gibt es ihn schon seit mehr als 30 Jahren. Der Komponist Dimos Moutsis und der Poet Nikos Gatsos haben „Pios échi Dakria“ in der Tradition von Bob Dylans „Blowin’ In The Wind“ geschrieben. Das Lied handelt von Hoffnung und Liebe, Trost und Trauer. Und somit passt es wunderbar in die aktuelle Zeit.

Wie blicken Sie insgesamt auf Ihren Werdegang als Sängerin?
Ich hätte nie erwartet, was mit mir und meiner Karriere passiert. Dass ich nach 60 Jahren hier bin und mit Ihnen rede. Das Leben ist seltsam, aber es war die allermeiste Zeit mein Freund.

Sie kamen 1960 nach Deutschland. Was wussten Sie über das Land und welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Als ich Athen verließ, kam ich zunächst nach Frankreich, wo ich eine französische Version von „Weiße Rosen aus Athen“ aufnahm. Danach ging es nach Berlin, wo ich in einem Hotel am Potsdamer Platz wohnte und ganz in der Nähe im Studio meine Musik aufnahm. Ich konnte von meinem Hotelfenster aus sehen, wie sie die Mauer bauten. Ich war sehr stark hin- und hergerissen von meinen Gefühlen. Einerseits war ich in Deutschland plötzlich erfolgreich und sehr gefragt. Andererseits weinte ich oft, weil ich mitbekam, wie die Berliner Mauer immer größer wurde. Ich wünschte mir so sehr, dass diese Mauer wieder abgerissen werden würde. Ich sah, wie falsch das alles ist. Knapp 30 Jahre später wurde meine große Hoffnung endlich wahr.

Da sind wir wieder bei ihrer Einstellung, nie die Hoffnung zu verlieren.
Der Fall der Berliner Mauer war eine der schönsten Erfahrungen meines Lebens. Damals sah ich sehr, sehr deutlich, wie viel es den Menschen bedeutet, in einem System der Freiheit, der Demokratie und der Menschenrechte zu leben. Mir war meine Freiheit immer wichtig. Aber selbstverständlich war mir genauso wichtig, dass auch alle anderen Menschen frei sind.

Griechenland war nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst keine Demokratie, und das Frauenwahlrecht etwa wurde erst Mitte der fünfziger Jahre eingeführt. Wie haben Sie als junge Frau auf diesen Mangel an Freiheit reagiert?
Ich habe mich hinausgeträumt in die weite Welt. So wurde ich ein Fan von Elvis Presley, ich habe von ihm geschwärmt, er wirkte so jung und unbekümmert. Später entdeckte ich die Rolling Stones, die Beatles und viele mehr. Ich denke, wir sollten uns sehr glücklich darüber schätzen, dass wir in Freiheit und in demokratischen Verhältnissen leben dürfen. Nur diese Kriege, die machen mich sehr traurig, niemand braucht Kriege. Krieg bringt Leid und Tod und sonst nichts.

Sie singen in sehr vielen verschiedenen Sprachen. Sind Sie als weltweit bekannte Künstlerin auch so etwas wie eine Botschafterin für Frieden und gegenseitiges Verständnis?
Natürlich. Ich war immer der Ansicht, ich habe hier eine große Verantwortung und einigen Einfluss. Die Musik kann helfen, das ist meine Überzeugung. Und ich wünsche mir, dass auch die jungen Sängerinnen und Sänger heute versuchen, Songs zu singen, die eine optimistische Botschaft haben. Die Jugend braucht Vertrauen in die Zukunft. Sie sollte das auch mithilfe von Musik unterstreichen. Die Musik erreicht die Menschen heute schneller denn je. Wenn du positive Dinge teilst, verbreiten sie sich heute sofort auf der ganzen Welt. Musik hat wirklich Macht.

Hören Sie sich Musik von heute an?
Ein wenig, aber da bin ich keine Expertin. Es beeindruckt mich allerdings, dass es eine ganze Reihe von jungen, musikalisch sehr unterschiedlichen Frauen gibt, die es schaffen, ein ganzes Stadion voller Menschen zu berühren. Das zeigt mir, dass die Kraft der Musik unverändert stark ist. Und auch das gibt mir Mut, was die Zukunft angeht.

Zur Person

Nana Mouskouri wurde am 13. Oktober 1934 auf Kreta geboren. Ihr Vater war Filmvorführer. Sie wuchs in Athen auf, studierte dort am Hellenischen Konservatoirum klassischen Gesang, Klavier und Harmonielehre. Zunächst sang sie Jazz, später Chanson und Schlager. Sie ist seit fast 65 Jahren weltweit (aber ganz besonders im deutschsprachigen Raum) berühmt.

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