Kultur Musik und Körper

Eine unmoralische Liebe in herrlichen Tönen: Kate Lindsday als Nerone und Sonya Yoncheva als Poppea in Monteverdis Oper.
Eine unmoralische Liebe in herrlichen Tönen: Kate Lindsday als Nerone und Sonya Yoncheva als Poppea in Monteverdis Oper.

Monteverdis „Poppea“ und Henzes „Bassariden“ waren die letzten beiden szenischen Opernproduktionen der Salzburger Festspiele. So sehr sich die 324 Jahre auseinander liegenden Werke über die römische Geschichte oder die griechische Mythologie musikalisch auch unterscheiden, bei ihrer szenischen Realisierung im Jahr eins der neuen Intendanz in Salzburg gab es erstaunliche Parallelen.

Passion, Leidenschaft: Das ist das Leitmotiv im Spielplan von Markus Hinterhäuser. Und dass da die einschlägigen Opernschocker der unmoralischen Art wie Strauss’ „Salome“ oder eben Claudio Monteverdis „Krönung der Poppea“ nicht fehlen dürfen, versteht sich. Und die „Bassariden“ von Hans Werner Henze nach den „Bakchen“ des Euripides passen auch optimal in diesen Rahmen, schließlich geht es hier um dionysische Feiern zu Ehren des sinnenfrohen Weingotts. Sowohl bei dem Barockmeister Monteverdi als auch bei Henze ist die Musik gerade nicht auf Seite der keuschen Moral, sondern betont die sinnlichen Seiten der Geschichte. Ausgesprochen sinnlich und körperlich waren die Salzburger Inszenierungen beider Werke. Durch den Einsatz von Tänzern und Tanzensembles, die mit einer exzessiven Choreographie die jeweiligen Geschichten immer wieder verdoppelten und kommentierten, wurden beide Opern zu einem vielschichtigen und bildgewaltigen Sinneseindruck. Für die „Poppea“ im Haus für Mozart wurde der belgische Universalkünstler Jan Lauwers für Regie, Bühnenbild und Choreographie engagiert, der seine eigene Needcompagnie mitbrachte. Die ideenreichen Kostüme stammen vom Duo Lemm & Barkey. So sehr Lauwers mit seinem Konzept eines postdramatischen Theaters den Akteuren viel Raum für freie Entfaltung lässt, beliebig und unverbindlich ist diese Inszenierung nicht. Umgeben von den expressiven Gesten der Tänzer – eine oder einer dreht sich in der Bühnenmitte immer ekstatisch im Kreis – wird die Geschichte packend erzählt. Für den Schluss hat der Regisseur eine einfache und schlüssige Idee. Die Masse gibt im Hintergrund ihrem Entsetzen über die Verbindung von Nero und Poppea Ausdruck. Doch nach und nach verschwinden alle im Dunkel. Nur das Liebespaar bleibt zu den letzten Takten des legendären Schlussduetts im Vordergrund der Bühne sichtbar. Die Liebe allein hat gesiegt. William Christie, eine überragende Autorität in Sachen Barockmusik, steht mit seinem Ensemble Les Arts Florissants für eine musikalische Einstudierung, die die ganze Intensität der Musik auszuloten weiß. Ganz aus dem Drama und dem Text heraus wird der Gesang hier zu ausdrucksvollen Deklamation. Es gelingt dem exquisiten Ensemble, Stilgefühl und unmittelbaren Ausdruck aufs Schönste zu verbinden. Sonya Yoncheva ist eine betörende Poppea, Kate Lindsay ein abgründig gezeichneter Nerone, Stéphanie d’Oustrac eine leidenschaftliche Ottavia und Renato Dolcini ein ungemein weich und kultiviert singender Seneca. Für Henzes „Bassariden“, die 1966 in Salzburg uraufgeführt wurden, nutzt Regisseur Krzysztof Warlikowski die ganze Breite der Felsenreitschule und die Galerien aus. Gleichsam drei Bühnenräume stehen nebeneinander: rechts ein Schlafzimmer, in dem die erotische Mutter-Sohn-Beziehung Agave/Pentheus und Semele/Dionysos ihren Platz hat, links das Mausoleum für Semele und in der Mitte der Ort öffentlicher Begegnung. Auch Warlikowski deutet den Stoff nicht um, sondern zeigt ihn in seiner ganzen Drastik und kommentiert ihn mit Parallelaktionen. Auch hier spielt der Tanz eine wesentliche Rolle (Choreografie: Claude Bardouil). Besonders exponiert tritt die Tänzerin Rosalba Guerrero Torres in ihren selbst choreografierten Solo auf. Sie bringt in nuce all die extremen Passionen dieses extremen Stoffes auf den Punkt. Kent Nagano reizt am Pult der Wiener Philharmoniker alle Facetten der in unzählig vielen Farben schillernden und extrem kunstvollen Partitur in faszinierender Weise aus. Henzes Musik ist modern, aber mit hörbarem Traditionsbezug – und sie setzt in der Auslegung des hier original englisch gesungenen Textes von Wystan Hugh Auden und Chester Simon Kallman in jedem Takt sinnfällige Akzente. Im hochkarätigen Ensemble gehen vor allem von Tanja Ariane Baumgartner als Agave, Sean Panikkar als Dionysos, Russell Braun als Pentheus und Willard White als Cadmus prägende Akzente aus. Wie immer reichhaltig und exzellent ist das Konzertprogramm der Festspiele. In einem Fall gibt es einen schönen Bezug zur Region. Morgen in fünf Wochen kommen die Wiener Philharmoniker zur Saisoneröffnung ins Festspielhaus Baden-Baden. Am Pult: der 91-jährige Herbert Blomstedt. Mit dem Maestro arbeiten die Wiener immer öfter. Sein Salzburger Konzert mit den vierten Sinfonien von Sibelius und Bruckner war nichts weniger als eine Offenbarung, die den Kern dieser Musik enthüllte. Für beide Komponisten ist Blomstedt das Maß der Dinge. Man darf auf das Konzert in Baden-Baden mit Berwald und Dvorak sehr gespannt sein. Termine www.salzburgfestival.at

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