Literatur Roman über eine starke Frau: „Eve“ von Amor Towles

Amor Twoles
Amor Twoles

Der US-Amerikaner Amor Towles schreibt ein gutes Buch nach dem anderen. Jetzt ist „Eve“ erschienen, ein wunderbarer Roman, der in Los Angeles spielt und die Schattenseiten von Hollywood streift.

Der schönste Roman der vergangenen Jahre, der in Moskau spielt, stammt von einem US-Amerikaner. „Ein Gentleman in Moskau“ von Amor Towles handelt von dem charmanten, äußerst liebenswürdigen Lebemann Graf Rostov. Er wird 1922 verhaftet und zu lebenslangem Hausarrest verurteilt, und zwar im Hotel Metropol. Was er da so alles erlebt ... Das Buch ist bezaubernd, ach was, hinreißend, und wartet am Ende noch einmal mit einer großen Pointe auf. Auch Amor Towles folgender Roman „Lincoln Highway“ aus dem Jahr 2022 und sein vor dem Moskauer Werk erschienener Erstling „Eine Frage der Höflichkeit“ entpuppten sich als Lesegenuss. Und nun also „Eve“, die Geschichte über einen Erpressungsversuch und gleichzeitig auch ein Hollywood-Roman.

Der nur 222 Seiten lange Text stammt aus Towles’ Buch „A table for two“, das neben „Eve“ noch sechs Kurzgeschichten enthält. Ein Hollywood-Roman? Warum denn nicht? „Hollywood“ von Charles Bukowski oder „Der Himmel über Hollywood“ von Leon de Winter beispielsweise liegen doch schon wieder ein paar Jährchen zurück. Und Daniel Kehlmanns „Lichtspiel“ aus dem vergangenen Jahr über den Regisseur G. W. Pabst spielt ja die meiste Zeit in Hitler-Deutschland.

Auch Amor Towles geht in die dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurück. Auf den ersten Blick ist es schwer, ein gemeinsames Thema, oder gar ein Leitmotiv, in seinen Texten zu finden. Vielleicht ist es das: Wie all die verschiedenen Hauptfiguren in den Geschichten den Widrigkeiten trotzen, wie sie sich nicht unterkriegen lassen, sich anpassen und vor allem: immer wieder Lösungen finden.

Wir sind im Jahr 1938. Eve, Evelyn Ross, ist eine starke Persönlichkeit. Sie freundet sich mit der Schauspielerin Olivia de Havilland an, die gerade den späteren Welterfolg und Klassiker „Vom Winde verweht“ dreht, die Liebesgeschichte also von Scarlett O'Hara und Rhett Butler.

Die schöne Eve kommt mit dem Zug aus New York nach Los Angeles, in Manhattan löste sie gerade ihre Verlobung. Trübsal bläst sie deswegen nicht. Die zwei jungen Frauen unternehmen die eine oder andere Spritztour. Aber mit der Leichtigkeit des Seins ist es bald vorbei. Eves neue Freundin Olivia de Havilland ist zartbesaitet, und deswegen ist sie auch völlig verzweifelt, als ihr Unheil widerfährt. Aber sie hat ja Eve, die sich um die Sache kümmert. An ihrer Seite: Der pensionierte Polizist Charlie, den sie auf der Zugfahrt gen Westen am Frühstückstisch kennenlernte und der etwas abgehalfterte Schauspieler Prentice Symmons. Mit den beiden alten Haudegen macht sich Eve an die Arbeit. Dabei geht keinesfalls alles glatt.

Warten hilft

Im Laufe der Hilfsaktion, ja: Rettungsaktion, kommen weitere Figuren ins Spiel und so erfahren wir einiges über die Schattenseiten der Traumfabrik, über das gnadenlose Geschäft, über die Ängste der Studiobosse wie David O. Selznick und Fehler, die man besser nicht machen sollte. Dem Fotografen Wendell wird ein unbedachtes Kompliment zum Verhängnis. Und auch der ehemalige Polizist Finnegan, nun Sicherheitschef im Beverly Hills Hotel, ist unglücklich. Die Traumfabrik und die Kasinos produzieren Neid und Missgunst.

„Eve“ ist (auch) ein Roman über das Warten, über eine weitere Chance im Leben. Amor Towles hat ein flottes Buch geschrieben, stellenweise spannend, stellenweise humorvoll, stellenweise tiefgründig. Es weist den 1964 in Boston geborenen Autor abermals als einen der außergewöhnlichsten Autoren dieser Tage aus. Towles verbindet mit dem Roman die Hoffnung, der Leser möge so viel Freude beim Lesen haben wie er, der Autor, beim Schreiben. Oja, Mister Towles, die hatten wir!

Lesezeichen

Amor Towles: „Eve“; Roman; Aus dem amerikanischen Englisch von Susanne Höbel; Hanser, München; 224 Seiten; 24 Euro.

x