Kultur Schubert und der alte Steinway

Auch wenn das Wetter dem Herbst-Blues bislang beharrlich zu trotzen scheint – es ist die passgenaue Jahreszeit, um sich mit Franz Schubert auf „Winterreise“ zu begeben. Am Sonntag, 21. Oktober 2018, tun dies der Bassbariton Dominik Wörner und sein Klavierpartner Johannes Fiedler im Rahmen der Reihe „Musik in der Burgkirche“ in Bad Dürkheim. „Die Winterreise“, Franz Schuberts Liederzyklus nach Texten des in Bad Kreuznach geborenen Dichters Friedrich („Maler“) Müller gilt als das Opus Magnum des romantischen Kunstliedgesangs und Prüfstein jeder Sänger-Karriere dieser Kategorie – ausführungstechnisch wie vor allem seiner tieflotenden Emotionalität wegen. Es spiegelt „Sturm und Drang“ in geradezu exemplarischer Direktheit, mutet Ausführenden wie Hörern emotionale Wechselbäder von beißend existenzieller Schärfe zu; eine Reise in die Abgründe seelischer Zerrüttung, Momentaufnahmen zwischen Melancholie, hysterischer Verzweiflung, sehnsuchtsvollen Visionen versiegten Glücks, Rast- und Heimatlosigkeit, am Ende tiefster Einsamkeit. Kein zweites Stück der Musikgeschichte vermittelt die tödliche Kälte des Verlassenseins derart physisch erfahrbar wie „Der Leiermann“, mit dem das Werk schließt. Und auch wenn das romantische Bild der treulosen Geliebten und die kältestarrende Winterlandschaft den Erzählfaden knüpfen, greift die Botschaft tiefer, bleibt bestürzend aktuell im Zeitalter von Kriegen, Flucht, Vertreibung weltweit. Der Bassbariton Dominik Wörner, 1. Preisträger des Leipziger Bach-Wettbewerbs 2002 und seither mit dem Tourneekoffer unterwegs zwischen Amsterdam, Tokyo, Zürich, Paris, Barcelona, Mailand oder auch Moskau, ist beim Pfälzer Publikum nicht zuletzt als Impresario und Protagonist des vor allem mit Alter Musik prunkenden Kirchheimer Konzertwinters eingeführt. Nicht minder spektakulär jedoch sind seine Meriten als Interpret romantischer und zeitgenössischer Lied-Komposition. Die subtil modellierende CD-Einspielung seiner „Winterreise“ hat dem Künstler seitens der Kritik blitzblankes Lob eingebracht. Sein Spiegelpartner im Live-Auftritt, das unverzichtbare Alter Ego, der Mann am Flügel, ohne den jeder Liedersänger ein Torso bliebe, ist diesmal Johannes Fiedler, evangelischer Kantor in Bad Dürkheim, dessen Tastenkünste mittlerweile weit über seinen Wirkungskreis hinwegstrahlen. Und er bringt einen dritten spektakulären Partner ins Spiel: Sein großer Steinway hat die berühmte Flügel-Werkstatt 1863(!) verlassen, allerlei Besitzer überdauert und war zuletzt allein durch die Aufmerksamkeit eines Stuttgarter Restaurators davor bewahrt worden, mehr oder weniger als Kaminholz zu enden. Der hat das auch optisch imposante Instrument kundig und behutsam zu seiner ursprünglichen Schönheit wiedererweckt. Sein neuer Besitzer, Johannes Fiedler, schwärmt nicht zuletzt vom weichen, kammermusikalischen Duktus seines Flügels – ideal geradezu für das schimmernde, fragile, so subtil nuancensüchtige Klanggeschehen in Schuberts „Winterreise“. Info —Sonntag, 21. Oktober 2018, 19 Uhr, Burgkirche Bad Dürkheim; Einführung um 18 Uhr; weitere Informationen unter www.kirchenmusik-bad-duerkheim.de

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