Kultur Schuberts „Fischermädchen“ aus dem letzten Zyklus, dem „Schwanengesang“

Meister der Liedkomposition bis zum Ende: Franz Schubert.
Meister der Liedkomposition bis zum Ende: Franz Schubert.

Keine andere Kunstform der klassischen Musik ist so eng mit dem deutschen Sprachraum verbunden wie das Lied. Im Englischen spricht man vom „German Lied“, wenn man beschreiben will, was Komponisten wie Schubert, Schumann oder Strauss auf diesem Gebiet geleistet haben. In unserem Lieder-ABC präsentieren wir eine Auswahl an Liedern. Heute geht es um den Buchstaben F – wie „Fischermädchen“ aus Schuberts letzter Liedersammlung „Schwanengesang“.

Nach dem düsteren Erlkönig nun also vermeintlich leichtere, lieblichere Kost. Es geht in diesem Lied auf ein Gedicht von Heinrich Heine – wie so oft bei Franz Schubert – um die Liebe. Nur scheint das rufende, lockende, singende lyrische Ich – ganz anders als in „Müllerin“ und „Winterreise“ – tatsächlich glücklich verliebt zu sein. Das Lied ist nichts weniger als eine Einladung zum Stelldichein. Eine Verabredung zum „kosen“. Vielleicht ist dieses in As-Dur stehende Lied mit seiner einfachen A-B-A’-Form, eine Erinnerung an ein fernes, in Schuberts letztem, von schwerer Krankheit gezeichnetem Lebensjahr auch unwiederbringliches Glück. Er musste zu seinem Bruder ziehen, konnte nicht mehr wandern, ja kaum das Haus verlassen. Das alles muss furchtbar auf ihm gelastet haben, und so schuf er sich eine bessere Welt, die er lange schon verloren hatte, in seiner Kunst. Stimmungswechsel durchziehen ohnehin den ganzen Zyklus, der erst nach Schuberts Tod den Namen „Schwanengesang“ erhalten hat. Es war die Idee des durchaus geschäftstüchtigen Verlegers Tobias Haslinger, der sechs Lieder auf Gedichte von Heinrich Heine mit sieben auf Texte von Ludwig Rellstab verband und noch eine Nummer vierzehn, die „Taubenpost“ nach Gabriel Seidl, hinzufügte. Schuberts wirklich allerletzte Komposition. Also doch ein „Schwanengesang“? Schubert hatte wohl vor, die Heine-Gedichte, zu denen eben auch das „Fischermädchen“ zählt, als Sammlung herauszugeben. Die Rellstab-Texte wollen sich dazu nicht so Recht fügen. Anders als in „Winterreise“ und „Müllerin“ ergibt sich auch keine stringent erzählte Handlung. Wir erleben vielmehr Stimmungsbilder, ein lyrisches Ich, das mal voller Schmerz sein Unglück, seine Liebesnot beklagt – am berühmtesten in der Nummer vier, dem „Ständchen“ („Leise flehen meine Lieder“); dann aber eben auch wieder voller Liebeszuversicht ist. Aufgeladen geradezu mit Glück. Nun wissen wir gerade von Heine, dass er solchen emotionalen Extremen durchaus misstraute. So unglücklich, wie sich manch Liebender in einem Heine-Gedicht auch gibt, so unglücklich hat ihn der Dichter nie gesehen. Das gilt auch für das gegenteilige Gefühl. Und so durchzieht auch das „Fischermädchen“ jene von manchen Zeitgenossen so sehr gefürchtete Ironie. Eine Ironie, mit der er auf die beiden Liebesschwärmer blickt. Schubert jedoch ist da anders gestrickt. Er gibt sich ganz dem Augenblick hin, trotz kleinerer Dissonanzen und einer Modulation in der Mittelstrophe singt er unbeirrt das hohe Lied der Liebe. Und sei es auch vor noch so langer Zeit in seinem Herzen erklungen. CD-Tipp Schubert, „Schwanengesang“: Werner Güra (Tenor), Christoph Berner (Klavier), Harmonia Mundi France

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