Kultur Staatspreise für Häuser, die froh stimmen

Ebenfalls mit einer Anerkennung geehrt: Minihaus auf Stelzen in Hohenecken, einem Stadtteil von Kaiserslautern.
Ebenfalls mit einer Anerkennung geehrt: Minihaus auf Stelzen in Hohenecken, einem Stadtteil von Kaiserslautern.

Fünf Jahre. So lange. Der rheinland-pfälzische Staatspreis für Architektur und Wohnungsbau, der jetzt in Mainz vergeben wurde, ist der erste seit 2013. So hat die Auszeichnung des Landes-Bauministeriums und der -Architektenkammer noch mehr Gewicht. Um Wohnkultur ging es dieses Mal, oder wie der Kaiserslauterer Kammer-Präsident Gerold Reker definiert: Räume, die froh stimmen. Gewonnen haben die beiden ersten Preise (wie berichtet) eine Wohnanlage und ein Haus in Mainz. Aus der Pfalz wurden Gebäude in Hohenecken, Ludwigshafen und Hördt prämiert.

Die schmale Box, die seit 2014 auf einem Kleinst-Grundstück zwischen Sonst-so-Architektur im Kaiserslauterer Stadtteil Hohenecken steht, wirkt Ufo-haft. Zurückhaltend und mit breiter Brust zugleich. Unvertraut, geplant „fern von Gästetoilette und gepflasterter Einfahrt“, wie es in einer Projektbeschreibung des Kasseler Architektur-studios Scheder heißt. Die Fassade aus Douglasienbrettern. Mehr als zwölf Meter zieht es das Mini-Haus in die Tiefe, wo es auf acht Punktfundamenten gründet. Neuneinhalb Meter hoch ragt es in die Höhe, aufgeständert auf dünnen Stelzen. Es steht traufständig. Das Schrägdach hat einen Knick. Von der Straße aus betrachtet, ist das „Kleine Haus“ blickdicht. Dafür fällt man auf der Rückseite gleich mit der Balkontür ins Haus. Gestrichene Gipsfaserplatten innen. Ahornparkett liegt aus. Im Obergeschoss sind Schlafbereich und Bad. Es gibt drei weitere Fenster außer dem am Eingang; viel zu schauen. Draußen der Wald und die Nachbarschaft, die zurückguckt, kaum mehr verwundert. Die Eindrücke der Räume variieren. Zwischen eng, weit, niedrig, hoch, weitläufig. Das Budget soll minimal gewesen sein. Der neue Besitzer, Norbert Eigen aus Erpel, nutzt es, wie seine Frau bei der würdigen Mainzer Preisverleihung mit Finanz- und Bauministerin Doris Ahnen verriet, unter der Woche anstelle eines Hotels. Dass das Haus einen Preis gewinnt, ist keine Premiere. Minihäuser sind ohnehin gerade sehr en vogue. 2015, beim Wettbewerb um den Architekturpreis Rheinland-Pfalz des Bundes Deutscher Architekten (BDA), lobte die Jury den „ästhetisch forcierten Pragmatismus“ des Gebäudes und zeichnete es mit einer Anerkennung aus. In der Preislage wie jetzt auch beim Staatspreis, dessen Preisjury unter seiner Vorsitzenden Susanne Wartzek aus Dipperz urteilt: „Eine zukunftsweisende Antwort auf die Frage, wie Ein- und Zweipersonenhaushalte auch im ländlichen Raum aussehen könnten.“ Ein Staatspreis muss andere Maßstäbe setzen. Vor allem beim Querschnittsthema Wohnen, das das Soziale tangiert, die Stadtentwicklungs- und Regionalpolitik, Inklusionsbestrebungen. Et cetera. Auch die Innenraumgestaltung spielte eine Rolle. Und so sind die Preisträger des Wettbewerbs – ausgezeichnet wurden mit den insgesamt 25.000 Euro Architekt/innen und Bauherr/innen je gleichermaßen – auch austariert. In die engere Auswahl für den Preis kamen ein Wohn- und Geschäftshaus in Bitburg und das Wohnhaus Heuser in Hördt von mack-architekten (Lingenfeld, Neustadt), das mit zwei Steildachhäusern an den seitlichen Grenzen tief in das Grundstück reicht, von einem rückwärtigen Verbindungsbau zum Ensemble ergänzt. Acht weitere Bauten aus der Pfalz waren nominiert, darunter etwa das Schulze-Delitzsch-Carrée auf dem Gelände der Landauer Landesgartenschau. Von 23 insgesamt. Die Quote ist gut. Neben dem Kleinst-Bau in Hohenecken bekam ein leicht schiefgiebeliger Neubau für sechs Parteien im Eifeldorf Niederweis für seine „sanfte Stärkung“ des Ortskerns eine Anerkennung. Außerdem der Umbau einer Scheune zum Wohnhaus und Veranstaltungssaal in Minden a. d. Sauer. Es heißt, der Bau vitalisiere das Dorfleben. Er stammt von dem Frankfurter Büro von Stein Hemmes Wirtz, das zudem für den Neubau eines Mehrfamilienhauses im Herzen der denkmalgeschützten, neobarocken Hohenzollernhöfe in Ludwigshafen prämiert wurde. Hier wohl vor allem, weil der langgestreckte, dreigeschossige Baukörper, zusammengesetzt aus zwei spiegelsymmetrischen Teilen, seine historische Vorlage aufnimmt und fortschreibt zugleich. Ein reduzierter Bau mit vierspännigen Regelschossen, im Innern durch große Schiebetüren flexibel, und dreispännigen, loftigen Dachgeschossen, bis zu sechs Meter hoch. Auffälligstes Element des Gebäudes: die handwerklich gestalteten, gewöhnungsbedürftigen Fensterumrahmungen (-faschen), der Verzicht auf Gauben, die fehlenden Dachüberstände. Der Jury gefiel neben der denkmalschützenden Contenance der hohe Wohnwert. Zudem erinnere das Wohnhaus an die Klassiker der Siedlungsarchitektur der 1920er-Jahre. Die beiden ersten Preise teilen sich die von der Mainzer WB Wohnraum GmbH als barrierefreie Gemeinschaftsbühne inszenierte Wohnanlage Am Cavalier Holstein in Mainz, ein Projekt mit 96 Wohnungen für Senioren, beeinträchtigte und wirtschaftlich benachteiligte Menschen. Zentral sind die verschiedenen Plätze und ein ehrenamtlich betriebenes Nachbarschaftscafé. Mit dem zweiten ersten Preis dagegen wurde eine High-End-Architektur ausgezeichnet, ein lässig-markantes Architektenhaus im besten Sinn, das seine Umgebung neu auflädt, zu der eine denkmalgeschützte Villa aus dem Jahr 1872 und ein Park gehören. Auch Heribert Gies, der als Professor an der Frankfurter University of Applied Sciences Entwerfen und Baukonstruktion lehrt, ist 2015 schon für sein Wohn- und Geschäftshaus beim rheinland-pfälzischen BDA-Wettbewerb ausgezeichnet worden. Mit dem Hauptpreis. Auch den Deutschen Fassadenpreis hat das Wohn- und Geschäftshaus auf rechteckigem Grundriss gewonnen, das das Architekturbüro von Gies, eine Tiefgarage, eine Steuerkanzlei im Hochparterre und darüber zwei Mietwohnungen beherbergt. Eine pure, eigenständige, konsequente, radikale Architektur. Ein Neubau als Klassiker. Eine monolithische Kiste mit dunkelgrüner („vert noir“) Fassade mit Besenstrich-Struktur. Wie eine feste Burg steht das Gebäude mit seinem dicken Mauerwerk da. Und elegant auch. Der Zugang in der Gebäudemitte kragt brückenartig aus. Ungewöhnlich stimmig wirkt das eigenwillige, trutzige, detailverliebte Haus, das im Innern flexibel räumlich aufteilbar bleibt und den Mehrwert des Weglassens kapitalisiert. Man fühle sich darin vertraut wie in einem historischen Gebäude urteilte die BDA-Jury. „Eine sehr gute Arbeit, bei der die Aufgabe der Raumbildung und Prägung im Stadtraum mit Mut, Verantwortung und Gestaltungskraft umgesetzt wurde“, meinten nun die Landes-Staatspreis-Juroren froh gestimmt. Nur Heribert Gies schaute beinahe grimmig ernst von der Bühne herab. Kann sein, dass er jetzt fünf Jahre als aktueller Preisträger amtieren muss.

Sieger-Architektur: Wohn- und Geschäftshaus in Mainz.
Sieger-Architektur: Wohn- und Geschäftshaus in Mainz.
Das Neue als Spiegel des Historischen: Das Wohnhaus Hüttenmüllserstraße in Ludwigshafen bekam eine Anerkennung.
Das Neue als Spiegel des Historischen: Das Wohnhaus Hüttenmüllserstraße in Ludwigshafen bekam eine Anerkennung.
In der engeren Auswahl: Wohnhaus Heuser in Hördt.
In der engeren Auswahl: Wohnhaus Heuser in Hördt.
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