Kino aktuell Superhelden in Love: „Deadpool & Wolverine“, ein humorvoller Knaller mit Tiefgang

Allerbeste Freunde mit Alter-Problem: Hugh Jackman (l) als Wolverine und Ryan Reynolds als Deadpool.
Allerbeste Freunde mit Alter-Problem: Hugh Jackman (l) als Wolverine und Ryan Reynolds als Deadpool.

Beim neuen Abenteuer aus dem Marvel-Universum erwarten die Fans einen krachenden Kino-Knaller. Zu Recht. Doch es darf gestaunt werden. Denn wer möchte, kann in „Deadpool & Wolverine“ viel mehr als ein effektvolles Fantasy-Abenteuer sehen.

Nach der schier endlosen Flut an kassenträchtigen Blockbustern um verschiedenste Marvel-Heldinnen und -Helden in den letzten Jahren wurde es selbst für eingefleischte Fans doch langsam langweilig. Die verblüffendsten Computern-Tricks täuschten kaum mehr darüber hinweg, dass sich Routine eingeschlichen hatte. Schema F herrschte vor. „Deadpool & Wolverine“ hält sich nicht dran und strahlt deshalb eine erfreuliche Frische aus. Rasante Action-Szenen, viel Humor und, das überrascht vor allem, ein Erzählton, der verschiedene Deutungen des Films zulässt, begeistern.

Die mit pseudowissenschaftlichem Schnickschnack überladene Story lässt sich auf einen altbekannten Kern reduzieren: Superheld muss die Welt retten – in diesem Fall tun das zwei. Bei den beiden nicht mehr jugendlichen Haudegen kann das nur gelingen, wenn waghalsige Sprünge zwischen verschiedenen Universen und Zeitskalen absolviert werden können. Das ist entscheidend für die Hau-den-Lukas-Mär. Denn: Wolverine (Hugh Jackman) ist tot. Seine Anhängerschar hat den Mann, der zwischen seinen Fingern enorme Krallen ausfahren kann, vor sieben Jahren im Film „Logan – The Wolverine“ tränenreich enden sehen. Doch in der Marvel-Welt ist das Surfen zwischen Gestern und Heute, Hier und Jenseits fast ein Kinderspiel.

So werden Deadpool (Ryan Reynolds) und Wolverine zum Paar. Nach anfänglichem Gegeneinander agieren sie voller Lust miteinander. Da wundert man sich am Ende, wieso die zwei nicht vor den Traualtar treten und einander das Ja-Wort geben. Körpersprache und Dialoge jonglieren nahezu unentwegt mit homoerotischem Flair. Wer mag, kann den Film also durchaus als schwule Lovestory verstehen. Die Kabbeleien zwischen den beiden Protagonisten haben jedenfalls den Schwung, mit dem einst legendäre Leinwand-Duos wie Katherine Hepburn & Cary Grant oder Doris Day & Rock Hudson das Publikum amüsiert haben.

Nicht zu übersehen und zu überhören: der ironische, gelegentlich sogar satirische Umgang mit diversen Superhelden-Mythen. Die werden heftig durch den Kakao gezogen. Humor ist angesagt, gern der brachialen Art, direkt unter der Gürtellinie. Da jedoch durchweg mit spitzbübischem Charme serviert, wird das nie peinlich. Die Pointen zünden. Wie schon in den bisherigen zwei „Deadpool“-Filmen aus der X-Men-Reihe wendet sich Deadpool zudem gelegentlich auch direkt in die Kamera und damit ans Publikum und veräppelt sich, das Genre der Fantasy-Action, die gesamte Filmindustrie.

Einigkeit macht stark

Überaus bemerkenswert: es gibt sogar Anspielungen auf die politische Zerrissenheit in der gegenwärtigen US-amerikanischen Gesellschaft. Der Leitspruch „Einigkeit macht stark!“ wird deutlich betont. Aber es steckt noch mehr drin. Geboten wird obendrein eine stellenweise sogar anrührende Geschichte über Männer, die partout nicht mit dem Altern klarkommen. Da hat der von Regisseur Shawn Levy („Nachts im Museum“, „Free Guy“) mit untrüglichem Gespür für den richtigen Rhythmus inszenierte Film seine besten Momente. Es sind jene, in denen Frauen den erstaunlich oft den Tränen nahen Kerlen mit schlagfertigen Argumenten klar machen, wer das Sagen hat.

Keine Angst übrigens: Wer noch nie einen Film mit Deadpool oder Wolverine gesehen hat, im Marvel-Universum nicht heimisch ist, sich für Comic-Adaptionen kaum interessiert, hat dennoch seinen Spaß. Wer sich auskennt, lacht und schmunzelt vielleicht zwei, drei Mal häufiger. Mehr aber auch nicht. Die Schnoddrigkeit des Erzähltons, die visuellen Überraschungen, die Twists der Handlung ziehen wohl jede und jeden in den Bann. Besonders wirkungsvoll: der Soundtrack. Disco-Heuler und Pop Hymnen, gelegentlich geradezu opernhaft aufgemöbelt, treiben die Handlung voran und kommentieren sie. Selten zuvor wurde Musik in einem Action-Knaller derart raffiniert eingesetzt. Ein Ohrenschmaus. Damit wird der Fun-Faktor beträchtlich in die Höhe getrieben, wie auch durch einige Kurz- und Kürzestauftritte von schillernden Stars. Wer sich in Hollywood auskennt, darf staunen. Staunenswert ist vor allem und zuerst, wie gut es dem Hauptdarsteller-Duo gelungen ist, facettenreiche Charaktere zu kreieren. Allem Masken- und Kostümbrimborium zum Trotz erreichen sie eine große Glaubwürdigkeit. Was dazu führt, dass einem die Titel-Helden regelrecht ans Herz wachsen. Mit den beiden würde man gern mal ein Glas Wein genießen.

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