Bildpolitik Trump produziert weiter ikonische Bilder: Jetzt sieht er aus wie van Gogh

Das Bild von Donald Trump nach dem Attentat gleicht erstaunlich Vincent van Gogh auf seinem „Selbstbildnis mit verbundenem Ohr“.
Das Bild von Donald Trump nach dem Attentat gleicht erstaunlich Vincent van Gogh auf seinem »Selbstbildnis mit verbundenem Ohr«.

Donald Trumps Nahverhältnis zur Kunst- und Kulturgeschichte, wahrscheinlich ähnelt es dem, das er zur Rest-Welt hat. So glaubt er sich, wie mehrfach von ihm behauptet, im Besitz des Originals von Auguste Renoirs „Zwei Schwestern auf der Terrasse“ (1881), das aber statt in seinem Privatjet im Art Institute of Art in Chicago hängt. Und er blieb dabei, selbst als man ihn auf die nicht unbedeutende Tatsache hinwies. Auch ansonsten vertritt der eigenmächtig ernannte Allzeitheros seinen erhabenen Anti-Intellektualismus offensiv. Das heißt auch, die Ikonisierung seiner selbst auf der Basis unseres kulturellen Bildgedächtnis dürfte wohl auf seinem faszinierenden Instinkt basieren.

Vincent van Goghs„Selbstbildnis mit verbundenem Ohr“.
Vincent van Goghs»Selbstbildnis mit verbundenem Ohr«.

Erst seine sekundenschnell gereckte Faust, die wirkt wie ein Tableau vivant kunsthistorischer Vorbilder – etwa der körperlichen Aneignung von Eugène Delacroix’ Gemälde „Die Freiheit führt das Volk“ (wir berichteten). Jetzt trat Trump bei seiner Krönungsmesse vor seiner republikanischen Jüngerschaft als Heiliger Sebastian auf, das Ohr dick gepflastert wie Vincent van Gogh auf seinem weltberühmten „Selbstbildnis mit verbundenem Ohr“ (1889). Wäre es Winter, Trump hätte wohl Pelzmütze getragen, das orangefarbene Haar nicht ganz verdeckt.

Wobei: Ein Unterschied ist doch, dass der Tragiker van Gogh mit dem Selbstporträt versucht hat, das Ausmaß seiner Verletzung herunterzuspielen. Und um zu malen benutzte er einen Spiegel, während der Ex- und bedrohlich wahrscheinliche Bald-Wieder-Präsident für sein Selbstbild den staunenden Blick der Weltöffentlichkeit nutzt. Was auch angenommen werden darf: Von Selbstzweifeln, die den genialischen Maler umtrieben, ist Trump dramatisch unverletzt. Sein spezieller Fall unterscheidet sich, trotz verblüffender Analogien.

David Lynchs düster elegischer Film „Blue Velvet“ (1986) zum Beispiel hebt damit an, dass Jeffrey, der Protagonist, im Gras ein abgeschnittenes Ohr findet. Kurze Zeit später gleitet die Kamera in das Innere des Organs und in die Finsternis. Die Geschichte beginnt. Bei Trump steht das Ohr augenscheinlich am Ausgangspunkt einer – bei, was auch gesagt werden muss, aller Schrecklichkeit des Attentats – womöglich glücklichen Fügung. Wenn man so will, schließt er an den Kunstschamanen Joseph Beuys an, dessen Installation „zeige deine Wunde“ nicht weniger als Heilung versprach. Ach was, seine eigentliche, intuitive Referenz ist wahrscheinlich Jesus Christus höchstselbst, Johannes-Evangelium 20,27, in dem der wiederauferstandene Gottessohn den ungläubigen Thomas auffordert: „Leg deinen Finger auf meine durchbohrten Hände und sieh sie dir an! Gib mir deine Hand und leg sie in die Wunde an meiner Seite! Zweifle nicht länger, sondern glaube!“ Die Wahlumfragen jedenfalls führt Trump nun vor seinem greisen, unglücklichen Gegenkandidaten Joe Bilden an. Der kann noch so herzerbarmend durch die Gegend staksen. Die Wunden, die das Alter schlägt, zählen negativ.

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