Pirmasens Wie es mit dem Hugo-Ball-Preis nach dem Antisemitismus-Aufschrei weitergeht

Hugo Ball
Hugo Ball

Pirmasens schafft es zwar immer mal wieder in die überregionalen Schlagzeilen, aber selten, wenn es um kulturelle Themen geht. Der international bekannten Hito Steyerl gelang das Kunststück dennoch. Ihre Ablehnung des Hugo-Ball-Preises sorgte 2023 nicht nur für deutschlandweites Aufsehen, sondern beschäftigt die Stadt bis heute. Nun ist klar, wie es weitergehen soll.

Nachts um 2 Uhr, verriet die Künstlerin am Montag, sei sie auf „antisemitische Sprachbilder“ im Werk Hugo Balls gestoßen. Mit den Schriften des Pirmasensers befasste sich die Videokünstlerin erst eingehend, als ihr der gleichnamige Preis angetragen wurde. Im Kontext Antisemitismus und Hugo Ball sei sie auf eine Debatte aus den 90er-Jahren gestoßen, die in ihrer Wahrnehmung völlig in Vergessenheit geraten sei.

Unter diesen Umständen den Preis annehmen? Für Steyerl undenkbar. Die in Berlin an der Universität der Künste lehrende Professorin für Experimentalfilm und Video sagt: „Balls Werk muss neu gelesen und neu diskutiert werden, damit es relevant bleibt.“ Und zumindest den Diskurs über Balls Schriften hat sie neu in Gang gebracht. Unter anderem haben sich Pirmasenser Schüler vor dem Hintergrund mit dem Phänomen Antisemitismus befasst und eine hochkarätig besetzte Runde diskutierte im Januar 2023 in Pirmasens über Hugo Ball und dessen anti-jüdischen Äußerungen. Die Preisverleihung wurde ausgesetzt.

Hito Steyerl
Hito Steyerl

Hito Steyerl zeigte sich am Montag in Pirmasens bei einer Veranstaltung überrascht und beeindruckt, dass die Stadtgesellschaft und Oberbürgermeister Markus Zwick die Debatte über den großen Sohn der Stadt so offen geführt haben - obwohl damit „zunächst einmal nur Ärger einherging“. Steyerl zieht nach all den Monaten der kritischen Auseinandersetzung mit dem Dadaisten den Schluss, dass längst nicht alles geklärt sei. Der Fall sei zu komplex für einfache Antworten, aber die Reflexion über das in Teilen kritisch zu sehende Werk Balls sei als kontinuierliches Training zu verstehen. Die Art und Weise wie in Pirmasens der Diskurs geführt wurde, ist für Steyerl mustergültig. Er könnte als Blaupause für den Umgang mit anderen komplexen Themen herangezogen werden.

Der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt, Meron Mendel, zeigte sich ebenfalls froh, dass es bei der Frage nach Antisemitismus und Hugo Ball nicht zu Reflexen, sondern zu Reflexionen gekommen sei. Es gehe darum, in der Auseinandersetzung seine Gedanken zu einem Künstler zu überarbeiten und den eigenen Horizont zu erweitern. Mendel zog eine Parallele zwischen Ball und der heutigen Zeit. Damals wie heute gebe es Antisemitismus nicht nur im rechten, sondern auch im linken Lager – in dem er den Dadaisten verortet. Mendel stellte Balls Ambivalenz in den Mittelpunkt seiner Gedanken: „Eine Person kann viele richtige Sachen machen, aber trotzdem auch falsche Ansichten vertreten.“

Neuer Toleranzpreis

Wie geht es jetzt weiter? Im Pirmasenser Hugo-Ball-Kabinett hängt seit Kurzem ein Hinweis auf die antisemitischen Passagen im Werk des Dadaisten – damit dieser Diskurs nicht wieder in Vergessenheit gerät. 2026 soll der mit 10.000 Euro dotierte Hugo-Ball-Preis erneut vergeben werden. Der Förderpreis (5000 Euro) soll nach dem Willen des Pirmasenser Stadtoberhauptes Zwick als Toleranzpreis an Künstler vergeben werden, die sich durch ihr Engagement gegen Rassismus und Diskriminierung auszeichnen. Das letzte Wort dazu hat der Pirmasenser Stadtrat, der die Richtlinien zur Preisvergabe neu beschließen muss. Zwick ist zuversichtlich, dass das gelingt: „Hugo Ball ist und bleibt ein wichtiger Sohn unserer Stadt, dem wir auch künftig Aufmerksamkeit widmen werden.“

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