Burgen in der Pfalz Keimzelle des Ritteraufstands: Burgruine Drachenfels

Wie ein gestrandetes U-Boot aus Buntsandstein: Burgruine Drachenfels.
Wie ein gestrandetes U-Boot aus Buntsandstein: Burgruine Drachenfels.

Bizarr! Das ist das Attribut, das einem spontan in den Sinn kommt, wenn man den Drachenfels im Wasgau erblickt. Wo andere Burgen einen Bergfried haben, präsentiert diese Ruine einen roten Sandsteinklotz, der auf seiner Schmalseite aussieht wie ein von Karies zerfressener Backenzahn und auf der breiten Seite wie ein verwitterter Triumphbogen mit viel zu klein geratenem Tor. Recht nackt steigt der Drachenfels aus den Trümmern seiner Unterburg, die gesamte Oberburg scheint nur aus einem schmalen Sandsteinriff zu bestehen, aus dem ein menschliches Termitenvolk Felsentreppen, Felsenflure und Felsenkammern höhlte. Dabei ist das, was von den oberen Zonen der Festung geblieben ist, nur das Innenskelett der einstigen Burg. Man muss sich vorstellen, dass die heute kahlen Felsenflanken mit Mauern verkleidet und die leeren Felsplateaus von Bauten bestanden waren. Selbst der markante „Backenzahn“ sah früher aus wie ein richtiger Turm oder doch zumindest wie ein höheres, turmartiges Gebäude.

Rekonstruktion von Arndt Hartung.
So soll das Ganze mal ausgesehen haben: Rekonstruktionsskizze von Arndt Hartung.

Auch wenn sie nicht mehr ganz dem aktuellen Forschungsstand entspricht, kann die Aufbaustudie des Landauer Architekten Arndt Hartung (1867-1945) doch noch immer eine Vorstellung davon vermitteln, wie Burg Drachenfels zu ihrer Glanzzeit um 1500 in etwa aussah. Freilich gehen die Experten heute davon aus, dass dort, wo Hartung Steinbauten skizzierte, zumindest teilweise Fachwerkbauten standen.

Im Clinch mit Worms und Straßburg

Ein Walther von Drachenfels taucht zwar bereits 1245 in einer Urkunde des Klosters Otterberg auf, aber so richtig tritt die Burg erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts aus dem Dunkel der Geschichte. Und da prompt als Hort von Wegelagerern: 1283 beklagen Räte der Stadt Worms, dass schon mehrfach Wormser Bürger und Geistliche durch „jene von Berwartstein und vom Drachenfels“ verschleppt und gefangen gehalten worden seien. Drei Jahrzehnte später tauchen die Ritter vom Drachenfels erneut in den Akten auf, dieses Mal sind sie selbst die Geschädigten: 1314, als die Städte Straßburg und Hagenau fünf Wochen lang den benachbarten Berwartstein belagerten, wurden auch Ländereien der Ritterbrüder vom Drachenfels geplündert und verwüstet. Ein damals geschlossener Vertrag behandelt Reparationszahlungen, die Straßburg den Brüdern Berthold, Anselm und Rudolf von Drachenfels für geraubte Gänse, Hühner und Fische, für zerstörte Häuser und ramponierte Felder leisten sollte. Anscheinend erwuchs aus dieser Vereinbarung neuer Zwist, denn 1335 wurde der Drachenfels selbst zum Ziel einer Straßburgischen Militäraktion: Man bezichtigte die Herren vom Drachenfels des Raubrittertums und belagerte ihre Burg, bis sie kapitulierten.

Im „Bauch“ von Burg Drachenfels: Kellergewölbe eines Wohngebäudes in der Unterburg; vorne rechts eine runde Zisterne.
Im »Bauch« der Burg: Kellergewölbe eines Wohngebäudes in der Unterburg; vorne rechts eine runde Zisterne.

Entwicklung zur Ganerbenburg

Die Niederlage und die damit verbundenen Zerstörungen waren für die Drachenfelser offenbar so fatal, dass sie ihren Stammsitz in der Folgezeit verkaufen mussten. Nach 1340 findet sich der Drachenfels nämlich als kurpfälzisches Lehen im Besitz der Grafen von Zweibrücken(-Bitsch), die die Burg weiter verliehen, etwa an die Eckbrechte von Dürkheim. Im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts wurde der Drachenfels zu einer „Ganerbenburg“, einer Burg mit mehreren Anteilseignern. Viele der damaligen Mitbesitzer, darunter die Eckbrechte von Dürkheim, die Ritter von Ramberg und die Herren von Helmstatt, waren mit von der Partie, als man 1463 die „Gesellschaft von dem Heiligen Geist“ gründete. Das adelige Solidaritätsbündnis sollte dem Ritterstand wieder zu mehr Ansehen und politischer Bedeutung verhelfen. Als Versammlungsort der Gesellschaft diente just Burg Drachenfels.

Romantischer Drachenfels: 1864 malte Fritz Bamberger dieses Aquarell der Burgruine.
Romantischer Drachenfels: 1864 malte Fritz Bamberger dieses Aquarell der Burgruine.

Franz von Sickingen an der Spitze

1510 wird auf Burg Drachenfels ein Burgfriedensvertrag für sage und schreibe 24 Ganerben geschlossen. Dass sich darunter auch Franz von Sickingen befindet, wird der Burg letztlich zum Verhängnis. Denn der Sickinger setzt sich, nicht zuletzt aus wirtschaftlichem Eigeninteresse, an die Spitze der ritterlichen Restaurationsbestrebungen. 1522 zettelt er als Anführer der rheinisch-schwäbischen Ritterschaft einen Feldzug gegen den Erzbischof und Kurfürsten von Trier an. Nachdem dieser „Pfaffenkrieg“ an der Koalition der Landesfürsten kläglich gescheitert, Burg Nanstein gefallen und Franz von Sickingen selbst seinen Verletzungen erlegen ist, ziehen am 10. Mai 1523 drei Fähnlein Landsknechte (etwa 1200 Mann) und 300 Berittene samt Artillerie vor den Drachenfels. In den Augen der Sieger muss die Ganerbenburg als Stützpunkt des Niederadels und Keimzelle des Ritteraufstands gelten. Deshalb wird sie, trotz kampfloser Übergabe, geschleift und in Brand gesteckt, ihr Wiederaufbau verboten. Die Ruine dient in der Folgezeit als Steinbruch.

Führen ins Licht: Treppen im Torturm.
Führen ins Licht: Treppen im Torturm.

Was dennoch an Mauerwerk überdauerte, konzentriert sich in der südlich vorgelagerten Unterburg und stammt hauptsächlich aus dem 15. und frühen 16. Jahrhundert. So wurde auch der buckelquadergepanzerte Torturm, durch den man in die Ruine gelangt, wohl erst um 1500 errichtet. Ein kurioses Detail findet sich im ehemaligen Halsgraben zwischen Ost- und Westfelsen der Burg: nämlich die kindlich-naive Ritzzeichnung eines Drachens, die offenbar bereits existierte, ehe man den Graben an der Wende zum 16. Jahrhundert aufgab und überbaute.

Wegweiser

Die bei Busenberg in der Südwestpfalz gelegene Burgruine Drachenfels ist frei zugänglich. Vom Parkplatz an der Drachenfelshütte, die sich als Einkehrmöglichkeit anbietet (Mi, Sa, So 11-18 Uhr, www.pwv-busenberg.de), führt ein Fußweg in fünf Minuten zur Burg. Wegen Instandsetzungsmaßnahmen sind Teile der Burg bisweilen gesperrt; aktuelle Informationen dazu erteilt das Tourismusbüro Dahner Felsenland, Telefon  06391 9196222

Gleich zwei Prädikatsrundwanderwege führen über die Burgruine Drachenfels: zum einen der mit seinen 23 Kilometern recht anspruchsvolle „Busenberger Holzschuhpfad“, zum anderen der 13,5 Kilometer lange „Bären-Steig“ ab Bruchweiler-Bärenbach (mehr dazu auf www.pfalz.de/de im Wandermenü). In der Nähe liegen außerdem die Dahner Burgen, Burg Berwartstein und Lindelbrunn.

 

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