Bad Dürkheim Über den Kirchturm hinaus: Wäre Jesus Klimaaktivist?

Stillstand im Verkehr: Klimaaktivisten kleben sich auf eine Straße.
Stillstand im Verkehr: Klimaaktivisten kleben sich auf eine Straße.

Wäre Jesus Klimaaktivist? Das stand auf einem Banner aufgehängt am höchsten Kirchturm der Welt am Ulmer Münster und auch an der Ringkirche in Wiesbaden. Initiiert hatte das die Gruppe „Letzte Generation“. Jesus wusste natürlich nichts von der Klimakatastrophe, aber trotzdem kann sein Leben für die Welt auch heute noch Beispiel und Vorbild sein.

In den letzten Jahren gehen Menschen immer wieder auf die Straße, um auf das Nicht-Handeln der Politik aufmerksam machen. So prangert zum Beispiel die „Letzten Generation“ das fehlende Handeln bezüglich des Pariser Klimaabkommens an, zu dem sich die Bundesregierung verpflichtet hat. Das Ziel, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, ist nach Ansicht der Wissenschaft faktisch gescheitert. Die Gruppe weist außerdem auf den aus ihrer Sicht missachteten Artikel 20a des Grundgesetzes hin, der die Lebensgrundlagen der künftigen Generationen schützen soll. Wissenschaftliche Mehrheiten machen uns klar: Die Klimakatastrophe wird die Welt massiv verändern. Extremwetterereignisse wie Hitzewellen und Überschwemmungen nehmen zu. Erreicht die Erde im Laufe dieses Jahrhunderts eine Erwärmung von 2,7 Grad, werden Millionen von Menschen ihre Heimat verlieren.

Doch es hagelt immer wieder Kritik am Vorgehen solcher Gruppen. Was soll das bringen, den Verkehr zu stören, sei es auf der Straße oder auf dem Flughafen? Viele Menschen sind wütend, wenn ihr Alltag gestört wird. Doch genau das ist gewollt: Die Aussage hinter den Protesten ist: Stopp, der gewohnte Alltag kann nicht so weitergehen. Es muss jetzt gehandelt werden!

Der Unmut über die Proteste der „Letzten Generation“ ist nachvollziehbar und das Überschreiten rechtlicher Grenzen sollte nicht verharmlost werden und soll nicht das Mittel der Wahl in einer Demokratie sein. Die Aktivisten wählen das Mittel des zivilen Ungehorsams als „Ultima Ratio“, als letzten Ausweg, und nehmen dabei bewusst in Kauf, auf Basis der geltenden Gesetze für ihre Handlungen bestraft zu werden.

Wie hätte Jesus sich wohl zum Handeln der Aktivistinnen und Aktivisten positioniert? In der Bibel lesen wir von einem Jesus, der nicht an dem Leid und an den Ungerechtigkeiten in der Welt vorübergegangen ist und der die verkehrten Machtverhältnisse aufs schärfste kritisiert hat. Er hat die Gierigen und Machtsüchtigen angeprangert. Das Wohl, oder wie er sagen würde, das Heil der Menschen, war für ihn wichtiger als das geltende Gesetz. Auch deshalb machte er sich bei seinen Gegnern unbeliebt. Er hat seine Stimme erhoben, allen Widerständen zum Trotz. Deshalb bin ich dazu geneigt, Jesus solidarisch an die Seite der „Letzten Generation“ zu stellen.

Ich glaube, auch die Kirche sollte wieder mehr den „Aktivisten Jesus“ zum Vorbild nehmen. Jesus war kein Mitläufer oder schüchterner Ja-Sager. Er hat Konflikte nicht gescheut. Vielleicht würde das der Kirche heute guttun: Mutig sein, auch wenn es unbequem wird und die gegebenen Verhältnisse nicht einfach hinnehmen. Sich friedlich anlegen mit der Politik und sie an den Wählerauftrag erinnern. Ihre Botschaft der Schöpfung für alle Geschöpfe darin verkünden. Die Kirche sollte vor allem die Entscheidungsträger mahnen, dass das Bewahren der Schöpfung als Grundvoraussetzung des Lebens in die Hände des Menschen gelegt ist und dass es sich dafür zuerst einzusetzen gilt. Weil es nicht um irgendetwas geht, sondern um unsere Zukunft. Für diese Zukunft hat sich Jesus eingesetzt. Und heute tut das auch die „Letzte Generation“.

Judith Konrad, Studentin der Katholischen Theologie in Mainz, Berufsziel Pastoralreferentin

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