Über den Kirchturm hinaus Auch in schwierigen Zeiten darf gefeiert werden

In Deidesheim wird an diesem Wochenende nochmals Weinkerwe gefeiert.
In Deidesheim wird an diesem Wochenende nochmals Weinkerwe gefeiert.

Es ist die Zeit der Weinfeste. Froh und gut gelaunt sitzen die Menschen beieinander, flanieren von einem Winzerhof zum andern, lassen sich Wein und Essen schmecken, tanzen ausgelassen und lachen. Eine gute, eine schöne Zeit im Jahr ist das. Ja, wir in Deidesheim feiern gerne, viel, froh und friedlich. Sorgen scheinen vergessen und mit Fremden sitzt man gemeinsam am Tisch, reicht der Platz nicht, rückt man zusammen. Und irgendwie kann man verstehen, warum in der Bibel das Reich Gottes immer wieder mit einem Fest oder einem Festmahl verglichen wird.

Die Erfahrung von Freude und friedlichem Miteinander bei einem Fest sind also wohl schon sehr alt – und gleichzeitig immer auch Gegenstand der Sehnsucht. Auf ein Fest freut man sich, man nimmt auch so manche Mühe der Vorbereitung in Kauf, weil sie eben auf das Fest hinführt. Und dann ist sie da, die Zeit des Feierns. Alles ist da in Hülle und Fülle – der sorglosen Freude steht nichts im Weg. Auch wenn riesige Container, die die Straßen absperren, daran erinnern, dass wir auf der Erde und nicht im Himmel feiern, will sagen, eine theoretische Gefahr immer im Raume steht. Allerdings sind durch diese radikalen Absperrungen die Straßen dann auch wirkliche Fußgängerzonen – nein, Flaniermeilen. Wir feiern froh und friedlich, feiern mit Freunden und Fremden.

Feiern, während andernorts Raketen fliegen?

Und zur gleichen Zeit werden andernorts Raketen auf eine Schule geschossen, auf einen Spielplatz, ein Krankenhaus, kämpfen Soldaten an Fronten, verlieren Menschen, Hab und Gut, ihr Zuhause, ihr Leben. Hass wurde gesät und bricht sich nun Bahn in Gewalt, die immer weiter zu eskalieren droht. Und es kann und es wird dabei nur Verlierer geben – auch wenn sich irgendjemand vielleicht irgendwann als Sieger bezeichnet. Aber was ist denn gewonnen, wenn Häuser zerstört, wenn Leben vernichtet ist? Die Frage bleibt offen.

Und wir feiern? Wie können wir ganz normal weiterleben, wie können wir fröhlich Feste feiern, wenn an so vielen anderen Orten der Welt Krieg herrscht? Es darf nicht Ignoranz sein, die uns dennoch feiern lässt. Vielmehr können wir uns mit unseren Festen der Gewalt und dem Hass entgegenstellen, indem wir uns und unser Leben nicht von diesen bestimmen, uns „nicht vom Bösen überwinden“ lassen, wie Paulus uns im Römerbrief mahnt (Röm 12, 21).

Jeder kann zum „Werkzeug des Friedens“ werden

Das fröhliche Miteinander auf einem Fest kann und darf uns an das Himmelreich erinnern, an das Heil, das Gott für uns bereitet hat. Lassen wir uns also nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinden wir das Böse mit Gutem, wie Paulus weiter mahnt. Doch dazu müsste dann jeder ganz bei sich beginnen und die „Mördergrube“ im eigenen Herzen ausräumen, um dann ein „Werkzeug des Friedens“ zu werden, wie Franz von Assisi es genannt hat. Doch dieser Frieden sollte dann über ein noch so schönes Weinfest weit hinausgehen in die Welt.

Luise Burmeister ist Pfarrerin der protestantischen Kirchengemeinde Deidesheim

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