Bad Dürkheim Der verliebte Schmetterling

Die Liebe lasse Bäume erklingen, schrieb Heine romantisch in einem seiner „Neuen Gedichte“. Als „Heinrich Heine Romantikabend“ war das literarisch-musikalische Programm betitelt, das Sibylle Kuhne am Sonntag in der ehemaligen Synagoge in Weisenheim am Berg zusammen mit den Akkordeonisten Dagmar Severt und Lothar Fischer präsentierte.

Meisterhaft beherrscht der Dichter die romantischen Stimmungs- und Stilmittel, die er in den Traumbildern seiner Lyrik umsetzt. Doch all die gefühlvolle, sensible Harmonie durchbricht Heine immer wieder mit feinem ironischem Witz. In ihrem Vortrag gelingt es der Schauspielerin Sibylle Kuhne, diese widersprüchliche Fülle aufzuzeigen: Einfühlsam und lebendig bewegt sie sich im Spannungsfeld zwischen Leichtigkeit und Melancholie. Dabei wählt Kuhne vor allem Gedichte aus dem 1827 herausgebrachten Lyrikband „Buch der Lieder“, wo der romantische, auch volksliedhafte Ton weit stärker zum Ausdruck kommt als in späteren Gedichten. Heines Frühwerk ist mit eingängigen Versen wie dem Lied der Loreley bis heute geläufig und beliebt. So sehr, dass im Raum der früheren Synagoge mitgesummt wird, als die Liedfassung der Loreley in Silchers Vertonung erklingt. Auch wenn man Verse wie diese schon oft gehört hat: Mit ihrer greifbaren, unmittelbaren Art weiß Sibylle Kuhne, ihre Zuhörer anzusprechen. Die 1948 in Delitzsch geborene und 1984 aus der damaligen DDR ausgereiste Schauspielerin zeigt mit Gedichten wie „Der Schmetterling ist in die Rose verliebt“, wie der Dichter die Natur subjektiv durchdringt und in lyrische Bilder verwandelt. Sie bringt aber auch das Doppelbödige seiner Grundhaltung zum Ausdruck, indem der ernste, bisweilen sentimentale Ton ironisiert wird und die eben noch beschworene Stimmung auflöst. In den Vortrag webt Sibylle Kuhne Schilderungen aus Heines Leben ein, zeigt ihn als Mittler zwischen deutscher und französischer Kultur und Lebensauffassung. Ihre Darbietung wechselt mit Musikstücken, die Dagmar Severt und Lothar Fischer auf dem Akkordeon interpretieren. Das Duo führt die einprägsamen, lyrischen Melodielinien der Gedichte plastisch weiter - mal grüblerisch und verträumt, dann wieder gelöst und heiter bis hin zu schneidiger Forschheit. Die ganz eigenen Klangfarben des Akkordeons entführen mit schmiegsamen, elastischen Tönen vielfach nach Frankreich. Von der bodenständigen europäischen Polka bis zur bearbeiteten Chopin-Etüde reicht die Bandbreite, wenn Severt und Fischer im fingerfertigen Spiel ihre Instrumente buchstäblich zum Atmen bringen. Beinahe ausgespart bleibt während des Abends das Bild Heines als beißender Kritiker gesellschaftlicher Missstände in Deutschland. Auch hier war er doppelbödig, flocht in die idyllischen Landschaftsbilder seine scharfe Satire ein. Dem romantisch ausgerichteten Abendmotto zum Trotz: Immerhin rezitiert Kuhne aus dem von den Zensurbehörden mehrfach verbotenen Versepos „Deutschland. Ein Wintermärchen“: „Im traurigen Monat November war’s...“, wohl wissend, dass die politische Dimension zu dem „entlaufenen Romantiker“ unbedingt dazu gehört. Heine treibt seinen Bildern das Malerische nicht aus, aber er kratzt es an, löst es, trübt es auch. Wenn er seine Leser und Hörer als Passagiere ein Stück mitnimmt, dann ist ein Hauch Wehmut immer dabei. Bevor die Akkordeon-Töne dieses abends verfliegen und man auf der „Landstraß“ des Lebens weiter eilt, meinte man selbst, die Nachtigall „so traurig“ jubeln zu hören und den verliebten Schmetterling zu sehen, der die Rose umflattert.

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