Bad Dürkheim „Ein bisschen wie James Bond“

Viele in Deutschland lebende Briten haben die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen.
Viele in Deutschland lebende Briten haben die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen.

«Bad Dürkheim.»Seit dem Brexit-Votum im Juni 2016 sind im Kreis 38 Briten eingebürgert worden. Ein signifikanter Anstieg, denn im Jahr 2015 war es nur ein Fall. 2012, 2013 und 2014 wollte kein britischer Staatsangehöriger im Kreis Deutscher werden. Ende November 2018 habe das Amt für Migration und Integration etwa 60 Briten aus dem Landkreis angeschrieben, die die Voraussetzung zur Einbürgerung erfüllen, berichtet Sina Müller, Pressesprecherin im Kreishaus. Daraufhin hätten bereits zwölf Menschen einen Antrag gestellt, der momentan bearbeitet werde. Seit dem vergangenen Jahr hat der Dürkheimer Musiker Ian Fullwood neben einem britischen auch einen deutschen Pass. Fullwood lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Seebach, er kam vor mehr als 20 Jahren nach Deutschland. „Am Flughafen komme ich mir jetzt ein bisschen wie James Bond vor mit den zwei Pässen“, scherzt der Saxofonist, der aus Nordengland stammt. Doch eigentlich ist ihm bei dem Thema nicht zum Lachen zu Mute: Er habe wenig Hoffnung, dass ein ungeregelter Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, ein sogenannter harter Brexit, noch abgewendet werden kann, sagt er. In diesem Fall droht in Deutschland lebenden Briten der Verlust ihres Aufenthaltsstatus. Zwar könnten alle zumindest für eine dreimonatige Übergangsfrist im Land bleiben, würden nach Angaben des Bundesinnenministeriums aber ihren Status als EU-Bürger verlieren. Innerhalb dieser Frist müssten Briten in diesem Fall einen neuen Aufenthaltstitel beantragen. Bis zu einer Entscheidung über den Antrag gelte ihr Aufenthalt in Deutschland sowie ihre Erwerbstätigkeit dann als erlaubt. Ob es dafür dann Einzelfallprüfungen gibt oder eine pauschale Regelung, ist noch unklar. Die Bundesregierung hat bereits erklärt, sie werde britischen Staatsbürgern keine Hürden für den weiteren Verbleib in Deutschland in den Weg legen. Sollte der Brexit-Vertrag beschlossen werden, hätten Briten ohnehin noch bis Ende der Übergangsfrist Ende 2020 ein Aufenthaltsrecht in der EU und Deutschland. Dieses Risiko wollte Fullwood jedoch nicht eingehen. Auch einige Freunde hätten einen deutschen Pass beantragt, berichtet er. Der Einbürgerungstest sei nicht einfach gewesen, jeder Teilnehmer hätte einen individuellen Fragenkatalog beantworten müssen. Dass es überhaupt zum Brexit kommt, bedauert der Musiker: „Ich würde mir wünschen, dass die ganze Sache nochmal zu den Leuten geht.“ Mittlerweile seien vor allem die jungen Briten aufgewacht, glaubt er. Bis zuletzt habe er darauf gehofft, dass sich alle Parteien noch einmal an einen Tisch setzen. „Alle europäischen Länder haben doch gute Ideen. Warum kann man nicht einfach nur die guten Sachen von jedem Land nehmen? Wie etwa Kreisel, die haben wir in Großbritannien ja auch aus Frankreich übernommen.“ Über die aktuelle Lage informiere er sich vor allem im „Guardian“. „Aber ganz ehrlich: Ich habe aufgehört, diese Sachen zu lesen.“ „Brexit ist nicht gerade mein Lieblingswort. Ich verstehe nicht, warum es so weit gekommen ist“, sagt Carole Lepthien. Sie lebt seit insgesamt 37 Jahren in Deutschland, seit Juni 2016 wohnt die 62-Jährige mit ihrem Mann in Wachenheim. Ursprünglich stammt sie aus Bolton in der Nähe von Manchester. Eigentlich sei sie kein Freund einer doppelten Staatsbürgerschaft, sagt Lepthien. „Vielleicht bin ich da auch ein wenig altmodisch: Entweder ich bin Britin oder ich bin Deutsche.“ Aufgrund des drohenden Brexit hat sie aber umgedacht und möchte nun auch einen deutschen Pass beantragen – allein schon wegen der Freizügigkeit innerhalb Europas und der „riesigen Schlangen am Schalter für Nicht-EU-Ausländer“. Die Brexit-Debatte im Parlament werde sie verfolgen. „Aber viel Hoffnung habe ich nicht“, sagt sie. Dass durch den EU-Austritt Großbritanniens wieder eine sichtbare Grenze auf der irischen Insel entstehen könnte, ist die große Sorge des Iren Eugen Mac Auliffe. „Die Briten sind im Moment ziemlich unberechnbar“, meint der 60-jährige Brexit-Gegner, der mit seiner deutschen Frau Evelyn seit 26 Jahren in Erpolzheim lebt. Der selbstständige Englischlehrer kennt zwei Kollegen, die kürzlich ihren britischen Pass in einen deutschen getauscht haben. Er selbst möchte aber Ire bleiben. Auch habe er keine Angst, dass die Iren es den Briten gleichtun könnten. „Die Iren sind gut in der EU verankert, da habe ich keine Bedenken. Die EU ist gut für Irland“, sagt Mac Auliffe. Für den aus Dublin stammenden Iren ist der Nordirlandkonflikt noch sehr präsent. „Ich kann mich noch gut erinnern, als in den 70er-Jahren in Dublin eine Bombe der IRA explodiert ist, bei der viele Menschen ums Leben kamen und auch daran, als die britische Botschaft in Dublin niederbrannte“, erzählt der Erpolzheimer, der mit seiner Frau und den drei Kindern regelmäßig die Verwandten in Dublin besucht. Um so schöner sei die Erinnerung an das „good friday agreement“ (Karfreitagsabkommen) von 1998, mit dem der Konflikt zwischen irischen Katholiken und nordirischen Protestanten beendet werden konnte. Deshalb sei es für Irland eine erschreckende Vorstellung, dass zwischen Nordirland und Irland wieder eine richtige Grenzlinie entstehe. Die Grenzfrage ist einer der strittigsten Punkte in den Brexit-Verhandlungen.

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