Bad Dürkheim Faust liebt Barbie

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„Der Typ ist bald 50 und spielt immer noch mit Püppchen. Also, mir wär’s peinlich, Alter“, kommentiert abschätzig der Eisbär. Es führt ihn der 46-jährige Puppenspieler René Marik, der außerdem den Maulwurf und Frosch Falkenhorst mitgebracht hat. Mit seinem Programm „Ze Hage! – Best of plus X“ gastierte Marik an zwei Abenden im Mannheimer Capitol.

Der Titel bedarf der Erläuterung. „Ze Hage“ bedeutet „zu Hause“ in der eigenwilligen Sprache des Maulwurfs, dem Star unter Mariks Puppen. Er ist blind wie Maulwürfe eben sind, begriffsstutzig, etwas cholerisch, dauerhaft unglücklich verliebt und mit einem, wenn nicht gleich mehreren, heftigen Sprachfehlern gestraft. „Jemand ze Hage?“ fragt er in seiner bekanntesten Spielszene, als Liebender am Fuß von Rapunzels unzugänglichem Märchenturm. „Rapante, Rapante!“ ruft er sie und fleht „Lassn Haate datte!“, um an ihrem langen, blonden Zopf zu ihr hinaufzuklettern. Der Turm ist aus schlichter Pappe, die ferne Geliebte hinter den Zinnen eine handelsübliche Barbie-Puppe. Der kurze Sketch, in dem „Maulwurfn“, ein Antiheld, schließlich scheitert, ist etwa zehn Jahre alt, in Mariks Worten aber „so ’ne olle Kamelle, dass sich schon Archäologen damit beschäftigen“. Er spielt sie, weil sie zu einem „Best of“ fraglos dazugehört. Zum Maulwurf stoßen im Lauf seiner Show außerdem der dünkelhafte Frosch Günther Falkenhorst, ein begabter Vortragskünstler und Schauspieler, der dem „Sesamstraßen“-Kermit ähnelt, und Kalle, ein kleiner, eigentlich putziger Berliner Eisbär, der aber derbe Sprüche raushaut. „Ich bin zwar klein, aber ich bin immer noch das gefährlichste an Land lebende Säugetier!“ klärt er im Capitol gleich mal die Verhältnisse. Falkenhorst, als bedeutender und würdiger Bühnenkünstler eigenen Angaben zufolge aktueller Träger des Iffland-Rings, spielt Shakespeares „Richard III.“, aber auch Darth Vader und Yoda aus den „Star Wars“-Filmen. Dem Maulwurf möchte er am liebsten Sprechunterricht erteilen, sieht aber bald ein, dass dieses Vorhaben zum Scheitern verurteilt ist. Der Maulwurf versucht sich an „Hamlet“ („Sein oder nicht Gage...“) und Goethes „Faust“, wo Barbie zum Gretchen („Darfe wage...?“) wird, als Apachenhäuptling Winnetou, als Werwolf und Afghanistan-Kämpfer im „Rambo“-Stil. Er muss Drogenerfahrungen machen, die Marik in einer schönen, psychedelischen Sequenz ausmalt. Und als er mitansehen muss, wie seine Barbie („de Barbe“) sich für Ken entscheidet, verübt er Selbstmord auf der A9. Dabei ist es faszinierend zu beobachten, wie Marik in einem sehr abwechslungsreichen Programm mit einfachsten Mitteln, viel Liebe zum Detail und großer Sprech- und Schauspielkunst nicht nur komische, sondern auch äußerst berührende Geschichten zu erzählen vermag. Und am Ende singt er zur Gitarre „My Funny Valentine“.

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