Bad Dürkheim Hinter der Fassade des Gradierbaus bröckelt’s

Ortstermin: Man könnte von einem steinigen Weg sprechen, der gerade vor dem Förderverein Gradierbauverein liegt. Er will in den nächsten Jahren sämtliche 160 Standpfeiler an der Saline austauschen. Hart wie Stein sind die nämlich nicht mehr. Den ersten Stolperstein gibt’s schon: Die Ersatzsteine hatten zunächst die falsche Farbe.

160 Pfeiler aus Sandstein hat die Saline. Alle sind dringend sanierungsbedürftig. Nun werden sie nach und nach ersetzt. Um die Kosten für die Sanierung zu decken, hat sich der Förderverein Gradierbau einiges einfallen lassen. Wer möchte, kann beispielsweise schon bald ein eigenes Stück Saline im Garten haben. Doch zunächst wird die Sanierung der knapp 180 Jahre alten Pfeiler an zwei Stellen geprobt. Die Dame, die der Vereinsvorsitzenden Petra Dick-Walther auf dem Weg zur Baustelle zufällig entgegenkommt, ist schon mal nicht zufrieden mit einem der Modelle, das gerade entsteht. „Zu kastig“ seien die neuen Steine, findet sie. Auch Vorstandsmitglied Dieter Petry, der ein paar Meter später an der Baustelle steht, ist, gelinge gesagt, nicht glücklich – aber aus anderem Grund. Die Farbe der Randsteine sei falsch, sagt der Leiter des städtischen Bauamts, auch die Form. Die Firma aus dem Hunsrück muss abrücken. Schade ist das, findet Petry, sonst hätte der erste neue Pfeiler der Saline schon fertig sein können. Aber dafür ist die Modellphase da. Die Mauererarbeiten an der Säule auf der Westseite sollen bis zum Wurstmarkt – dann mit der richtigen Farbe – abgeschlossen sein, um einen ersten Eindruck zu vermitteln. Weiter unterhalb ist der Dürkheimer Bildhauer Mathias Nikolaus beauftragt worden, eine weitere Säule zu sanieren. Bei „seiner“ Säule wurde erst mit dem Abtragen der Steine begonnen – hier war in der vergangenen Woche noch nichts zu sehen. Bis zum Wurstmarkt sollen dann die beiden neue Modelle miteinander verglichen werden können und die Erfahrungen aus den Arbeiten vorliegen. Es ist ein großes Projekt, auf das der Gradierbauverein sich seit einem Jahr intensiv vorbereitet. Die Sanierung der Pfeiler wird Jahre dauern, zunächst werden die sanierungsbedürftigsten in Angriff genommen. Wie zum Beweis greift Dick-Walther in ein schmales Loch in einem der Pfeiler und beschreibt, was sie dahinter fühlt: nichts. Vom Stein ist in all den Jahrzehnten – es gibt ihn wie die anderen seit 1887 – nicht mehr geblieben als die Fassade. Dabei waren es nicht die Brände, die den Pfeilern so zugesetzt haben. Es war vielmehr das Wasser. Salzwasser, aber vor allem Regenwasser, dass die Sandsteine so ausgehöhlt hat. Außer Fugenarbeiten und dem ein oder anderen neuen Stein hat es hier wohl nie eine größere Sanierung gegeben. Lediglich einige der Deckplatten wurden nach dem letzten Brand der Saline 2008 erneuert. Nun wird von den Ursprungssteinen nicht mehr viel übrig bleiben. Alte Steine werden allerdings wohl zur Auffüllung der neuen Säulen verwendet werden können. Bleiben soll auch bei den neuen Pfeilern die charakteristische Form, die sich nach oben verschlanken und natürlich die Farben (innen gelblich, außen rot) – zumindest wenn nicht gerade Violett statt Rot geliefert wird ... Billig wird das nicht: 5500 bis 6000 Euro pro Pfeiler schätzt Dick-Walther. Bei 160 Pfeilern kann man dann mit Fug und Recht von einem Millionenprojekt sprechen. Mehr Kenntnisse über potentielle Kosten soll eben auch der Modellversuch erbringen. Um das Geld zu beschaffen, hat der Verein einige kreative Ideen: Startschuss macht eine Weinprobe im Riesenrad auf dem Dürkheimer Wurstmarkt. Salinenfans können künftig auch ein Stück davon im Garten oder im Wohnzimmer haben: die sogenannten Salinengeister. Das sind die roten Sandsteine am Rand der Pfeiler, die über die Jahre so abgeschliffen wurden, dass sich statt glatter Stein an den Rändern Gesichter ausfindig machen lassen, mal keck, mal fordernd, mal schüchtern. Die hat Markus Lübke vom Förderverein vor elf Jahren entdeckt. Da wurde sein Sohn Eneas im Dürkheimer Krankenhaus geboren und sein Vater schenkte ihm die Geschichte von den Weingeistern, die in die Salinensteine gefahren sind. „Mit ein bisschen Fantasie“ findet Lübke in jedem Pfeiler 15 bis 20 solcher Gesichter. Entsprechend viele Geister könnten sich also künftig in Bad Dürkheim und Umgebung verbreiten. Die Steine werden künstlerisch bearbeitet, das heißt, auf einer Stele oder einer Platte präsentiert. Dazu gibt es ein Zertifikat, das anzeigt, von wo genau der Stein entnommen wurde. Das gestaltet der Illustrator Bert Elter aus Rosenheim. Wer den Gradierbauverein unterstützen möchte, kann sich aber auch auf der Saline verewigen lassen. Wer 333 Euro zahlt (so lange ist der Gradierbau in Metern) bekommt einen Stein am Rand des Pfeilers mit eigener Gravur. Auch ein Büchlein mit Gradierbaufakten soll Geld in die Kasse bringen. Ohne Unterstützung der Stadt wird es wahrscheinlich auch nicht gehen, so Dick-Walther. Die Statik des Gradierbaus war übrigens zu keinem Zeitpunkt gefährdet. „Die Pfeiler haben keine tragende Funktion mehr“, so Petry. Die Gefahr sei eher, dass sich Steine ablösen könnten, so Dick-Walther. Bei den neuen Steinen sollte das nicht mehr passieren. Auch wenn sie eher „kastig“ daherkommen. Das wird sich wohl auch nicht ändern lassen. Auch die Geister waren vor 180 Jahren sicher mal ganz gerade ... Info Die Wurstmarktweinprobe „Wein für Stein“ auf dem Riesenrad findet am 16. September um 13 Uhr statt. Die Weine präsentiert Steffen Michler, 120 Personen finden Platz. Es gibt noch Karten bei der Tourist Information, 06322 935-140.

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