Bad Dürkheim Kamikaze-Kakerlaken und Bad Boys

Chef-Untier Wolfgang Marschall enthüllte in Leistadt unter anderem postpubertäre Peinlichkeiten.
Chef-Untier Wolfgang Marschall enthüllte in Leistadt unter anderem postpubertäre Peinlichkeiten.

Mit ihrem Programm „Hinterm Großhirn brennt noch Licht“ boten Die Untiere aus Kaiserslautern am Samstagabend in der Leistadter TV-Halle Kabarett der Spitzenklasse. Neben einer pilzkundlichen Typologisierung von Politikern hatten die Untiere auch einen Tipp gegen Verdummung parat.

Bereits beim programmatischen Einstiegs-Song „Sei mein Untier, sei so frei“ konnte man ahnen, dass hier passionierte Brettelkünstler mit Herzblut am Werk waren. Seit zehn Jahren rocken Chef-Untier Wolfgang Marschall, Sängerin Marina Tamássy, Jung-Untier Philipp Tulius und David Puntstein (Keyboard, Gitarre) die Kleinkunstbühnen zwischen Kaiserslautern und Mannheim mit politisch-literarischem Kabarett. Ihr erster Auftritt in Leistadt lockte rund 200 Zuschauer in die voll besetzte TV-Halle. Immer wieder holte Text-Chef Wolfgang Marschall aus zum sprachmächtigen Rundumschlag, analysierte Politik und Wirtschaft und machte „mit frei marodierendem Intellekt“ Front gegen Verdummungs-Formate im Fernsehen und sparte auch Talkshows („televisionäre Synapsenverkleisterung“) nicht aus. Da werden Politiker pilzkundlich typologisiert – Höcke als Stinkmorchel, Seehofer als Speiröhrling – oder Wirtschaftsbosse zoologisch zu High-End-Primaten und Kamikaze-Kakerlaken. Zwischen Existenzialismus, Platons Höhlengleichnis und Wittgensteins Sprachwelt schlägt Wolfgang Marschall philosophische Brücken in die eigene Jugend, enthüllt postpubertäre Peinlichkeiten und analysiert Parallelgesellschaften und Frontverläufe am Gartenzaun – hier die Garten-Nazis, da die Öko-Romantiker. Gegen Verdummung empfiehlt der wortgewaltige Moralist die 16/8-Methode des Intervallfastens: „acht Stunden Gehirn einschalten, sechzehn Stunden Fresse halten“. Dazwischen schwingt er gerne die Trommelstöcke und gibt den Takt vor, wenn Frontfrau Marina Tamássy über die Bühne fetzt. Das tut sie mal ganz ladylike als scharfzüngige Diseuse, dann wieder als Punkerin „Berta Wutinger“ mit dem „Born To Be Wild“-Cover „Do werd isch wild“. Jung-Untier Philipp Tulius gab den „Seehofer Horti“ als Bad Boy zum Song „Bös bis ins Mark“, natürlich in Lederhose und grauem Bubikopf und zupfte dabei markante Riffs auf der E-Gitarre. Besonderer Höhepunkt war seine „Heimat“-Rede über regionale Identifikation mittels Fleischgerichten: „Gehört der Veganismus zu Deutschland und wie lange dauert die Abschiebung? Große Momente gab es nach der Pause: Blazer, Raute, Dackelblick - die zur leibhaftigen Kanzlerin mutierte Marina Tamássy musste sich als Mutti Merkel „Seehofers“ Abgesang „Merci, dass du bald gehst“ anhören, ehe sie sich direkt an das Volk von Leistadt wandte. Lokale Besonderheiten wie den geplanten Wasserleitungstausch in Leistadt und das Dürkheimer Riesenfass - „wir in Berlin hätten die passenden Flaschen“ – bezog die „Uckermark Fregatte“ in ihre programmatische Rede ebenfalls mit ein. Natürlich durfte ein Duett Seehofer-Merkel nicht fehlen, und so schmachteten sich Tamássy und Tulius stoisch an zu „Ich hab dich, Babe“, musikalisch begleitet von David Puntstein auf einer schwarzroten Melodika. Den Untieren gelang mit ihrem Auftritt eine Punktlandung: Nach Zugabe-Rufen setzte „die mächtigste Mutti der Welt“ noch mal an zum Schunkel-Lied „Lacht doch, wenn’s zum Weinen nicht ganz reicht“.

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