Bad Dürkheim Kanzelaltar: Was tun mit dem maroden Prunkstück?

Hintergrund: 250 Jahre stand der Leininger Kanzelaltar in Dürkheims Schlosskirche, bis dem 1978 eine heute umstrittene Renovierung ein Ende setzte. Dann galt das wertvolle Stück 30 Jahre lang als verschollen. Nun steht die Gemeinde vor der Herausforderung: Was tun mit dem wiederaufgetauchten, maroden Prunkstück?

Der Altar aus dem Jahr 1730 hat gleich mehrere Geschichten: Ende der 1970er-Jahre wurde er im Zuge einer heute – vorsichtig formuliert – umstrittenen Renovierung einfach herausgebrochen und weggebracht. Angeblich war seine fehlende Stilreinheit ein Grund für diese Behandlung. Ins neue Stilkonzept passte er jedenfalls nicht. Ein „puritanischer Radikalismus“, so bewertet das zumindest Pfarrer Dr. Bernhard H. Bonkoff heute. Der Experte für pfälzische Kirchengeschichte hat für die Kirchengemeinde eine Stoffsammlung zum Kanzelaltar zusammengestellt. Bonkoff findet deutliche Worte: „Unfachmännisch und grob“ sei der Altar zerlegt worden. Damals wurde unter anderem auch der Mittelgang der Kirche abgerissen. Das Presbyterium wurde wohl einfach übergangen. Auch weitere damaligen Veränderungen in der Schlosskirche sind heute schwer nachzuvollziehen. Der umstrittene Architekt wie auch der zuständige Oberkirchenrat sind nach Angaben von Dekanin Ulla Hoffmann inzwischen verstorben. Die Renovierung von einst ist ein eigenes Kapitel, das sie im Ruhestand gerne einmal aufarbeiten möchte. Zum Beispiel auch, wie das Stück verschwinden konnte: Der Altar sollte in ein noch zu bauendes Kirchenmuseum kommen, das aber nie realisiert wurde. Wo er stattdessen gelagert wurde, war drei Jahrzehnte lang nicht bekannt. Vor drei Jahren ist der Altar dann überraschend wieder aufgetaucht: Die Speyerer Diakonissen hatten ihn auf ihrem Dachboden gefunden. Drei Jahre lang lagerte er danach in Bad Dürkheim. Inzwischen sind bessere Zeiten für den Altar angebrochen, er wird derzeit in Altenkirchen von Expertinnen untersucht und analysiert. Das hat das Presbyterium der Protestantischen Kirchengemeinde festgelegt. Sie finden: Der Altar soll in Bad Dürkheim bleiben. Nach der wissenschaftlichen Untersuchung soll entschieden werden, ob er restauriert und wo er wieder aufgestellt wird. Dekanin Ulla Hoffmann wird sich nun darum kümmern. Keine leichte Aufgabe. So richtig böse wäre sie wohl nicht gewesen, wenn das Thema erst nach ihrer Amtszeit als Dekanin angegangen worden wäre. „Aber wir können nicht so tun, als ob nichts wäre“, sagt sie angesichts der Bedeutung des Kunstwerks. Denn über dessen Bedeutsamkeit herrscht heute Einigkeit. Davon zeugen zahlreichen Schreiben, die Ulla Hoffmann gesammelt hat. Das Mainzer Kulturministerium zum Beispiel vermutet, dass es sich bei dem Altar „wohl um den einzigen evangelischen barocken Kanzelaltar Südwestdeutschlands handelt“ und lässt fragen, ob Hoffmann den Altar nicht „zur Aufnahme in das Verzeichnis national wertvollen Kulturguts anmelden“ wolle. Auch die Denkmalbehörden zeigen sich begeistert, raten zur Restaurierung und Wiederaufstellung. Sollte sich das Presbyterium für eine Restaurierung entscheiden – hier gilt es natürlich die Kostenfrage zu klären – stünden zwei Standorte im Raum: Neben der Schlosskirche käme auch noch die Burgkirche in Frage. Eine Wiederaufstellung wirft auch rein praktische Fragen auf: Der Altar ist über sechs Meter hoch. Das wird Auswirkungen auf die Gottesdienstgestaltung und auch die Kirchenmusik haben. Zu Meinungsverschiedenheiten könnte die Optik des Stückes führen. Der massive barocke Altar dürfte nicht den Geschmack jedes Gemeindemitglieds treffen. Auch im Presbyterium werde kontrovers diskutiert, so Hoffmann. Die Aufgabe, die 220 Einzelteile des Kanzelaltars zu sichten und zu sortieren, hat Esther Nickel. Sie kennt den Altar so gut wie keine andere. Seit April beschäftigt sich die Diplom-Restauratorin aus Altenkirchen mit dem Kanzelaltar. „Er ist ein hochwertiger Kanzelaltar, der in sich, sehr, sehr stimmig ist. Hier war ein Meister am Werk“, sagt sie. Bei ihrer anfänglichen Puzzleaufgabe hat sie alle Teile fotografiert, zugeordnet und reversibel für den Wiederaufbau beschriftet. Über 100 Kartierungen dokumentieren die verschiedenen Schäden. Wesentliche Ursachen dafür sind die wechselnden klimatischen Bedingungen der Lagerung, die mehrfachen Transporte und der nicht fachmännische Abbau vor 35 Jahren. „Etwa 80 Prozent der Schäden waren vermeidbar, hätte man den Kanzelaltar in der Schlosskirche belassen und restauriert.“, stellt Nickel fest. Alle Altarteile sind „stark verschmutzt“ und müssen aufwendig gereinigt werden. Die Vergoldung und die Farbfassung hat sich schollenartig gelöst und muss gefestigt werden. Das Holz hat sich verzogen und Schwundrisse, die ausgespart werden müssen, haben sich gebildet. Drei wesentliche Teile sind beim Abbau damals verloren gegangen. Der eigentliche Altar, der hinter dem Speisgitter auf dem ebenfalls nicht mehr vorhandenen Podest stand. Und Teile der Bekrönung des Kanzelaltars: ein Pelikan, der seine Jungen mit dem eigenen Blut nährt, als Symbol für das Opfer Christi am Kreuz. Aber: Einem Wiederaufbau stehe restauratorisch nichts im Wege, so Nickel. Die Untersuchung der Fassung ergab, das der Kanzelaltar original rötlich marmoriert war, im 19. Jahrhundert dann grün-grau und 1927 in einer grau-grünen Wickeltechnik überarbeitet wurde. Am Freitag fährt das Presbyterium nach Altenkirchen, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Sollte es sich zur Restaurierung entschließen, wird es ein Mammutprojekt. Die Kosten für die Restaurierung sind noch völlig offen. Presbyteriumsvorsitzender Reinhart Zobel vermutet, dass das Projekt die Gemeinde ähnlich lange beschäftigen wird wie der Bau des Mehrgenerationenhauses. Er hat die Frage des neuen Standorts für sich so zusammengefasst: „Letztlich sind es 250 gegen 35 Jahre“, sagt Zobel mit Blick auf den alten und den neuen Altar der Schlosskirche. Und auch Ulla Hoffmann hat eine Vermutung: „Der gibt keine Ruhe, bis er da steht, wo er hin will ...“ Info Wer Hinweise auf den Verbleib des verschwundenen Pelikans oder des Altars hat, wird gebeten, sich bei Esther Nickel (unter Tel. 026817889110 oder per Mail info@conservation-pool.com) zu melden.

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