Bad Dürkheim Volles Haus feiert Olga Scheps

Überlegt artikuliert: Das kunstreiche Pianospiel von Olga Scheps begeistert Zuhörer im von-Busch-Hof.
Überlegt artikuliert: Das kunstreiche Pianospiel von Olga Scheps begeistert Zuhörer im von-Busch-Hof.

Eines verbreitet Olga Scheps, 1986 in Moskau geboren, seit langen Jahren in Köln zu Hause, nicht, wenn sie am Flügel sitzt: Langeweile. Ungemein nuancenreich in Dynamik und Artikulation ist das Spiel der Pianistin, und auch da, wo sie kraftvoll in die Tasten greift, noch transparent. Dazu gehört atemberaubende Virtuosität und Präzision im Anschlag, so selbstverständlich wirkend, dass man sie fast zu rühmen vergisst.

Zum dritten Mal war Olga Scheps in Freinsheim zu hören vor buchstäblich vollbesetzem Haus. Und obwohl die Anfänge nicht ganz makellos waren, weil zunächst störende Nebengeräusche im Publikum auftraten und die Künstlerin husten musste, entwickelte sich schließlich eine durchaus intensive Konzertsituation, die am Ende in lang anhaltende Zustimmung des Auditoriums mündete. Der Schwerpunkt des Konzerts lag auf Peter Tschaikowsky. „Die Jahreszeiten“ sind ein zwölfteiliger Klavierzyklus, erschienen 1876 als Notenbeilage einer St. Petersburger Monatszeitschrift. Verleger Nikolaj Bernhard gab dem Komponisten für jeden Monat einige Gedichtzeilen vor. Es ist typische Programmmusik ihrer Zeit, die sich mitunter nur über den Mottotext recht erschließt. Und vielleicht mit Recht nicht so berühmt ist wie manches andere aus Tschaikowskys Feder. Olga Scheps spürte den zwölf Sätzen mit großer Sorgfalt nach, verwandte viel Kunst darauf, die Komposition abwechslungsreich und ausdrucksstark zu gestalten. Mehr als einmal machte sie aus einer bloßen Wiederholung einer Passage ein Kabinettstückchen variierenden Gestaltens. Erfreulicherweise ist sie nicht der Meinung, bei Tschaikowsky müsse man allermeist mit verschärfter Kraft in die Tasten hauen, vielmehr erzielte sie ihre schönsten Wirkungen mit eher verhaltenem, aber stets mit Spannung aufgeladenem Spiel, so dass man der manchmal weitläufigen Musik mit Interesse zuhörte. Nikolai Medtner, 1879 in Moskau geboren, 1951 in London gestorben, von deutsch-baltischer Abstammung, in Moskau mit Auszeichnung musikalisch ausgebildet, ist nach der russischen Revolution zunächst nach Berlin, dann nach Paris, später nach London ausgewandert. Seine Sonata Reminiscenza in a-Moll entstand 1922 in Berlin. Es ist eine Musik der Erinnerung, der Wehmut, in spätromantischer Tonsprache. Olga Scheps artikuliert sie verhalten, behutsam, beherrscht und voller Spannung. Frédéric Chopins Nocture Des-Dur op. 27. Nr 2 von 1835 spielt sie klanglich fein und subtil, strukturell klar, es ist gespannt, ohne dass es dazu laut werden muss. Hier ist jede Phrase überlegt artikuliert, es gibt klangvoll perlende Passagen, andere in denen dieselben Töne scharf oder matt klingen. Da ist nichts einfach so drauflosempfunden, sondern alles hochintelligent organisiert. Und am Ende entzückt ein großartig schönes Verklingen im schwerelosen Piano. Der Pianist Mikhail Pletnev hat Tschaikowskys berühmte Nussknackersuite für Klavier bearbeitet. Das darf jetzt mal freier, mit kraftvoll zupackender Wucht beginnen, um sogleich wieder subtile, verhaltene Klangschattierungen anzustimmen, und zwar so, dass kein Ton verloren geht und der Hörer sofort begreift, was gerade geschieht. Natürlich ist der Klaviersound ungewohnt, und bisweilen scheint Olga Scheps die Unterschiede zum Orchestersatz mit einer gewissen Ironie auszustellen. Kurz: Sie entfaltet ein mal kraftvolles, mal poetisch feines Feuerwerk der Gestaltungskraft, das die zum Teil sehr populären Melodien veredelt und ungemein gut gefällt. Auf den brandenden Beifall antwortet Olga Scheps zugabenfreudig mit Sätzen, die hochinteressant romantische Klaviertradition mit Elementen der Popmusik verbinden. So ist es mehr als überraschend, plötzlich „Was sollen wir trinken?“ – so der Text in der bekannten Fassung von Bots, ursprünglich wohl ein bretonisches Apfelweinlied, zu Olga Scheps über die Techno-Version von Scooter gekommen – in choralhafter Inbrünstigkeit per Piano vorgeführt zu bekommen – natürlich ebenfalls höchst kunstreich.

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