Donnersbergkreis ... und dann nimmt er seinen Hut

Historischer Moment (2): Seebald verlässt mit Ehefrau Marion und Enkel Jakob den Saal – kehrt aber noch einmal kurz zurück.
Historischer Moment (2): Seebald verlässt mit Ehefrau Marion und Enkel Jakob den Saal – kehrt aber noch einmal kurz zurück.

Der 26. Juni 2019 ist ein historischer Tag – nicht nur, weil in der Pfalz der Uralt-Hitzerekord geknackt wird. Nach 31 Jahren an der Rockenhausener Stadtspitze übergibt Karl-Heinz Seebald (SPD) in der Donnersberghalle das Zepter an Nachfolger Michael Vettermann (FDP). Es ist heiß, es ist voll und zeitweise ist es auch emotional. Das Protokoll einer außergewöhnlichen Stadtratssitzung.

17.48 Uhr:

Beim Betreten des Roten Saals fallen zwei Dinge sofort ins Auge. Erstens: Die Rollos sind heruntergelassen, das Licht ist an. Auf diese Weise sollen die tropischen Temperaturen draußen und die fehlende Klimaanlage drinnen kompensiert werden – mit bescheidenem Erfolg. Zweitens: Der Raum ist so gut wie sonst selten bei einer Stadtratssitzung gefüllt. Schon jetzt tummeln sich Ratsmitgliedern und rund 30 Besucher, es wird geflachst, diskutiert, getuschelt. 17.53 Uhr: Seebald steuert seinen angestammten Platz an der Spitze des Gremiums an, Vettermann nimmt zunächst seitlich unter den Zuschauern Platz – in den Rat rückt er ja erst nach seiner Vereidigung. Die unterschiedliche Situation der Protagonisten spiegelt sich in ihrer Kleidung wider: Der scheidende Amtsinhaber kommt leger mit Hemd und Hut, sein Nachfolger, der die Urwahl mit 82 Stimmen Vorsprung gewonnen hatte, trägt stilgerecht (weißes) Hemd und (lila) Krawatte, später auch ein Jackett. 17.55 Uhr: Es werden weitere Stühle hereingeschleppt. Letztlich sind inklusive Ratsmitgliedern und Verwaltungsmitarbeitern rund 80 Personen im Saal. Nur am Rande: Als Vettermann nach drei Stunden, 45 Minuten seine erste Sitzung als Stadtchef schließt, sind von den 50 Besuchern – darunter die Familien von Alt- und Neubürgermeister – noch 15 da ... 17.59 Uhr: Seebald bittet die Ratsmitglieder, sich draußen auf der Treppe für das obligatorische Foto zu versammeln – er selbst bleibt sitzen. Dem neuen Rat gehört der 71-Jährige auf eigenen Wunsch nicht an, obwohl er auf der SPD-Liste die meisten Stimmen erhalten hatte. Aber nach seiner Niederlage hat er seine politische Karriere auf Stadt-, VG- und Kreisebene für beendet erklärt. Sollte er darüber Wehmut empfinden, lässt er sich das nicht anmerken. Er wirkt aufgeräumt und ist zu Scherzen aufgelegt. Dass die Gäste mit den Händen herumfuchteln, um sich Luft zuzufächeln, kommentiert er mit den Worten: „Vorsicht, dass Ihre Bewegungen nicht missverstanden werden. Als Bürgermeister habe ich auch Ordnungsbefugnis über den Zuschauer-Raum.“ Und dass die Fraktionen um kurz nach sechs noch immer beim Foto-Termin sind, veranlasst ihn zu der Bemerkung: „Ich stelle fest, dass wir nicht beschlussfähig sind und ich die Sitzung wieder schließe.“ 18.04 Uhr: Seebald eröffnet die Sitzung dann doch. Und dankt eingangs mit Urkunden jenen, die aus dem Stadtrat ausgeschieden sind: Luise Busch, Gisela Schilling, Egon Schneider, Melitta Berg, Richard Schmidt, Steffen Glaß, Sven Leitsbach, Sitta Schneider, Christoph Hahnefeld sowie die Beigeordneten Gerd Fuhrmann – der freilich weiter der SPD-Fraktion angehört – und Erich Schneider. Einige von ihnen haben Seebald „über viele Jahre, Jahrzehnte im Stadtrat begleitet. Sie wissen, dass ich, aber vor allem die Stadt und die Menschen, Ihnen für den außergewöhnlichen Einsatz zu Dank verpflichtet sind.“ Sichtlich ergriffen war er bei der Würdigung seiner Weggefährten Gerd Fuhrmann („ganz besonderes Vertrauensverhältnis“; „außergewöhnliche Qualität der Arbeit als Erster Beigeordneter“) und Erich Schneider („länger Ratsmitglied und Beigeordneter als ich Bürgermeister“; „hat eine Qualität und Kontinuität in den städtischen Bauhof gebracht, wie wir sie vorher nicht gekannt haben“). 18.12 Uhr: Seebald steigt in die eigentliche Tagesordnung ein mit dem Hinweis, dass diese „heute in zwei Teile zerfallen wird“. Und ergänzt schmunzelnd: „Den ersten, leichteren Teil mache ich, den längeren, schwierigeren Teil habe ich meinem Nachfolger vorbehalten.“ Eine – vor allem mit Blick auf die Länge – zutreffende Prognose. Gleichwohl meisterte Vettermann seine Premiere souverän und fast ohne die von ihm selbst befürchteten „Holperer“. 18.14 Uhr: Seebald beginnt mit der Belehrung und Verpflichtung der Ratsmitglieder – per Handschlag, bei seiner der SPD-Fraktion angehörenden Tochter Christine Glaß zusätzlich mit Umarmung. Das Prozedere beschließt er mit den Worten: „Behalten Sie immer im Auge: Das Maßstab Ihres Handelns ist das Wohl der Stadt sowie ihrer Bürgerinnen und Bürger.“ 18.31 Uhr: Vor der Amtseinführung des neuen Stadtchefs ergreift Verbandsbürgermeister Michael Cullmann das Wort. In sehr persönlichen Worten hebt er die Verdienste Seebalds hervor: Als Motivator („kraftvolles Vorneweggehen“), Förderer der Kultur („erhöht die Attraktivität und die Lebensqualität eines Ortes“, „ein Glücksfall für diese, unsere, Deine Stadt“), der Bildung, allen voran des Lesens („eine Herzensangelegenheit“) und des Stadtbildes („tiefe und nachhaltige Gestaltungsarbeit“; „die Rockenhausener sind stolz auf ihre Stadt“). Betont hat der VG-Chef ferner Seebalds „gestochen scharfe Reden“, seine argumentative Stärke („Da ist es sehr schwer dagegenzuhalten – manche können das nur als Heckenschützen“) und vor allem den Respekt, mit dem er alle Menschen behandelt habe. Cullmann: „Mit Dir verlässt eine Kompetenz, Klugheit und Lebenserfahrung die Stadtpolitik, die mir und vielen anderen stets eine wertvolle Unterstützung waren. Das tut weh. Ich danke Dir für diese Jahre.“ Es folgt prasselnder, fast 30-sekündiger Beifall. 18.38 Uhr: Sichtlich berührt sagt Seebald: „Ich war auf diesen Beitrag nicht eingerichtet, bin deshalb auch nicht in der Lage, angemessen darauf zu antworten. Lieber Michael, ich bedanke mich herzlich für die guten Worte.“ 18.39 Uhr: Seebald ernennt und vereidigt seinen Nachfolger Michael Vettermann, erneut unter großem Applaus. Es folgt die Einführung mit den Worten: „Ich bitte Dich nun, hier Platz zu nehmen und Deine Aufgabe als Bürgermeister der Stadt Rockenhausen zu übernehmen. Ich wünsche Dir dabei eine glückliche Hand.“ 18.41 Uhr: Seebald räumt den Platz des Vorsitzenden, will sich verabschieden. Vettermann bittet ihn, noch kurz zu bleiben. In seiner ersten Ansprache als Stadtchef betont der 54-Jährige, er lebe seit 1986 in Rockenhausen, habe in dieser Zeit „diese wunderschöne Kleinstadt im Herzen der Nordpfalz kennen und lieben gelernt“. Dass ihn die Bürger nun zum Stadtchef gewählt haben, „erfüllt mich mit Stolz und Demut“. Er trete „in die sehr großen Fußstapfen von Karl-Heinz Sebald, der dieses Amt unglaubliche 31 Jahre inne hatte“. In dieser Zeit habe sich Rockenhausen zur „Perle der Nordpfalz“ entwickelt, diese „großartige Leistung“ werde nach den Sommerferien mit einer Feier gewürdigt. Weiter sagte Vettermann, der im Wahlkampf von CDU und FDP proklamierte Politikwechsel bedeute nicht, „alles Gute und Schöne über Bord zu werfen – im Gegenteil: Wir müssen unsere wunderschöne Stadt noch bekannter machen und ihre Vorzüge weiter bewerben.“ Er nannte Herausforderungen – etwa Gesundheits- und DSL-Versorgung, Erhalt des kulturellen Angebots, das alles „vor dem Hintergrund einer schwierigen Haushaltssituation“ –, die er gemeinsam mit allen Fraktionen angehen möchte. „Daher meine Bitte an die Ratsmitglieder: Helfen Sie mit, und helfen Sie auch ein bisschen mir.“ Und er versicherte: „Ich werde mein Bestes zum Wohle Rockenhausens tun.“ 18.46 Uhr: Seebald steht auf, sagt „macht’s gut“ und verlässt mit Ehefrau Marion und Enkel Jakob letztmals unter Beifall den Raum. 18.47 Uhr: Seebald kehrt noch einmal zurück und sagt: „Das ist nach dem Motto: So richtig geht er nie.“ Denn er hat etwas vergessen, es liegt auf dem Presse-Tisch. Die folgende Szene ist an Symbolcharakter nicht zu übertreffen: Seebald kommt nach vorne – und dann nimmt er seinen Hut ... Weitere Berichte über die Stadtratssitzung folgen

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