Donnersbergkreis „Auch bei uns wird Wolf Räume finden“

Galt bei uns als ausgerottet, ist aber seit 2001 aus anderen Ländern wieder zugewandert: der Wolf
Galt bei uns als ausgerottet, ist aber seit 2001 aus anderen Ländern wieder zugewandert: der Wolf

Seit im Mai ein Wolf einen ehemaligen Truppenübungsplatz im Westerwald als Revier für sich entdeckt hat, muss auch in Rheinhessen und der Pfalz mit dem Auftauchen dieser Raubtiere gerechnet werden. Es gebe im Donnersbergkreis und im angrenzenden Kreis Alzey-Worms durchaus Räume, in denen sich einzelne Wölfe vorübergehend aufhalten könnten: Das sagte Gunnar Wolf, seit 32 Jahren Revierförster in Vorholz – kurz hinter der Kreisgrenze nahe Orbis, Oberwiesen und Morschheim gelegen –, auf einer Informationsveranstaltung des Hegerings III der Kreisgruppe Donnersberg des Landesjagdverbands in Gehrweiler. Die Bildung von Rudeln dagegen hält der Förster in unserer Region eher für unwahrscheinlich.

Gunnar Wolf – in diesem Fall gilt tatsächlich der Spruch „nomen est omen“ – ist einer von 32 ehrenamtlichen „Großkarnivorenbeauftragten“, die in einem Netzwerk des Landes Rheinland-Pfalz für die Überprüfung von Hinweisen zu den „großen Fleischfressern“ Luchs, Bär und Wolf zuständig sind. Sollte Wolf in seinem Zuständigkeitsbereich im südlichen Rheinhessen und im Donnersbergkreis Meldungen von Jägern oder aus der Bevölkerung erhalten – zum Beispiel beim Fund eines gerissenen Rehs –, muss er diese möglichst vor Ort überprüfen und den Sachverhalt dokumentieren. Wichtig sei hierbei, dass die Mitteilung unverzüglich bei ihm (Mobil 01522 8850538, E-Mail: gunnar.wolf@wald-rlp.de) oder bei der Hotline 06306 911199 der Stiftung Natur und Umwelt (SNU) eingeht und am Fundort nichts verändert wird. Wolfsspuren zu lesen und -merkmale zu erkennen, habe er auf einem Lehrgang in der Lausitz gelernt, erzählt Wolf. Deuten für ihn die Umstände auf einen Luchs oder Wolf als „Täter“ hin, leitet er den Fall umgehend an das Büro der SNU in Trippstadt weiter. Deren Spezialisten, in der Regel Wildbiologen oder Veterinäre, könnten dann sofort an der Fundstelle die Spuren für weitergehende Untersuchungen sichern. Bei Übergriffen auf Nutztiere wäre unmittelbar die SNU zuständig. Der Wolfsbestand in Deutschland werde gegenwärtig auf rund 300 erwachsene Tiere geschätzt, die vornehmlich im Norden und Osten der Republik unterwegs sind, so Wolf. Bekannt seien 56 Rudel, darunter 53 mit zusammen 215 Welpen. Daneben gebe es 19 Paare ohne Nachwuchs und zwei territoriale Einzeltiere. Im Gegensatz zu den Luchsen wurden diese Wölfe 150 Jahre nach ihrer Ausrottung hier nicht wieder angesiedelt, sondern sind aus anderen Teilen Europas – insbesondere aus Polen, in Einzelfällen auch aus der Schweiz, Frankreich, Italien und Slowenien – zugewandert. Als Polen im Jahr 1998 dem Berner Artenschutzprogramm beitrat und Wölfe unter Naturschutz stellte, konnten diese sich in dem östlichen Nachbarland ungehindert vermehren. Auf der Suche nach neuen Lebensräumen überwanden sie die Grenzflüsse Neiße und Oder und tauchten im Jahr 2001 zunächst in der sächsischen Lausitz, danach auch in anderen Teilen Ost- und Norddeutschlands auf. Bei der Ausbreitung der Wölfe seien keine Regeln zu erkennen, so Wolf, sie verzweigten sich in alle Richtungen und legten mitunter sehr weite Strecken zurück. Und sie seien Meister im Energiesparen, indem sie bevorzugt von Menschen angelegte Wege nutzten. Mittels untersuchter Kotproben konnte anhand des „genetischen Fingerabdrucks“ die Wanderung einzelner Wölfe nachgezeichnet werden. Spätestens seit 2012 im Westerwald ein Wolf von einem Jäger erschossen, ein anderer 2015 bei Ludwigswinkel in der Südpfalz an einem Rehriss nachgewiesen und in den vergangenen Monaten sowohl bei Waldbröhl im Kreis Neuwied als auch bei Daaden im Westerwald einzelne Wölfe bestätigt wurden, gilt Rheinland-Pfalz als Wolfserwartungsland. Wegen der im Kreis Neuwied vom Wolf getöteten Nutztiere wurde hier erstmals im Land ein „Wolf-Präventionsgebiet“ ausgewiesen. Damit haben Halter von Nutztieren die Möglichkeit, Fördermittel des Landes für Schutzmaßnahmen wie wolfssichere Zäune und Herdenschutzhunde zu beantragen. Ohnehin müsse bei der Haltung von Nutztieren im Freien eine Anpassung an die neue Bedrohung erfolgen, räumt Wolf ein. Ferner orakelte Wolf, das gegenwärtige Niedrigwasser des Rheins könnte für Isegrim (so der Fabelname) fast wie eine Einladung ans gegenüberliegende Ufer wirken. Fände er dort „eine Ecke mit genügend Beutetieren und Ruhe, wird er wohl auch bleiben. Und wenn erst einmal einer da ist, werden weitere folgen“, fügt der Experte an. Seiner Ansicht nach könnte seine schon aus der Lausitz und Niedersachsen bekannte Vorliebe für Truppenübungsplätze ein Fingerzeig in Richtung Baumholder sein. Aber auch am Donnersberg und im Kreis Alzey-Worms dürfte ein Wolf durchaus Räume finden, die ihm – zumindest vorübergehend – behagen. Mit der Etablierung eines Rudels müsse hingegen kaum gerechnet werden. Den Wölfen sei es hier wegen der dichten Besiedlung und dem engen Verkehrswegenetz vermutlich zu unruhig, mutmaßt der Förster. Wolf riet Gegnern und Befürwortern, nicht emotional, sondern offen mit dem Thema „Rückkehr des Wolfes“ umzugehen. Man sollte sich beispielsweise auch fragen, wie viele Wölfe vielleicht früher schon unbemerkt durch das Land streiften und wie viele davon als vermeintliche Schäferhunde im Straßengraben endeten. In naher Zukunft werde sich zeigen, wie sich die grauen Räuber in die moderne Kulturlandschaft einfügten. Fatale Folgen könne es allerdings haben, wenn sie angefüttert werden, wie auf einem Truppenübungsplatz durch Soldaten geschehen. Dadurch verlören sie die Scheu vor den Menschen und entwickelten sich über kurz oder lang zu sogenannten Problemwölfen. Hier stelle sich dann die Frage nach der „Entnahme“ der betreffenden Tiere, auf die der Fachmann eindringlich hinweist. Gleichzeitig wolle er aber die Ängste der Jäger zerstreuen, denn im vom Wolf am dichtesten besiedelten Sachsen seien die Jagdstrecken bei Reh- und Rotwild nicht eingebrochen. Lediglich eine Muffelpopulation sei auf dem ohnehin nicht artgerechten Sandboden fast ausgelöscht worden. Hegeringleiter Heinz Klemm, Initiator des Info-Abends, warnt davor, den Wolf wieder ins Jagdrecht aufzunehmen. Seiner Ansicht nach könnte dies unter Umständen für manchen Jäger zum finanziellen Abenteuer werden.

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