Donnersbergkreis Auf dem „Königsweg“ durch Europa

91-84966931.jpg

KIRCHHEIMBOLANDEN. Über 4500 Kilometer führt die europäische Kulturstraße „Via Regia“ durch acht Länder, von Santiago de Compostela im Westen bis nach Kiew im Osten. Mittendrin seit Donnerstagabend: Kirchheimbolanden.

Die Aufnahmeurkunde in dieses kulturell-touristische Netzwerk überreichte Cornelia Fischer, Geschäftsführerin des entsprechenden Europäischen Kultur- und Informationszentrums mit Sitz in Erfurt, bei einer Veranstaltung im Museum an Stadtbürgermeister Klaus Hartmüller. Die Kleine Residenz gehört damit zu den bereits rund 180 Mitgliedern, die dieses über 2000 Jahre alte europäische Erbe lebendig pflegen und für sich selbst nutzen wollen. Dass der Begriff „Via Regia“ noch wenig vertraut ist, zeigte die geringe Besucherresonanz an diesem Abend. Die unter Napoleon ausgebaute „Kaiserstraße“ hingegen ist jedem Nordpfälzer ein Begriff – und im Ursprung ein Teil eben jenes Via-Regia-Netzes, das unter den Römern seinen Anfang nahm und im Mittelalter zum wichtigen Gefüge von rege frequentierten Handelswegen quer durch Europa wurde. Wie lebhaft dieser Warenverkehr schon damals war, erläuterte der Kulturwissenschaftler Jürgen Fischer in seinem geschichtlichen Exkurs etwa am Beispiel der berühmten Tuchhallen im polnischen Krakau, die eigens für den Handel mit wertvollen Stoffen aus dem fernen Flandern errichtet wurden. Die Entwicklung der Eisenbahnen, so Fischer weiter, habe diese alten Straßen und Wege zwar zunächst der Vernachlässigung anheimgegeben, die Erfindung des Automobils aber für deren Wiedererweckung gesorgt, freilich meist bei Preisgabe der Authentizität. Heute ist es außer dem Warenverkehr der Tourismus, der über diese einstigen „Königsstraßen“ rollt. Denn das bedeutet „Via Regia“. Eine einzige durchgehende Verbindung war im Mittelalter, als dieser Begriff entstand, nicht damit gemeint, erläuterte Fischer, sondern ein Rechtszustand: Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation wurden so Straßen geadelt, die unter besonderem Schutz, auch Friedensschutz, der königlichen Zentralgewalt standen. Jäh gekappt worden waren diese über Jahrhunderte durchlässigen Wege von West nach Ost nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Grenzen zwischen zwei Gesellschaftssystemen. Gab es bereits in den 1960er Jahren Bemühungen, Menschen reisend mit dem europäischen Gedanken vertraut zu machen, wurde das Anliegen nach der Wende erst recht eine Herzensangelegenheit, die vom Osten Deutschlands ausging: Nun sollte wieder zusammenwachsen, was zusammengehörte. Die Inspiration für die Wiederbelebung der Via Regia war 2003 von Erfurt ausgegangen, von Jürgen Fischer. Auch wenn der in Kirchheimbolanden lieber festhält, dass das Ganze aus bürgerschaftlichem Engagement erwachsen sei und bis heute davon getragen werde. Neun Mitglieder machten sich anfangs auf den Königsweg. 2006 wurde das Netzwerk als „Große Kulturstraße des Europarates“ ausgezeichnet. Fischer selbst, mittlerweile 72, ist weiter als Projektberater tätig. Dass es jedoch nicht um Mitglieder-Masse und ums bloße „Schildchenaufkleben“ geht, sondern um Qualität und Nachhaltigkeit der Arbeit, machte Caroline Fischer, die von Erfurt aus das internationale Netzwerk betreut, in ihrem engagierten Vortrag deutlich. Entschieden würden sich Kulturrouten, von denen es in Deutschland nur fünf gebe, von den mit rund 170 geradezu inflationären „Ferienstraßen“ abheben, sagte sie. Die Kulturrouten-Auszeichnung erhielten nur Netzwerke, die eigene Forschung betrieben, das Erbe förderten, Kunst- und Kulturprojekte anstießen, in beständigem Austausch mit den Mitgliedern seien, Kultur-Tourismus anregten und eine nachhaltige kulturelle Entwicklung als Ziel hätten. „Wenn davon etwas wegfällt, fällt auch der Status weg“, so Caroline Fischer. Dass Mitglieder, so jetzt auch Kirchheimbolanden, vor Ort vieles, durchaus auch kleine Vorhaben, anstoßen könnten, zählte sie an einigen exemplarischen Beispielen aus anderen Regionen auf: Da gibt es Wanderungen auf Via-Regia-Spuren, Kunstaktionen, Schulprojekte (auch grenzübergreifend), einen in Flaschen gefüllten „Via-Regia“-Schluck oder Via-Regia-Wegepässe zum Abstempeln. Die Via Regia selbst bewusster zu machen, etwa in Richtung Kaiserslautern oder Rheinhessen, könnte, worauf der Historiker Klaus Kremb verwies, vor Ort ein guter Ansatz sein. Wie selbst ein Bild, das er im Winnweilerer Museum gesehen habe, zu nachforschender Beschäftigung anregen könnte, verdeutlichte Jürgen Fischer: Es zeigt pfälzische Auswanderer bei ihrer Ankunft im Osten der einstigen k.u.k.-Monarchie: „Auch diese Menschen waren vor 200 Jahren also auf der Via Regia unterwegs.“ Geschichte würde doch oft in Geschichten erzählt. „Dieses Wissen der Menschen vor Ort brauchen wir.“ So wie sie eigene Aktionen und Wissen einbringen, um quasi in kleinen Pflastersteinen den europäischen Zusammenhang der Straße darzustellen, profitieren Mitglieder, gerade auch kleinere Städte wie Kirchheimbolanden, von dem internationalen Netzwerk, können auf sich aufmerksam machen, wie sie es allein nicht schaffen würden. So sei, außer einer Bibliothek und einem Geschichtsportal, auch schon ein Kartensystem im Internet entwickelt worden, berichtete Cornelia Fischer: „Man kann sich da Touren bauen. Zum Beispiel für Kibo: Was gibt es dort zu sehen? Wo kann ich essen? Wo übernachten?“ Wie weitreichend gemeinsames Marketing sein kann, zeigen aber auch opulente Prospekte, die Radtouren auf der Kulturstraße von Frankfurt/Main bis Krakau vorschlagen oder eine Zeitreise durch deutsche Kultur und Geschichte auf der Via Regia von Frankfurt nach Leipzig. Für Hartmüller war dieser touristische Auftritt – die Stadt gehört seit Jahren auch den „Europäischen Mozartwegen“ an – weiterer Anreiz zur Mitgliedschaft und Chance, international für Kibo zu werben. Man werde dabei die Erfurter Kontaktstelle sicher um Unterstützung bitten, sagte er. Konkrete Projekte gibt es noch nicht, neue Ortseingangsschilder, die auf die Mitgliedschaft in nun gleich zwei der 33 vom Europarat anerkannten Kulturrouten hinweisen, sind aber schon mal in Arbeit. Info Mehr über die Kulturroute und die Arbeit des Netzwerks Im Internet unter www.via-regia.org

x