Donnersbergkreis „Barock ist auch Freiheit“

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Die am Opernprojekt mitwirkenden Schülerinnen und Schüler zusammen mit Kulturmanagerin Lydia Thorn Wickert (hinten links), dem musikalischen Leiter Felix Schönherr, Regisseurin Aileen Schneider und Regieassistentin Marlene Moninger (hinten 3. bis 1. von rechts).

«KIRCHHEIMBOLANDEN.»Ist, bei aller Liebe zur Musik, am Kirchheimbolander Hof der Nassau-Weilburger je eine Oper aufgeführt worden? Vermutlich nicht, der Aufwand hätte die Hofschatulle wohl überfordert. Nun aber dürfen sich Musikfreunde auf den 31. August freuen, wenn in der Stadthalle mit Claudio Monteverdis „Die Heimkehr des Odysseus“ eines der frühen Werke dieses Genres erklingen wird. Abermals hat Lydia Thorn Wickert damit ein außergewöhnliches Projekt angestoßen.

Nach dem - 1665 veröffentlichten - Trauerspiel „Agrippina“ des Daniel Casper von Hohenstein, das vor zwei Jahren unter Regie von Hansgünther Heyme in Kirchheimbolanden und am Gymnasium Weierhof aufgeführt worden war, eröffnet sich damit neuerlich die Sicht auf die Epoche des Barock, die Kirchheimbolanden geprägt hat und der sich die Stadt in ihrer Erbe-Rezeption besonders verpflichtet sieht. Das Wissen darüber zu vertiefen und zu verfeinern und damit schon bei der Jugend anzufangen, ist Thorn Wickerts Anliegen. Denn in der Einordnung des Barock als einer Epoche des Absolutismus, der Willkür und der Kriege vermisst die Kulturmanagerin den Blick darauf, „dass diese Ära auch die Geburtsstunde des freien Ausdrucks in der Kunst war“. Und, damit einhergehend, eines Befreiungsakts für Frauen, die nun ihre eigenen Partien auf der Bühne gestalten und singen durften. Durchaus nicht aufs neckische Dummchen festgelegt, sondern häufig starke Frauengestalten etwa aus der Antike verkörpernd. Claudio Monteverdis 1640 in Venedig uraufgeführte Oper „Die Heimkehr des Odysseus“ führt das vor in der Gestalt der Penelope, die sich, nach 20 Jahren noch immer der Rückkehr des Gatten gewiss, einem Schwarm männlicher Freier verweigert: Warten als Akt weiblicher Freiheit. Freiheitliche Gedankenwelten also, die die Projektinitiatorin (und promovierte Pädagogin) gerade den in die Inszenierung einbezogenen zehn Kindern und Jugendlichen eröffnen will, wie ebenso die dem Opernstoff innewohnende, von Männern ausgehende Gewalt thematisiert wird: Dürfen Menschen eigentlich auch für das Gute gewalttätig werden? Heiligt der Zweck die Mittel? Ihre jungen Mitwirkenden fanden zu Lydia Thorn Wickert während einer Präsentations-Veranstaltung an der Kirchheimbolander Georg-von-Neumayer-Schule. Hier stellten sich regionale Firmen den Schülern vor – und sie tats mit ihrem Opernprojekt. „Ich habe diese Schule immer als sehr lebendig und mit hohem Anspruch auch in puncto gesellschaftlicher Teilhabe empfunden“, nennt sie als Motiv für die Auswahl der Darsteller gerade aus dieser Realschule plus. Und die waren schnell beisammen. Die acht Mädchen und zwei Jungen haben Migrationshintergrund, drei Schwestern aus einer syrischen Flüchtlingsfamilie sind darunter. Bereits bei „Agrippina“ war der Initiatorin an der Einbeziehung syrischer Flüchtlinge und damit an einem integrativen Kunstprojekt gelegen. Denn Integration, so ist sie überzeugt, sei mehr als ein Dach über dem Kopf, mehr auch als Schule, Ausbildung und Arbeit – es sei nicht minder die aktive Erschließung eines anderen Kulturkreises. Wieder nähern sich die Beteiligten diesem hohen Anspruch mit langem Atem und in vielen Facetten. Zwei Workshops fanden bisher statt, in denen aus inhaltlichen Aspekten der Oper eigene Fragestellungen abgeleitet wurden oder in denen, vermittelt von Profis, Gehörbildung und Körperlichkeit auf der Bühne im Zentrum standen. In die Lebenswelt der Antike und damit der „Verwandten des Odysseus“ konnten die Kinder bei einer Führung in der aktuellen Karlsruher „Mykene“-Ausstellung eintauchen. Und sich schließlich, der Höhepunkt, Ende Januar in einer szenischen Aufführung der „Marienvesper“ am Mannheimer Nationaltheater in Monteverdis wohl berühmtestes Werk einhören – inklusive Besichtigung des Hauses, Werkeinführung und Gespräch mit einer Dramaturgin nach der Aufführung. Bewundernswert Disziplin und Durchhaltevermögen der Kinder an diesem langen Abend nach einem normalen Schultag! Für die Inszenierung haben Lydia Thorn Wickert und Regisseurin Aileen Schneider (siehe Interview) ein Team junger professioneller Mitstreiter gewonnen. Die Kulturmanagerin gewann überdies Sponsoren für die einschließlich dem umfangreichen pädagogischen Begleitprogramm und einer Theaterzeitung veranschlagten Kosten um die 50.000 Euro. Den größten Teil trägt mit 50 Prozent die Schöck-Familienstiftung Baden-Baden, weitere Unterstützung kommt vom Land Rheinland-Pfalz, dem kommunalen Träger und weiteren Förderern in der Region. Voraussichtlich wird es wegen des großen Aufwandes für die beteiligten Profis, die aus allen Teilen Deutschlands kommen, leider bei einer Aufführung in der Region bleiben. Interesse an der Kirchheimbolander „Heimkehr des Odysseus“ hat allerdings die vom Komponisten Hans Werner Henze gegründete Europäische Akademie für Musik und darstellende Kunst im italienischen Montepulciano geäußert. „An dieser großen Belohnung für die Kinder wäre mir sehr gelegen“, sagt Thorn Wickert.

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