Donnersbergkreis „Damit so was nicht noch mal passiert ...“

Ein zweites Unfallgutachten. Der Ruf nach Expertisen, die über den psychischen Zustand des 19-Jährigen, seine angebliche Amnesie sowie zu einem mysteriösen Medikament Auskunft geben. Und noch dazu gleich zwei Versuche des Verteidigers, die Richter als befangen hinzustellen: Das Strafverfahren vorm Amtsgericht Rockenhausen wird sich noch eine Weile hinziehen. Gestern sah sich das Jugendschöffengericht, das über die strafrechtlichen Folgen eines Unfalls mit zwei Toten bei Kirchheimbolanden befinden muss, mit einer Flut von Beweisanträgen konfrontiert.

Juristisches Taktieren hat gestern dazu geführt, dass die Beobachter im vollen Saal des Rockenhausener Amtsgerichts reichlich Leerlauf haben registrieren müssen. Dies aber nur scheinbar: Denn die Verzögerungen bargen jedenfalls einige Brisanz. Es ist sicher nicht die Regel, dass ein Gericht ganz kurzfristig einen zweiten Gutachter einschaltet, weil es mutmaßlich mit dem ersten nicht zufrieden war. Für Nichteingeweihte überraschend, hatte gestern Vormittag ein anderer Kraftfahrzeug-Sachverständiger neben der Staatsanwältin Platz genommen. Er sollte allerdings erst am späteren Nachmittag zu Wort kommen. Vor allem deshalb, weil sich das Gericht mit zwei Befangenheitsanträgen des Verteidigers konfrontiert sah. Der Anwalt hatte namens seines Mandanten moniert, dem 19-Jährigen sei kein fairer Verhandlungsablauf mehr garantiert. Wenn schon ein weiterer Gutachter, so müsse auch der erste wieder her, auf dass er seine Resultate mit dem Kollegen diskutieren könne. Mit Blick auf die Ergebnisse des zweiten Experten wird die Marschroute der Verteidigung klarer: Der Sachverständige kommt zu dem Schluss, dass der damals 18-Jährige mit noch höherem Tempo auf das Auto des Ehepaars gekracht ist, als es sein Kollege zuvor gemutmaßt hatte. Der erste Befangenheitsantrag lief ins Leere, ebenso der zweite, der sich vom ersten kaum unterschied, was auch die Staatsanwältin und die beiden Nebenklage-Anwälte kopfschüttelnd so kommentierten. Was das Jugendschöffengericht beschäftigt, ist die strafrechtliche Würdigung eines Unfalls, der sich im Januar zwischen Kirchheimbolanden und Alzey ereignet hat. Wie mehrfach berichtet, war der damals 18-Jährige am Steuer eines Porsche Cayenne auf der L 401 von Alzey her in Richtung Kirchheimbolanden unterwegs. Bei Morschheim überholte der Fahranfänger mit dem geliehenen, hochmotorisierten Auto eine kleine Wagenkolonne. Das Überholverbot an jener Stelle, das Verkehrsteilnehmern auch mittels einer doppelt durchgezogenen Linie vor Augen geführt wird, ignorierte der Mann. In einer langgezogenen Kurve kam ihm auf der Gegenseite ein nagelneuer BMW X3 entgegen. An dessen Steuer saß ein 74-jähriger Mann, neben ihm seine 73 Jahre alte Ehefrau. Der Arzt, der mit dem Wagen auf Probefahrt war, hatte keine Chance. Er und seine Frau starben in den Autotrümmern. Der 19-Jährige gibt an, er wisse nichts über den Unfall, habe an den gesamten Tag keinerlei Erinnerung mehr. Sein Beifahrer hatte kundgetan, die Fahrt sei völlig normal verlaufen. So, wie es ja fast jeder tue, sei der Klassenkamerad wohl etwas zu schnell gefahren, aber nicht auffällig – bis er eben die Spur verlassen habe und trotz Überholverbots auf die Gegenfahrbahn gewechselt sei. Der Beifahrer hatte vor Gericht ein äußerst positives Bild von dem 19-Jährigen gezeichnet, hatte fast schwärmerisch von dem so hilfsbereiten, ausgleichenden Wesen des Angeklagten berichtet, der sich in der Schule so positiv hervortue. Damit hatte der 18-Jährige weitgehend das wiedergegeben, was eine Lehrerin dem Angeklagten attestiert hatte: Denn kaum war die Anklage verlesen, hatte der Verteidiger auch schon mit einem Schreiben jener Lehrerin aufgewartet, die darin Haltung und Charakter des 19-Jährigen in höchsten Tönen gelobt hatte. Dies allerdings passt so gar nicht mit dem zusammen, was gestern im Zuge eines Beweisantrags der Nebenklage ans Licht kam: Es stehe zumindest zu vermuten, dass der 19-Jährige unter einer dissozialen Persönlichkeitsstörung leide. Dem sei noch auf den Grund zu gehen. Denn, und dies erläuterte gestern die Tochter des verstorbenen Ehepaars: Man wolle keine drakonische Strafe; man wolle vielmehr, dass dem Angeklagten, der wohl vor der Flucht seiner Familie Schlimmes erlebt habe, wirkungsvoll geholfen werde. „Damit so was nicht noch mal passiert“, verdeutlichte die Nebenklägerin: Es gehe auch darum, dass womöglich durch die Störung bedingte Handlungen des 19-Jährigen nicht noch einmal auch nur annähernd so tragische Folgen haben. Als typische Symptome gehen mit der Störung Verantwortungslosigkeit, Missachtung von Regeln, fehlendes Schuldbewusstsein einher. Oft ist die Schwelle zu aggressivem oder gewalttätigem Verhalten niedrig. Ein Facharzt für Psychiatrie wird den 19-jährigen nun untersuchen. Es soll auch geklärt werden, ob der Mann wirklich unter einer Amnesie leidet. Auch die Herkunft eines Medikaments, das bei ihm nachgewiesen wurde, wird noch erörtert. Der Prozess wird am Freitag, 14. September, 9 Uhr, fortgesetzt.

x