Donnersbergkreis Der Blues-Denker

Es gibt zum Glück künstlerische Auftritte, die einen einfach fröhlich und erfüllt zurücklassen. Das ist dem Heidelberger Kabarettisten Arnim Töpel am Samstagabend im „Blauen Haus“ gelungen, nachdem er mit seinem neuen Programm „51 aufgedrängte Bereicherungen“ sein Publikum mit Gedanken, Aperçus, Sprachspielen, Lautmalereien und Pointen geradezu überschüttet hatte: Geistreich, aber nicht abgehoben, kritisch, aber nicht zynisch, manchmal sehr direkt, aber nicht plump, und vor allem auf begeisternde Weise musikalisch arrangiert.

Angekündigt war vorwiegend Hochdeutsch, aber wie es hieß, wollte er sich doch den einen oder anderen Ausflug in den Kurpfälzer Dialekt nicht nehmen lassen. Dabei hat der Künstler eigentlich Berliner Eltern und fand, wenn auch in Heidelberg aufgewachsen, erst spät zu seinem immer inniger geliebten kurpfälzischen Idiom, das er vor allem in seinen Sprechgesängen und Liedern hingebungsvoll zelebriert. Im Zusammenspiel von Körper (der auch rhythmisch als Resonanzboden fungiert) und sympathischer, warmer Stimme, das Keyboard mal malträtierend, mal streichelnd, wirkt die Mundart gar nicht mehr derb, sondern melodisch, zuweilen einschmeichelnd mit verzaubernder Sogwirkung: Kurpfälzer „groove“. Eigentlich stand Arnim Töpel doppelt auf der Bühne, denn da gab es noch „de Günda“ – schon in seiner Kindheit entstanden aufgrund der großen Identitätsfrage, die von Erwachsenen an ihn gestellt wurde: „Wem gheerschn du?“ Und weil das nicht so einfach zu beantworten war, wohnen seit jeher zwei Seelen in seiner Brust: die eine intellektuell-feingeistig, sich des Hochdeutschen bedienend, und als Alter Ego, eben de Günda, eher erdverbunden, geradeheraus, pälzisch babbelnd. „51 aufgedrängte Bereicherungen“ werden dem Publikum zugemutet/ geschenkt, also ambivalente Zuwendungen, bei denen der Bedachte nicht recht weiß, ob er sich freuen oder protestieren soll: eine Situation, in der sich das Kabarettpublikum unschwer wiedererkennen kann, die aber durch Humor auf beiden Seiten zu bestehen ist. Der Titel zeigt auch, dass Töpel ganz früher einmal Jurist war und dabei die Erkenntnis mitnahm, „dass Juristen Poesie schaffen, ohne sich dessen bewusst zu sein“. Beispiel: „Stirbt der Bedienstete auf einer Dienstreise, ist die Dienstreise beendet.“ Um dem Publikum im Töpelschen Assoziationsdschungel einen roten Faden zu geben, werden die „aufgedrängten Bereicherungen“ in Form einer Rangfolge (von 51 bis 1) aufgelistet: Ironisch die aktuelle „Casting- und Rankingwut“ befriedigend, kommen gesellschaftliche Trends unserer Zeit auf den Prüfstand. Zum Beispiel 47, der Beratungswahn: „Alle anderen wissen besser, was wir wollen sollen – vor allem Leute, die ihr eigenes Leben nicht im Griff haben.“ Töpels (Gündas) Antwort deshalb, wenn man ihn fragt: „Hoschd e bissel zugeleecht?“: „Isch mir worscht!“ Das „entspannt kolossal!“. 34, „Nachsicht“: „Wir lügen 200 Mal am Tag. Der wahre Meister glaubt selbst, was er lügt.“ 29: „Patchworkparadiese“: „Die Stammbäume neigen heute zur Heckenform. Mit Glück werden Sie Ihre eigene Oma, die können Sie sogar beerben, wenn Sie sie überleben.“ Oder die 14, Alter – das Beste daran: „Gelassenheit. Nichts mehr beweisen müssen, zumal der Beweis keinen mehr interessiert.“ Da fühlen sich auch viele Anwesende angesprochen. Die Top 10 überlässt der philosophische „Blues-Denker“, wie ihn manche nennen, dem Publikum zur ganz persönlichen Einordnung: „Glaube, Hoffnung, Liebe …“. Der Romantiker bricht durch in dem wunderschönen Lied: „Ai laaf juh / Yuh laaf mie / Laafe mer zamme / Wu laafe mer hie?“ Zum Schluss der kitschgefährdete, aber aus dem Herzen kommende Wunsch: „Seien Sie nett zu dieser Welt!“ Es gibt so viele Gründe dafür. „Denn wir sind alle kleine Ärsche, hässlich und gemein …“ Hier darf mitgesungen werden (im Kanon), aber nicht von allen, weil ja nur von kleinen Ärschen die Rede ist. Da haben wir sie noch einmal, die „aufgedrängte Bereicherung“. Übrigens wurde Arnim Töpel 2014 für seine Verdienste um die Sprache mit der Freinsheimer Hermann-Sinsheimer-Plakette ausgezeichnet.

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