Donnersbergkreis Der Gelehrte, den es in die Pfalz zog

Der Begründer der modernen Enzymtherapie: Max Wolf.
Der Begründer der modernen Enzymtherapie: Max Wolf.

Ein Enzym – früher auch Ferment genannt – ist ein Stoff, der aus besonders großen Molekülen besteht und im Organismus eines Lebewesens zur Beschleunigung von chemischen Reaktionen und damit zum Stoffwechsel beiträgt. Die Medizin hat sich diese Eigenschaft zunutze gemacht. Es gibt Arzneimittel, die Enzyme hemmen oder ihre Wirkung verstärken, etwa zur Schmerzlinderung. Als Begründer der modernen Enzymtherapie gilt Max Wolf, der 1976 in Bonn starb und in Sulzbachtal beerdigt wurde. Der Grabstein steht zwischenzeitlich nicht mehr.

In seinem Büchlein „Quelle des Lebens: Enzyme“ schreibt der Medizinjournalist Winfried Miller über Wolf: „Er entwickelte in den 1940er Jahren (…) ein Enzymgemisch, das noch heute in fast unveränderter Zusammensetzung mit großem Erfolg in der Medizin verwendet wird. Es handelt sich um die WoBe-Enzyme – die Bezeichnung setzt sich aus den Anfangsbuchstaben von Max Wolf und seiner Mitarbeiterin (…) Helen(e) Benitez zusammen. 1964 wurde das Medikament WoBe in Deutschland zugelassen. Schon damals – lange bevor wissenschaftliche Studien dies belegten – prophezeite Wolf, dass Enzyme einen überragenden Erfolg etwa bei der Behandlung von Thrombosen, Entzündungen, Virusinfektionen und nicht zuletzt auch von Krebs haben werden.“ Der Erfinder der Enzymtherapie blickte zu dieser Zeit bereits auf einen so beeindruckenden wie kurvenreichen Lebenslauf zurück. 1885 in eine jüdische Wiener Kaufmannsfamilie geboren, studierte er zunächst Hoch- und Tiefbau, arbeitete als Ingenieur und Erfinder, ehe er seine künstlerischen Neigungen entdeckte und k.-u-k.-Hofmaler des greisen Habsburger-Herrschers Franz Joseph wurde. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, befand er sich gerade in New York – und begann dort umgehend ein Medizinstudium. Auch auf diesem Sektor schien ihm der Erfolg in den Schoß zu fallen. Er erwarb seinen ersten von insgesamt sieben Doktortiteln, wurde Universitätsprofessor und führte eine Praxis als Gynäkologe und HNO-Arzt. Außerdem firmierte er als Vertragsarzt der Metropolitan-Oper. Seit den 1930er Jahren widmete er sich überwiegend der Enzymforschung, in der bereits seine beiden Wiener Landsleute Ernst Freund und Gisa Kaminer tätig waren. Sie mussten die Heimat angesichts des Nazi-Terrors verlassen, während Wolf und Benitez in New York ein „Biological Research Institute“ gründeten. „Er stellte fest“, so schreibt sein Biograf Michael Kirmes-Seitz in Wolfs soeben erschienener Lebensgeschichte, „dass die Hemmstoffe im Blut Krebskanker durch kleine Mengen (bestimmter) Enzyme beseitigt werden. (… Diese) Hydrolasen sind im Serum Gesunder an der selektiven Zerstörung maligner (= bösartiger, Anm.) Zellen beteiligt. Auch andere Gesundheitsstörungen konnte er mit Hilfe von Hydrolasen behandeln.“ Schlagzeilen machte – der in der Schulmedizin nicht unumstrittene - Max Wolf, als er den Schriftsteller W. Somerset Maugham von dessen 14-jährigem Malarialeiden kurierte. Im Übrigen liest sich die Liste seiner Patienten wie ein US-amerikanisches Prominentenlexikon. Zu seiner Klientel gehörten Hollywood-Stars wie Charlie Chaplin, Gloria Swanson, Spencer Tracy und Bette Davis, Politiker wie Harry S. Truman und die Kennedy-Sippe, der Maler Pablo Picasso, die Sex-Ikone Marilyn Monroe, die Rockefellers und Vanderbilts, Wirtschaftsbosse und Filmproduzenten, Bankiers und Playboys, Opernsänger und Dirigenten, Sportler und Tänzerinnen, der europäische Hoch- und der amerikanische Geldadel. Weniger wohlhabende Patienten pflegte der renommierte Heiler übrigens auch schon mal gratis zu behandeln. Außerdem setzte er sich während des Dritten Reichs für Emigranten ein. Noch mit 83 Jahren rief Max Wolf in München die „Medizinische Enzym-Forschungsgesellschaft“ ins Leben, bis heute eine Stätte intensiver Forschungsarbeit. Sein dortiger Mitarbeiter und Geschäftspartner Karl Ransberger hat 1994 die Biografie „Max Wolf, ein Leben für die Enzymtherapie“ veröffentlicht. Ihm übergab er sein wissenschaftliches Erbe, ehe er 1976 mit 91 Jahren in einem Bonner Krankenhaus starb. Seine letzte Ruhestätte fand der Professor Dr. mult. weder an der Donau noch am Hudson, sondern in Untersulzbach. Denn aus dem Lautertal stammte seine zweite Frau Margot, mit der er seinen Lebensabend in der Pfalz verbrachte. Margot Albert – Jahrgang 1928 – wuchs mit fünf Geschwistern auf dem Bauernhof der Eltern in Untersulzbach auf. Hier arbeitete sie bis zu ihrem 32. Lebensjahr. Dann entschloss sie sich, wie so viele vor und nach ihr, zum Neuanfang in den Vereinigten Staaten. So kam die Pfälzerin nach New York, wo sie zwei Jahre später eine Anstellung fand als Hausdame bei der ehemaligen Pianistin Edith Berger, genannt Bergée, verheiratete Wolf. Wolfs Biograf Karl Ransberger bezeichnete dessen ebenfalls aus Wien stammende Gattin als „seine wichtigste Bezugsperson“. Aber auch die Pfälzerin scheint eine enge Vertraute gewesen zu sein, denn sie machte den Umzug des kinderlosen Ehepaars von New York ins sonnige Florida mit. Dort starb Edith Berger-Wolf nach schwerer Krankheit und 49-jähriger Ehe. Im Folgejahr heiratete der Mediziner Margot Albert aus Sulzbachtal, „die jahrelang den Haushalt der Familie geführt hatte“, wie Ransberger schreibt. In Sulzbachtal baute Wolf seiner halb so alten Ehefrau ein Haus, der Gemeinde finanzierte er den nach ihm benannten „Wolfsbrunnen“. Seine letzten Lebensjahre verbrachten er und Margot im nahen Weilerbach. Dort ist auch sie im vergangenen Frühjahr gestorben. Der Mann, der zuletzt das Leben der Witwe teilte, ist der gebürtige Geiselberger Hermann Klein, Notariatsrat in Kaiserslautern, Natur- und Wanderfreund, außerdem umtriebiger Sachwalter des Andenkens von Max Wolf. „Sie hat immer gesagt, ich sei ihm so ähnlich“, sagt der 84-Jährige im RHEINPFALZ-Gespräch. Sein reicher, anhand von vielerlei Text- und Bilddokumenten untermauerter Erinnerungsschatz liegt auch diesen Zeilen zugrunde. Zurzeit sichtet und ordnet der schon von Berufs wegen auf Akkuratesse bedachte Senior, der so mitreißend und dennoch sachlich erzählen kann, gerade die Korrespondenz seiner Lebensgefährtin. „Vieles ist halt in englischer Sprache“, sagt er und zeigt dem Interviewer eine Grußkarte, die US-Präsident Richard Nixon an Max Wolf geschrieben hat. Klein besitzt das maschinengeschriebene Manuskript der Wolf-Memoiren, hat vieles zum neuen Buch von Kirmes-Seitz beigetragen und sieht in dem „fast schon in Vergessenheit geratenen“ Professor schlicht „ein Universalgenie“. Schon deshalb hofft er, die Ortsgemeinde Sulzbachtal ebenso wie das Lauterer Theodor-Zink-Museum für eine dauerhafte Würdigung Max Wolfs gewinnen zu können. Es gilt also, dem Propheten zwar nicht im eigenen Land, aber immerhin in der Heimat seiner Witwe zu neuer Geltung zu verhelfen.

Wolf und seine zweite Ehefrau Margot, die 2017 inWeilerbach gestorben ist.
Wolf und seine zweite Ehefrau Margot, die 2017 inWeilerbach gestorben ist.
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