Donnersbergkreis Die Faszination des Einfachen

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Rockenhausen. Dartfieber. Ein Boom bahnt sich an: Jährlich pilgern viele Deutsche in den Londoner „Ally Pally“, um im tobenden Partyvolk die Wurfkunst von Virtuosen wie Michael van Gerwen oder Gary Anderson zu feiern. Und es werden mehr. Durch die neue Popularität steigt auch das Niveau auf nationaler Ebene. Eine Delikatesse: Morgen ab 10 Uhr steigen in Rockenhausen die Internationalen Deutschen Meisterschaften.

Manuel Kramers Revier ist die Bühne. Angestrahlt von grellen Scheinwerfern, präsentiert wie im Theater, vor der aufgebrachten Meute. Dann, sagt Kramer, müsse er „ein starkes Selbstbewusstsein“ zeigen. Er, ein smarter Lohnsfelder mit lichtem Haar, ist nicht gerade ein Dart-Genie, das reihenweise 180er ins Sisal-Board donnert. Nein, „Manu“ Kramer ist Caller (siehe „Nils erklärt“). Also der, der oben, bewaffnet mit einem Mikrofon, die Punkte ausruft. „Wenn du stotterst, macht dich das Publikum hinter dir nieder“, warnt er. Den dreifachen BDO-Weltmeister Martin Adams sagte Manuel Kramer schon einmal an, Größen wie Tony O’Shea. Ted Hankey, das launige „Enfant terrible“ der Dart-Szene, verweigerte ihm mal den Handschlag. Morgen Abend wird das Manuel Kramer wahrscheinlich nicht passieren. Dann „callt“ er das Finale der Deutschen Meisterschaft, belichtet auf der Bühne in der Donnersberghalle. Hier läuft es gesittet ab, fast familiär. „Von den Top 20 sind die meisten da. Es wird hochklassige Spiele geben. Dann sieht man mal, wie nah wir an der BDO und wie weit weg wir von der PDC sind“, beschreibt der Caller das Niveau im Hinblick auf die zwei Weltverbände. Unterschiede zwischen denen sind frappierend: Magere vier, fünf Punkte pro drei Darts fehlen der deutschen Spitze bis zur BDO – 15 bis 20 sind es zur PDC, bekannt aus den Sport1-Übertragungen, wenn das Bier schäumt und kostümierte Verrückte auf den Stühlen tanzen. Martin Schindler, Daniel Zygla, Andy Kröckel. Was in Deutschland Rang und Namen hat, steht in Rockenhausen an den Boards. Auf der Bühne können 95er-Averages fallen. Alles ab 100 ist absolute Weltklasse. „Das ist die Möglichkeit, so ein großes Turnier vor der Haustür mitzunehmen. Mein Training ist im Moment rar, ich gehe rein, mache zwei Spiele, sehe dann weiter“, malt sich Simon Pfeiffer (DSV Donnersberg), vor zwei Jahren unter den letzten 64, kaum Chancen aus. Einen 75er-Schnitt, den kann der 44-jährige Lohnsfelder, früher bei Bundesligist DV Kaiserslautern, an guten Tagen in die Sisal-Borsten knallen. Nicht aktuell, glaubt er. Ein Spaßevent. Das sagt auch Vereinskollege René Wünsche aus Rockenhausen. „Ich will meine Leistung abrufen, meinen Stiefel runterspielen“, fordert er von sich. Heißt: einen Average von 72 bis 75 Punkten. Wenn er „richtig stark“ werfe, so Wünsche, könne er auch an den 80 kratzen. Aber selten. Etappenziel ist das Boardfinale. „Als ich 2011 angefangen hab’, war es noch einfacher zu gewinnen. Die Qualität ist drastisch gestiegen. Nur mit 70 wird es schwer, mitzuhalten“, weiß Wünsche. Und 70 sind wahrlich nicht schlecht. Einer der aufstrebenden Sterne am Pfälzer Dart-Himmel ist derzeit Dominic Wagener. Zweimal räumte der 19-jährige DSVler den rheinland-pfälzischen Juniorentitel ab. Er kann – wenn er im Kopf bei der Sache ist. „Was ich am meisten brauche, ist Ruhe. Ich darf nicht nervös werden und zu viel von mir erwarten“, sagt der Münsterappeler. Verzwickt wird’s für ihn. Als Helfer wird er permanent um die 50 Boards herumwuseln. Konzentration? Schwer. Als heißestes Donnersberger Eisen hätte morgen Michael Bernhardt gegolten. 43 Jahre alt, aus Kirchheimbolanden, mit den Lauterern Deutscher Dart-Mannschaftsmeister 2015. Die Nummer 152 der nationalen Rangliste lässt die Pfeile aber im Mäppchen. Ein gesundheitliches Handicap zwingt ihn zur Pause, er wirkt im Organisationsteam. „Die Stärke der Bundesliga ist noch mal richtig hochgegangen, seit ich vor sieben Jahren begonnen habe. Mit einem 65er-Schnitt konnte man alle Spiele problemlos gewinnen. Heute braucht man 75 bis 80“, beschreibt Bernhardt den frischen Elan. „Für ein Turnier wie die DM muss man Kondition mitbringen.“ Darts, das ist die Faszination am Einfachen. Der Sport ist schnell, Entscheidungen fallen im Minutentakt. Eine emotionale Achterbahn. Und jeder kann ans Board. Weil es halt so unkompliziert ist. „Immer mehr deutsche Talente springen raus. Zwischen 2025 und 2030 werden die ersten Deutschen in die Weltspitze stoßen“, kündigt Caller Kramer an. „Game on!“, wird er morgen Abend vor dem Finale durch die Halle rufen. Lasst die Pfeile fliegen. Info Wer morgen nicht extra nach Rockenhausen in die Donnersberghalle fahren will, kann die Internationale Deutsche Dart-Meisterschaft auch via Live-Stream verfolgen. Der Deutsche Dart Verband überträgt auf ddv-tv.de.

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