Donnersbergkreis Ein abgesagter Vortrag und einige offene Fragen
Es sind keine einfachen Tage für Unkenbachs Ortsbürgermeisterin Anke Schamaitis und ihren Mann Peter. Nachdem die RHEINPFALZ über Vorwürfe berichtete, wonach sich ein angeblich von dem Paar organisierter Vortrag im Dorfgemeinschaftshaus Unkenbach an die Adresse von Sympathisanten der zweifelhaften Reichsbürgerbewegung richten sollte, gibt es kritische Nachfragen. Die Eheleute weisen die Vorwürfe zurück und betonen, sie hätten keine Verbindung zu Nationalisten und Revisionisten.
Wie Peter Schamaitis sagt, war der für 22. Februar geplante Vortrag „Staatenlos im eigenen Land. Wie die BRD versucht, uns die Souveränität zu nehmen“ ursprünglich vom sogenannten „Freundeskreis Bad Kreuznach“ organisiert. Weil Schamaitis dieser Gruppe angehört, habe er sich um einen Veranstaltungsort gekümmert. Eigentlich hätte die Vortragsveranstaltung schon im Oktober in einem Gasthaus in Bad Kreuznach stattfinden sollen. Allerdings hatten die Betreiber die Veranstaltung abgesagt. Als Ausweichmöglichkeit, so Schamaitis, hätte sich das Dorfgemeinschaftshaus angeboten.
Seine Frau, Ortsbürgermeisterin Anke Schamaitis, ergänzt, sie habe durch die Vermietung der Räumlichkeiten eine willkommene Chance gesehen, „einen dreistelligen Betrag im unteren Bereich“ für die Gemeinde einzunehmen. Auf der anderen Seite hätte der „Freundeskreis“ doch noch einen Veranstaltungsort gehabt. Bei dem Zirkel handelt es sich nach Angaben von Schamaitis um eine „dynamische Gruppe“, zu der ungefähr hundert Personen aus dem gesamten Bundesgebiet gehören. Im Zentrum stehen demnach Veranstaltungen, die thematisch von der Gesundheitspolitik bis hin zur Wirtschaftsordnung im Land reichen: „Dem Freundeskreis geht es um Aufklärung. Das hat nichts mit politischem Extremismus zu tun“, betont der 54 Jahre alte Mann. Dennoch hatte er den Vortrag von seinem Urlaubsort aus aufgrund von, wie er sagt, „Ungereimtheiten im Vorfeld“ abgesagt. Den Mutmaßungen, es handle sich dabei um eine politisch fragwürdige Veranstaltung, hätte man nicht aus der Ferne entgegentreten können. Daher habe man sich für die Absage entschieden.
Zuvor hatten Beobachter die Ankündigung für den Vortrag „Staatenlos im eigenen Land. Wie die BRD versucht, uns die Souveränität zu nehmen“ ausgerechnet auf dem Internetblog „Excalibur“ gelesen und einen Zusammenhang zwischen den extremistischen Positionen einiger dort veröffentlichter Beiträge und dem Ehepaar Schamaitis hergestellt. Zumal beide auf der Internetseite nach wie vor namentlich erwähnt werden. So heißt es in einem der auf „Excalibur“ veröffentlichten Schreiben: „Frau Schamaitis, Bürgermeisterin in Unkenbach, stellt dem F. Kreis mit Zustimmung des Gemeinderates das Dorfgemeinschaftshaus nebst Equipment zur Verfügung. Einladungsschreiben nachfolgend.“ Kryptisch und offensichtlich für interne Zwecke gedacht findet sich im gleichen Beitrag folgende Notiz: „Da auch W. P. heimgesucht wurde, verkünde ich hiermit, dass ich lediglich nur noch beratend hinsichtlich ökonomischer und wirtschaftlicher Fragen (z.b. fließendes Geld) tätig sein kann. Ich Bitte um Verständnis und von Rückfragen in dieser Sache Abstand zu nehmen. Das Team wird also jetzt unter der Leitung von Peter Schamaitis alles übernehmen“, heißt es in dem internen Schreiben, das auf „Excalibur“ veröffentlicht wurde.
Der Eintrag sei ohne Wissen des Paares erfolgt, betont Peter Schamaitis. Den Betreiber des Internetblogs – ein Winzer aus Rheinhessen – kenne man nur vom Sehen. Seit Wochen schon versuche man den Mann zu erreichen, um eine Löschung der Einträge durchzusetzen. Bisher vergeblich. Außerdem weist Anke Schamaitis die Behauptung zurück, der Unkenbacher Gemeinderat sei in die Vortragsveranstaltung involviert gewesen.
Dass die Eheleute indes nicht mit „Excalibur“ in Verbindung gebracht werden wollen, ist nachvollziehbar. Wie es vom Verfassungsschutz heißt, ist die Seite der sogenannten Reichsbürgerbewegung zuzuordnen. Dabei handelt es sich um eine politische Strömung, die Deutschlands heutige Staatsgrenzen ebenso ablehnt wie die Verfassung der Republik. Das Ehepaar aus Unkenbach weist eine solche Verbindung zurück und betont, man pflege keine nationalistische oder revisionistische Gesinnung. Also alles nur ein Missverständnis? Viel Wirbel um einen Vortrag, in dem der wieder ausgeladene Reiner Oberüber wirklich nur über die „korrekte Umsetzung des Grundgesetzes nach Artikel § 116“ referiert hätte, wie es in einem Schreiben von der Ortsbürgermeisterin und ihrem Mann heißt? Fragen bleiben offen. Auf verschiedenen Beiträgen im Internet wird deutlich, welche Thesen Oberüber verbreitet. Demnach sei die Bundesrepublik – wie auch die Weimarer Republik – nur eine Verwaltung, kein richtiger Staat. Nach der Abdankung des Kaisers 1918 sei Deutschland rechtlich gesehen nicht mehr souverän. Eine These, die womöglich nicht zufällig Widerhall auf dem Internetblog „Excalibur“ fand. Denn nach Einschätzung des Verfassungsschutzes eint die Anhänger des „Reichsgedankens“ nicht nur das „revisionistische, nationalistische Weltbild“, auch werde „die staatliche Legitimität der Bundesrepublik Deutschland negiert“, heißt es in einem Schreiben der Verfassungsschützer, das der RHEINPFALZ vorliegt. Auffällig auch, dass Oberüber zu diesem Thema ausgerechnet von dem Journalisten Michael Friedrich Vogt für dessen Internet-Sender „Quer-Denken.TV“ interviewt wird. Vogt musste 2007 als Honorarprofessor der Uni Leipzig seinen Hut nehmen, weil er angeblich Kontakte in die rechte Szene hatte.
Dass der Journalist und Dokumentarfilmer 2012 laut Medienberichten in den „Burschenschaftlichen Blättern“ ein „Manifest zur revolutionären Neuordnung“ Deutschlands publizierte und darin unter anderem die „Abschaffung des Parteienstaates“ gefordert und die „gleichgeschaltete Presse“ kritisiert habe, spricht für sich. Auch steht Vogt mit dem Projekt „Aufbruch Gold-Rot-Schwarz“ in Verbindung. Bei Wikipedia heißt es dazu: „Ziel des Projektes ist insbesondere, jene Gruppen zu vereinen, die, wie etwa die kommissarischen Reichsregierungen, Existenz, Souveränität und Legitimation der Bundesrepublik bestreiten.“
Betrachtet man die Zusammenhänge, verwundert es kaum, dass nicht nur Anwohner und Bürger wegen des damals geplanten Vortrags in Unkenbach Alarm geschlagen hatten, sondern auch die Behörden. Wenige Tage vor dem Termin hatten ein Polizeibeamter sowie ein Beamter des Staatsschutzes bei der Verbandsgemeinde Alsenz-Obermoschel vorgesprochen und auf die Veranstaltung hingewiesen.
Die Polizei bestätigt das und betont, man habe annehmen müssen, dass der Vortrag dubiose Zuhörer ebenso anlockt wie mögliche Gegendemonstranten. Immerhin sei für die Veranstaltung auf dem Internetblog „Excalibur“ geworben worden.
Rätselhaft bleibt indes, wie der oben zitierte Schriftwechsel des „Freundeskreises“ zum Betreiber des Internetblogs „Excalibur“ gelangen konnte. Peter Schamaitis sagt, er habe keine Ahnung. Dass ein Mitglied des Freundeskreises die Information weitergegeben hat, schließt er nicht aus. Dies würde bedeuten, ein oder mehrere Mitglieder hätten die teilweise extremistischen Inhalte auf diesem Blog zumindest billigend in Kauf genommen, wenn nicht sogar begrüßt. Wieso sonst sollte ein Interesse daran bestehen, dass auf „Excalibur“ für den Vortrag geworben wird?
Dies zu recherchieren, gestaltet sich schwierig. So will Schamaitis keine Namen oder Kontakte von Mitstreitern aus dem „Freundeskreises“ nennen. Er argumentiert, ihnen könne nicht zugemutet werden, öffentlich mit dieser Geschichte in Verbindung gebracht zu werden. Was und wer genau hinter dem Freundeskreis steckt, ist schwer herauszufinden, zumal es nicht einmal eine Internetseite der Gruppe gibt.
Dass Peter Schamaitis mehrere Jahre bei der „Bürgerrechtsbewegung Solidarität“ (BüSo) aktiv war, 2004 sogar auf deren Liste zur Europawahl aufgeführt war, räumt er selbst ein. „Ich stehe dazu und sehe kein Problem darin“, sagt er. Die Organisation gilt als Teil des politischen Netzwerks des US-amerikanischen Politaktivisten Lyndon LaRouche. Bei der Bundeszentrale für politische Bildung heißt es: „Kritiker werfen der Partei vor, sektenähnlich zu agieren, indem sie ihren Mitgliedern sehr hohes Engagement abverlangen und einen Personenkult um LaRouche betreibe. Einzelne Aussagen können dem linken Spektrum zugeordnet werden. Demgegenüber ist die konkrete Ausgestaltung eher anhand rechter Ideologien konzipiert, weshalb eine klassische Verortung im Parteienspektrum schwierig ist.“