Donnersbergkreis Ein Pulverfass auf dem Berg

Die US-Station nordöstlich von Quirnheim war in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre mehrmals Ziel von Protestmärschen der Friede
Die US-Station nordöstlich von Quirnheim war in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre mehrmals Ziel von Protestmärschen der Friedensinitiative Grünstadt.

Von 1961 bis 1983 waren Nike-Hercules-Raketen nordöstlich von Quirnheim stationiert. Daraus wurde kein Geheimnis gemacht. So waren zur Inbetriebnahme der Station Mitte Mai 1961 deutsche und US-amerikanische Gäste eingeladen, steht in einer Meldung, die sich im RHEINPFALZ-Archiv fand. Nicht erwähnt ist aber in dem Text, dass für die Flugabwehrraketen auf der Abschussbasis atomare Sprengköpfe in unterirdischen Bunkern gelagert wurden.

Es wurde lediglich informiert, dass die Basis ein wichtiges Glied in der Kette zur Verteidigung des Westens durch die Nato sei. Die Bauarbeiten für die Station hatten schon 1960 begonnen: Auf Quirnheimer Gemarkung waren die Unterkünfte für die Soldaten errichtet worden, die Abschussbasis wurde auf Bockenheimer Gelände gebaut und die dazu gehörende Radarstation (Feuerleitbereich) auf Asselheimer Boden. Die Bauern der Region hatten das Vorhaben kritisiert, weil sie den Verlust von 50 Hektar wertvollem Ackerland befürchteten. Der Gemeinderat Bockenheim protestierte bei der damaligen Kreisverwaltung in Frankenthal, die das Schreiben an die Staatskanzlei in Mainz weiter leitete, wie in der RHEINPFALZ vom 14. März 1959 zu lesen war. Bewirkt hatte die Aktion offensichtlich nichts. Zwei Jahre später bezogen 200 Soldaten der US-Army, eine Einheit der 1th US Artillery Group, ihre „Housing“ auf dem Quirnheimer Berg. Im Feuerleitbereich standen fünf Radaranlagen zur Überwachung sowie zur Erfassung und Verfolgung der Ziele. Im Abschussbereich hatten drei Batterien mit je zwölf der Boden-Luft-Raketen Stellung bezogen . In unterirdischen Bunkern lagerten bis 1983 Atomsprengköpfe: Neun sollen es gewesen sein, sagt der langjährige Vorsitzende des Luftfahrtvereins Grünstadt, Ernst Eymann aus Quirnheim. Schon als Kind und Jugendlicher habe er mit Interesse beobachtet, was sich auf dem Berg im Nordosten von Quirnheim tat. Und er erinnert sich, dass so manchem im Ort mit der Zeit dämmerte, welche Waffen hier stationiert waren. Die Soldaten seien gut integriert gewesen, oft zu Gast in den örtlichen Wirtschaften. Man kam ins Gespräch. Das Gelände um den Abschussbereich war bestens gesichert, Tag und Nacht hell beleuchtet. US-Soldaten patrouillierten, die jeden verfolgten, der sich dem Eingangstor näherte. Doch Eymann hatte nicht den Eindruck, dass die Station Ängste bei den Dorfbewohnern schürte. Das habe sich erst geändert, als auch in der Region die Friedensbewegung aktiv wurde, die Station Ziel von Protestaktionen war. Auslöser war der Nato-Doppelbeschluss vom Dezember 1979, der die Stationierung von neuen Atomraketen im Westen vorsah, falls die Sowjets ihre Mittelstreckenraketen in Osteuropa nicht abbauten. Darum war es nicht abwegig, dass die regionale Friedensbewegung befürchtete, dass in Quirnheim und auch auf dem Grünstadter Berg nach dem Abzug der Flugkörper wieder aufgerüstet werde. So standen die neuen Bauarbeiten, die 1984 auf dem Berg bei Quirnheim begannen, unter aufmerksamer Beobachtung. Der Abschussbereich wurde für mobile Batterien der Kurzstreckenraketen vom Typ Patriot vorbereitet. Im Herbst 1986 ging die Station dann wieder in Betrieb. Um Mutmaßungen über angeblich gelagerte Atomsprengköpfe zu beenden, waren im Oktober 1987 Journalisten und Politiker der Region zur Besichtigung eingeladen: Dabei versicherten die Militärs offenbar glaubhaft, dass das Flugabwehrsystem nicht nuklear bestückt sei. Der damalige Landrat ließ mitteilen, dass „man uns mit großer Offenheit begegnet ist, ich mich gut und richtig informiert fühle.“ Sein Gefühl hat ihn nicht getäuscht, Atomsprengköpfe waren in Quirnheim nach dem Abzug der Nikes nicht mehr gelagert. Ab 1994 war dann der Quirnheimer Berg raketenfrei, die Stationierungen der Patriots beendet. Der Unterkunftsbereich, rund zwei Hektar, wurde durch die US-Streitkräfte Ende September 1994 freigegeben. Die militärische Nutzung des Feuerleitareals, etwa ein Hektar, endete am 1. Juli 1996. Der Abschussbereich, rund 8,8 Hektar, wurde bis zum 2. November 2001 militärisch genutzt, informierte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Ein Konversionsprojekt folgte, das laut Ortsbürgermeister Hubert Deubert zur Erfolgsgeschichte wurde. Schon im November 1995 hatte Deubert in einer Ratssitzung informiert, dass die Gemeinde das Areal der früheren „Housing“ kaufen wolle, um dort ein Gewerbegebiet anzulegen. Knapp zwei Jahre später ging das Gelände für 100.000 Mark in den Besitz der Gemeinde über. Ein kleines Gewerbegebiet entstand, wo auch das Motorrad- und Technikmuseum in ein ehemaliges US-Gebäude einzog. Auf der ehemaligen Abschussbasis wurde ab 2007 ein Solarpark angelegt. Die ersten Kollektoren wurden auf den ehemaligen US-Gebäuden montiert. Ein Jahr später war die Erweiterung, zusätzliche Solarmodule in Ständerbauweise folgten. Insgesamt hat der Solarpark jetzt eine Leistung von rund 700 Kilowatt Peak, kann bei optimalen Bedingungen 568.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr liefern. Betreibergesellschaft ist CHG Elektrotechnik Handelsgesellschaft mbH Quirnheim, die das Areal vom Bund gekauft hat. Geschäftsführerin ist Ulrike Eymann, Ehefrau von Ernst Eymann, der in Grünstadt das Unternehmen Elektro-Krück führt.

Mitte der 1980er Jahre war die Raketenstation bei Quirnheim für das Aufstellen von Patriot-Flugabwehrraketen umgebaut worden.
Mitte der 1980er Jahre war die Raketenstation bei Quirnheim für das Aufstellen von Patriot-Flugabwehrraketen umgebaut worden.
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