Donnersbergkreis Eine Tauschbörse für die Gesundheit

Dieses Foto hängt in der Donnersberghalle in Rockenhausen. Die Studenten der Universität Nordhausen nahmen es als „typisch Nordp
Dieses Foto hängt in der Donnersberghalle in Rockenhausen. Die Studenten der Universität Nordhausen nahmen es als »typisch Nordpfalz« in ihre Dokumentation auf.

„Biete Oma – tausche Abenteuer“. Mit diesem Slogan wird auf einem Flyer für die nächsten Rockenhausener Bürgerforen am 24. Oktober und am 8. November geworben. Was sich hinter dieser Aktion verbirgt und wie es zu dieser Tauschbörse kam, das fragte Jutta Glaser-Heuser bei Cordula Borbe nach. Sie ist Professorin für Soziale Arbeit an der Hochschule Nordhausen und leitet das zugrundeliegende Projekt des Pfalzklinikums gemeinsam mit Prof. Steffens aus wissenschaftlicher Sicht.

Professor Borbe, Oma gegen Abenteuer, Opa gegen Tüftler – was steckt dahinter?

Die Tauschbörse ist das Ergebnis aus unseren beiden ersten Bürgerforen in Rockenhausen. Es ist der erste konkrete Ansatz, nachdem es uns zunächst um ein Zusammentreffen mit den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt und der Region ging, das bewusst niedrigschwellig angelegt war. Zunächst zum Hintergrund: Worum geht es bei diesen Bürgerforen? Die Bürgerforen sind Teil der Initiative „Die Pfalz macht sich/dich stark“ des Pfalzklinikums. Dabei geht es um die Resilienzen, also um die Widerstandkräfte, der Menschen. Die Frage ist, und das ist das Spannende daran, was hält einen Menschen gesund? Der Ansatz war ja bislang genau umgekehrt. Man hatte im Blick, warum Menschen psychisch erkranken. Was ihnen im Leben fehlt, was sie belastet. Hier wollen wir das Augenmerk darauf richten, was speziell im ländlichen Raum dazu beiträgt, dass Menschen gesund bleiben. Und das wollen Sie in Bürgerforen klären? Nicht nur da. Wir hatten ja als Einstieg gemeinsam mit Studierenden 16 Ortschaften „erkundet“ und dabei mit den Menschen auf der Straße Kontakt aufgenommen, mit ihnen Interviews geführt und, soweit das ging, uns an Aktivitäten im Donnersbergkreis beteiligt. Man nennt das in wissenschaftlichem Jargon Sozialraumbegehungen. Haben Sie ein Beispiel? Die Studierenden waren beispielsweise dabei, wenn der Bäckerwagen in Ortschaften kam. Oder sie waren dabei, als in Teschenmoschel eine kirchliche Veranstaltung stattfand, bei der es ebenfalls um die Frage ging, wie die Menschen gesund leben und bleiben können. Und wie haben die Nordpfälzer auf die Studenten und ihre Fragen reagiert? Sehr unterschiedlich. Manche waren eher reserviert, andere haben gerne mitgemacht. Und die Ergebnisse? Die Vereine wurden als wichtiger Motor für die Gemeinschaft identifiziert – allerdings sind sie durch Nachwuchsmangel gefährdet. Die Menschen begreifen Gesundheit in erster Linie als das Funktionieren des Körpers und die Angst vor einem medizinischen Notfall ist groß. Seelische Gesundheit steht da nicht im Mittelpunkt. Außerdem wird die Natur als wichtige Ressource für Gesundheit und Wohlfühlen gewertet. Auch der Besitzstand ist sehr wichtig und meist auch der Grund für die Sesshaftigkeit. Und mit diesen Ergebnissen gingen Sie dann in die Bürgerforen? Nein, in die gingen wir völlig offen. Wir wollten sehen, was die Menschen mitbringen. Das erste Forum war auch mit mehr als 30 Teilnehmern recht gut besucht. Es zeigte sich, dass die Menschen hier besonders stolz sind auf das Klima und die Natur, aber beispielsweise auch auf die Firmen vor Ort, das barrierearme Schwimmbad und auf die guten Beziehungen untereinander. Es gab auch Ideen, wie man weiterarbeiten könnte, beispielsweise die Jugend mehr einbinden, Bürgerinitiativen initiieren und andere Möglichkeiten, sich aktiv zu beteiligen. Als Faktoren, die die Gesundheit der Menschen hier stärken, wurden beispielsweise genannt: der wertschätzende Umgang der Menschen untereinander, der Kontakt mit Tieren, Ruhe, die Landschaft und die Fahrradwege. Als verbesserungswürdig wurden die ärztliche Versorgung, Gemeinschafts-Aktionen und die Breitbandversorgung gesehen. Aus all diesen Ideen haben sich dann für das zweite Bürgerforum die Schwerpunkte Mobilität, „Gesund bleiben“, junge Menschen und Digitalisierung ergeben. Und wie war die Resonanz beim zweiten Forum. Das blieb schon hinter unseren Erwartungen zurück, was möglicherweise an dem offenen Konzept lag. Deshalb haben wir jetzt das Konzept etwas verändert. Was heißt das? Wir haben ein konkretes Projekt aus den Ergebnissen unserer Forschung anvisiert, nämlich eine Tauschbörse. Die zu füllen soll nun Aufgabe der Bevölkerung sein. Getauscht werden sollen Dienstleistungen. Also eben: Tausch Oma, biete Abenteuer. Ein älterer Mensch, der Kinder mag, darf sich als Oma oder Opa einbringen. Dafür kann ein jüngerer Mensch beispielsweise Botengänge übernehmen. Aber die Möglichkeiten bei dieser Tauschbörse sind fast unbegrenzt. Damit das Vorhaben anläuft, haben wir auch unser Einladungsmanagement verändert. Wir haben Vereinsvertreter und -vertreterinnen und Kirchen beispielsweise direkt eingeladen, sich bei dieser Tauschbörse einzubringen. Kennen Sie Beispiele aus anderen Orten, wo so etwas funktioniert? Es gibt die digitalen Dörfer, wo das Tauschprinzip in anderer Form über das Internet läuft, aber ich halte das für eine tolle Sache. Was wünschen Sie sich für die beiden letzten Foren? In erster Linie viele Teilnehmer. Ich würde mich sehr freuen, wenn diese Tauschbörse zustande käme. Sie könnte ein großer Gewinn sein für die Region, und sie würde auf jeden Fall einen neuen Raum schaffen für das, was die Menschen mit Gesundbleiben verbinden, nämlich für Begegnungen. Aber dafür braucht es natürlich in erster Linie Teilnehmer. Und wenn das nicht klappt? War dann die ganze Aktion umsonst? Nein, das denke ich keinesfalls. Ich bin sicher, dass es ein Schritt war zu einem Bewusstsein in der Frage: Was hält mich gesund? Was ist wichtig für meine Gesundheit, wofür muss ich mich also einsetzen? Wenn das erreicht wurde, dann ist das schon ein großer Schritt. Info Die nächsten Bürgerforen zur Resilienzinitiative des Pfalzklinikums „Die Pfalz macht sich/doch stark“ mit dem Schwerpunktthema Tausch-dich-gesund-Börse finden am Mittwoch, 24. Oktober, und am Donnerstag, 8. November, jeweils um 18 Uhr in der Donnersberghalle Rockenhausen im roten Saal statt.

Prof. Cordula Borbe
Prof. Cordula Borbe
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