Donnersbergkreis Ernüchterndes Urteil des Rechnungshofes zur Reaktivierung der Zellertalbahn

2020 werden die Züge auf der Zellertalstrecke nicht fahren. Wie es weitergeht, erscheint erstmal ungewiss.
2020 werden die Züge auf der Zellertalstrecke nicht fahren. Wie es weitergeht, erscheint erstmal ungewiss.

Seit Monaten hängt die lange erwartete Landesförderung für die Sanierung der Zellertalbahn am Landesrechnungshof. Der hat sich nun geäußert – und das Urteil ist ernüchternd. Der am Donnerstag vorgelegte Jahresbericht moniert „ungeklärte Fragen“ und „finanzielle Risiken“ für den Landkreis. Das möchten diejenigen, die die Züge wieder rollen sehen wollen, so nicht stehen lassen.

Im Einzelnen rügt der Rechnungshof, dass Kernaspekte für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit des auf acht Millionen Euro taxierten Projekts nicht berücksichtigt, Annahmen zum künftigen Betrieb nicht geklärt seien. Ob die Strecke ausreichend tragfähig für den Güterverkehr sei, sei nicht untersucht worden, ebenso, ob Schallschutzmaßnahmen nötig würden. Zudem fehlten „konkrete Zusagen von Transportunternehmen, die ein ausreichendes Schienengüterverkehrsaufkommen und entsprechende Einnahmen“ sicherstellten. Die Höhe der Pacht, die an die DB Netz zu leisten sei, liege mit 36.000 Euro um das Zehnfache über der, die der Donnersberg-Touristik-Verband derzeit zahle, geben die Prüfer weiter zu bedenken. Das touristische Wertschöpfungspotenzial sehen sie überschätzt. Auch wenn die „ambitionierten Annahmen“ der Nutzen-Kosten-Untersuchung erreicht würden, wären die Züge selbst an den nachfragestärksten Tagen nur zu 30 Prozent ausgelastet.

„Das Vorhaben birgt wirtschaftliche Risiken, die die dauernde Leistungsfähigkeit des hoch verschuldeten Donnersbergkreises weiter gefährden“, so die Einschätzung des Rechnungshofes, der die Investition nur vertretbar sieht, wenn die Strecke neben dem Ausflugsverkehr „auch in ausreichendem Maße für den Güterverkehr genutzt wird“. Ansonsten biete ein Ausflugsverkehr mit Bussen bei Wirtschaftlichkeit, Barrierefreiheit, Erreichbarkeit touristischer Ziele und bei der Emissionsbelastung „deutliche Vorteile“. Für ungeklärt hält der Rechnungshof, ob der Einsatz von Regionalisierungsmitteln zur Finanzierung von saisonalem Ausflugsverkehr zulässig sei.

Herzog: „Einseitige Sicht“

Die Prüfung sah Bundestagsabgeordneter Gustav Herzog (SPD), der sich seit Jahren für die Strecke stark macht, am Donnerstag zwar als „wichtigen Meilenstein“ auf dem Weg zur wirtschaftlichen Realisierung des Projektes. „Aber die sehr einseitige Sicht auf die Haushaltssituation des Donnersbergkreises sowie die fehlende Betrachtung der positiven Entwicklung im Tourismus helfen nicht, die Wirtschaftlichkeit der Reaktivierung zu verbessern, sondern blockieren eine dringend notwendige angebotsorientierte Politik für den ländlichen Raum“, so Herzog, der dem Verkehrsausschuss des Bundestages angehört.

Auch blende der Rechnungshof die „klimapolitisch getriebene neue Verkehrspolitik des Bundes völlig aus“. Der Bund stocke für die Länder zur Stärkung des Schienenpersonen- Nahverkehrs und für neue Verwendungszwecke wie Reaktivierungen Mittel deutlich auf – von 333 Millionen 2020 auf 666 Millionen 2021 und eine Milliarde Euro in 2022 (bei weiteren Steigerungen in den Folgejahren) und schaffe im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz neue Möglichkeiten. Darüber hinaus könne der laufende Betrieb durch die Erhöhung der Regionalisierungsmittel ausgeweitet werden. „Wer jetzt auf die Bremse tritt, riskiert, den günstigen Zeitpunkt zu verpassen. Das Land muss nun deutlich machen, dass nicht nur der Rheinland-Pfalz-Takt ein verkehrspolitisches Aushängeschild ist, sondern der ländliche Raum auch tatsächlich weiter erschlossen wird“, so Herzog.

Guth: „Können jeden Kritikpunkt widerlegen“

Mächtig verärgert war Landrat Rainer Guth. „Wir können jeden einzeln aufgeführten Kritikpunkt mit Sachargumenten widerlegen.“ Genau das wolle er auch in einem Gespräch mit dem Rechnungshof tun. Gerade mit Blick auf den Klimaschutz sei eine Reaktivierung der Strecke noch nie so wichtig gewesen wie heute. Schon deswegen könne er die aufgeführte Variante eines Ausflugsbusverkehrs nicht nachvollziehen. Ein für Guth aber noch viel wichtigerer Punkt: Ein ausgedehnter Ausflugsverkehr auf der Zellertalbahnstrecke werde nicht nur von Touristen, sondern auch von Pendlern genutzt. Hinzu komme der Güterverkehr auf der Schiene. Interesse von Unternehmen daran sei sehr wohl vorhanden. „Aber natürlich unterschreibt keiner einen Vertrag, wenn er nicht weiß, ob die Strecke überhaupt reaktiviert wird.“

Schieneninfrastruktur gehöre genauso wie der vorgesehene Breitbandausbau zur Daseinsvorsorge. Und das Projekt am verschuldeten Landkreis festzumachen, gefällt dem Landrat ebenfalls nicht. „Hier gibt es eine überregionale Bedeutung, auch die Landkreise Alzey-Worms und Kaiserslautern profitieren von einer Reaktivierung, weil die Bahn in diesen Bereichen ebenso fahren wird. Es wird aber an uns festgemacht, weil wir der Projektträger sind.“ Ebenso kann Guth die Zweifel des Rechnungshofes, ob der erwähnte Einsatz von Regionalisierungsmitteln zulässig ist, nicht nachvollziehen. Es gebe eine gutachterliche Bestätigung und auch eine Bestätigung von Seiten des Bundes. Hier betonte Guth nochmals, dass es sich nicht rein um den Ausflugsverkehr, sondern auch um Pendler drehe.

Regelverkehr bleibt langfristiges Ziel

Aufgegeben hat Guth das Projekt Reaktivierung der Zellertalbahn wegen des Berichtes keinesfalls. Das langfristige Ziel bleibe, die Bahn in den Regelverkehr zu bekommen. Und auch die Vision, dann eine Lücke von Marnheim nach Kirchheimbolanden zu schließen, sei weiterhin vorhanden. Sollte die Bahn bereits mit ausgedehnten Fahrtzeiten wieder auf der Schiene sein, würde der Landrat gerne in einem nächsten Schritt einen Pendelverkehr mit Bussen vom Bahnhof in Kirchheimbolanden zum Bahnhof Marnheim passend zu den Fahrtzeiten der Züge einrichten. „Uns fehlt von Kirchheimbolanden aus einfach die Anbindung nach Kaiserslautern, gerade auch für Schüler.“ Ähnlich sei es in Richtung Worms. Denkbar sei nicht zuletzt eine Variante, dass die Bahn oder das Land die Strecke im Zellertal übernehme. „Wenn man diesen Bericht des Rechnungshofes liest, kann man alle Schönwetterreden über gleichwertige Lebensverhältnisse in den Wind schießen“, so Guth.

Klar machte er aber auch, was bereits bekannt war: 2020 werde es nichts mehr mit einer Reaktivierung der Strecke. „Das muss ja zunächst ausgeschrieben und dann muss gebaut werden. Entscheidend ist für uns, dass wir 2021 ans Netz gehen können.“

Der Förderverein Eistalbahn, von Anfang an für den Ausflugsverkehr engagiert, äußerte sich empört und kritisierte, dass der Rechnungshof mit veralteten Informationen argumentiere.

Schlag vor den Kopf

Für diejenigen, die sich mit viel Herzblut für die Zellertalbahn einsetzen, ist dieses Votum des Rechnungshofs ein Schlag vor den Kopf. Wenn am Ende noch davon die Rede ist, dass „Ausflugsbusse“ die sinnvollere Alternative sein sollen, mag sich mancher gar verhöhnt fühlen. Ein solcher Vorschlag lässt zumindest nicht erkennen, dass der Sinn des Projektes bedacht wurde. Das Potenzial der Strecke in einer Verkehrspolitik, die schon aus Umweltgründen verstärkt auf die Bahn setzt, mahnt Bundestagsabgeordneter Gustav Herzog zu Recht gegenüber kurzfristigen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen an. Auch die mögliche Rolle als Ost-West-Achse Richtung Kaiserslautern ist perspektivisch von hohem Wert. Klar, dass die Entscheidung des Landes zugunsten der lange versprochenen hohen Förderung mit diesem Votum schwierig geworden ist. Klar scheint aber ebenso, dass die vielen Kämpfer für die Reaktivierung der Zellertalbahn – die unter betroffenen Anwohner natürlich auch Kritiker hat – die Hände nun nicht in den Schoß legen werden.

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