Donnersbergkreis Im freien Fall

Die beiden Turbomeca Arriel Triebwerke brachten den Hubschrauber mit geschmeidigen 1700 PS auf rund 280 Kilometer pro Stunde, Stundenkilometer, ka-em-ha. (Anmerkung des Autoren: siehe Folge 2). Der Eurocopter AS 365 N3 Dauphin schoss in einem steilen Flugmanöver über die A 63 in Richtung Donnersberg. Weichmeier griff zu einer Papiertüte, die ihm der Pilot vor dem Start in die Hand gedrückt hatte, und übergab sich wort- aber nicht geräuschlos. Es hatte ihm im Vorfeld einige Überredungskunst abverlangt, die Hubschrauberbesatzung des Intensiv-Transporthubschraubers der „Air Rescue Palatina“ von diesem Sondereinsatz zu überzeugen. An einen Polizeihubschrauber war Weichmeier in der Kürze der Zeit und mangels direkter Verbindungen zur Leitstelle einfach nicht herangekommen. Normalerweise hätte er in einem solchen Fall seinen Freund und Ex-Chef Siegfried Schlosssieger angerufen und ihn quasi um Amtshilfe gebeten. Aber eben um den ging es ja bei diesem Einsatz. So hatte am Ende wohl vor allem das Argument gezählt, dass Weichmeier versprochen hatte, den Einsatz der Luftretter gegenüber den Schreiberlingen von der Rhoipalz lobend zu erwähnen, wenn man bei der dann einzuberufenden Pressekonferenz die Details zur Rettung des ehemaligen Ersten Hauptkommissars bekannt geben würde. Nach den politischen Verwerfungen rund um die Stationierung des Intensivtransport-oder-doch-Rettungs-Hubschraubers in Sembach in den letzten Wochen käme den Luftrettern etwas positive Presse wohl gerade recht. Zwei Stunden später hatte sich der Magen von Walter Weichmeier wieder etwas beruhigt, nicht aber sein Gemüt. Mehrfach hatten sie nun den gesamten Donnersbergkreis überflogen. Dank der großen Reichweite des Eurocopters waren 800 Kilometer Flugstrecke am Stück kein Problem. Weichmeier hatte versucht, irgendwo eine Auffälligkeit zu entdecken – oder zumindest den Wagen von Siegfried Schlosssieger. Aber von beiden keine Spur. Selbstverständlich hatte Weichmeier auch längst versucht, seinen Ex-Chef auf dessen Mobiltelefon zu erreichen. Ebenfalls ohne Erfolg. Schlosssieger war einer der wenigen Menschen, die sich erfolgreich weigerten, ein neues Smartphone anzuschaffen. Stattdessen nutzte er noch immer voller Freude sein Nokia 3210 – mit innovativer T9-Funktion und sogar Vibrationsalarm. Das 151 Gramm leichte Telefon mit monochromem Display hatte nicht nur drei Spiele an Bord, sondern auch eine Akkulaufzeit von bis zu 260 Stunden. „Da ist dein Apfel-Phone schon lange tot“, hatte Schlosssieger immer verächtlich zu ihm gesagt, wenn Weichmeier versucht hatte, ihn von einem neuen Smartphone zu überzeugen. Was Weichmeier stutzig machte, war die Tatsache, dass unter der Nummer von Schlosssieger bereits nach wenigen Sekunden Klingeln eine Computerstimme ran ging, die in irgendeiner Fremdsprache irgendein Kauderwelsch von sich gab. Wäre es möglich, dass sich Schlosssieger gar nicht mehr in Deutschland befand? Dass er von Kriminellen ins Ausland verschleppt worden war? Dass demnächst vielleicht eine Lösegeldforderung in der Wache in Kibo einging? Weichmeier schob diese Gedanken lieber rasch beiseite. Der Hubschrauber war mittlerweile nach Sembach zurückgekehrt. Weichmeier verabschiedete sich von den Luftrettern, stieg in Dörthes Fiat 500 und steuerte den Wagen die L 394 entlang Richtung Sippersfeld und weiter Richtung Breunigweiler. Weichmeier ließ seine Gedanken und seinen Blick über die Landschaft, die Straßen, die Häuser schweifen. Kurz vorm Ortausgang blickte er auf eine Scheune, deren Tor halb geöffnet war. Der Fiat hatte das Grundstück schon fast passiert, da brachte ihn Weichmeier mit einer abrupten Vollbremsung und quietschenden Reifen zum Stehen. Weichmeiers Hände umklammerten zitternd das Lenkrad. Versteinert blickte er auf das offene Scheunentor. Im Halbdunkel dahinter erkannte er die Umrisse einer Person. Die Beine baumelten einen halben Meter über der Erde ... Was es mit der erschreckenden Entdeckung auf sich hat, lesen Sie schon morgen an dieser Stelle

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