Donnersbergkreis In Sankt Alban gibt’s Grund zum Strahlen

Gruppenbild in herrlichem Ambiente: Rund 25 „Delwer“ hatten sich am Treffpunkt in der Ortsmitte zum RHEINPFALZ-Dorfspaziergang e
Gruppenbild in herrlichem Ambiente: Rund 25 »Delwer« hatten sich am Treffpunkt in der Ortsmitte zum RHEINPFALZ-Dorfspaziergang eingefunden. Einige Nachzügler sind später noch dazu gestoßen.

Sie haben Bio-Solar-Häuser, Wundererde, einen Puppenspieler – und bald sogar vernünftiges DSL. Der Rundgang durch Sankt Alban hat einige Höhepunkte zu bieten.

„Wir haben zwei Industriegebiete: Im Süden Gerbach, im Norden Gaugrehweiler.“ Selbstbewusst sind sie schon mal, die Sankt Albaner, die im Volksmund nur „Delwer“ heißen. Und humorvoll auch: Denn die Spitze gegen die größeren Nachbargemeinden hat der frühere langjährige Wehrführer Norbert Weilacher mit einem Augenzwinkern in die Runde geworfen. Selbstbewusstsein und Humor: Diese Eigenschaften haben auch die übrigen rund 30 Bewohner offenbart, die am Mittwoch zum Dorfspaziergang mit den RHEINPFALZ-Redakteuren Sebastian Stollhof und Rainer Knoll gekommen sind. Ein weiteres Attribut ließe sich ergänzen: Zufriedenheit. Dazu trägt die idyllische Lage im Appeltal bei. Am Treffpunkt, dem Platz vor der Feuerwehr, ist vom Verkehr auf der L 400 nichts zu sehen und hören: Die Hauptstraße schneidet das Dorf nur am Rand – mit dem positiven Effekt, dass hier im alten Ortskern die Kinder fast ungehindert „brummen“ können. Diese Ruhe ist wohl einer der Gründe dafür, „dass wir derzeit nur einen Leerstand im Dorf haben“, wie Ortsbürgermeisterin Petra Becher beim steilen Gang hinauf ins Neubaugebiet stolz erzählt. Und es seien längst nicht nur Menschen aus der Region, die frei werdende Häuser in Sankt Alban erwerben und renovieren. „Die Menschen ziehen beispielsweise auch aus dem Rhein-Main-Gebiet hierher“, so Becher. Da lässt es sich verschmerzen, dass von den vor Jahren erschlossenen zwölf Bauplätzen noch vier zu haben sind. Zumal die freien Flächen von hier oben eine herrliche Aussicht ermöglichen. Auf Wunsch einer Bürgerin ist sogar eine Ruhebank aufgestellt worden. Dreht man den Kopf nach links, fällt der Blick auf ein Aushängeschild der Gemeinde: den Sonnenpark, der vor 20 Jahren mit dem Bau des ersten Bio-Solar-Hauses seinen Ursprung hatte. Heute hat die Becher GmbH 25 Mitarbeiter und mit der energieeffizienten Bauweise über 400 Gebäude errichtet. In sechs Häusern kann man zudem Probewohnen. Der zu Sankt Alban gehörende Hengstbacherhof ist ein weiteres Beispiel dafür, dass sich Idylle und Wirtschaftskraft nicht ausschließen müssen: Die von der Firma Palaterra produzierte, auf die Terra Preta der südamerikanischen Indios zurückgehende Pflanzerde sorgt ebenfalls weit über die Region hinaus für Schlagzeilen. Hier wie da sind auch einige „Delwer“ beschäftigt, „über diese Arbeitsplätze sind wir froh“, betont Becher. Eine Produktion ganz anderer Art beherbergt ein Wohnhaus im Neubaugebiet: Hier hat der Schau- und Puppenspieler Michael Pietsch schon über 200 Handpuppen und Marionetten für große Theater gefertigt. Während er gerade in der Schweiz unterwegs ist, lässt seine Mutter die Besucher einen Blick in die Werkstatt werfen. Auch die Einheimischen staunen angesichts der vielen Puppen, die hier hängen – darunter die Rolling Stones. Wie üblich bei den Dorfspaziergängen, geht es auch in Sankt Alban viel um Geschichte. Da ist etwa die Alte Schule: „Acht Klassen waren hier einmal drin“, erzählt Bernd Becher. Das Gebäude – später unter anderem als Gaststätte genutzt, mittlerweile in Privatbesitz – muss Ende 1890 erbaut worden sein, sagt Volker Langguth-Wasem, der sich intensiv mit der Dorfgeschichte beschäftigt. Die „Delwer“ verbinden nicht nur schöne Erinnerungen mit dem Gebäude. Im Januar 1945 habe direkt nebenan eine Bombe eingeschlagen, während die Schüler im Unterricht saßen, berichtet Bernd Becher, einer der Ältesten heute. „Der Lehrer hat hervorragend reagiert, den Schülern gesagt, dass sie hinter die Bänke sollen“, sagt der frühere Ortschef Herbert Wasem. Die Rede ist auch von der 1719 erbauten Unter- und der noch früher errichteten Obermühle, vermutlich das älteste Gebäude in „Delwe“. Der pfälzische Name für Sankt Alban ist übrigens durch mittelalterliche Lautverschiebungen entstanden. Alle anderen Theorien verweisen die Bewohner ins Reich der Fabeln. In der Kirchgasse, die es mit ihrem herrlichen Ambiente in jedes Tourismus-Prospekt schaffen könnte, berichtet Langguth-Wasem von einer Besonderheit: Als die ehemalige Kapelle um das Jahr 1910 abgerissen worden ist, hat man die heutige protestantische Kirche nicht auf der für Gotteshäuser üblichen Ost-West-Achse, sondern in Nord-Süd-Ausdehnung errichtet – „weil es städtebaulich schöner gewesen ist“. Viele Geschichten kann Johanna Schläfer erzählen. Die älteste Bürgerin des Dorfes sitzt auf einer Bank im malerischen Innenhof des Anwesens im Schafgraben. Im Beisein des mit 16 Wochen jüngsten „Dorfspaziergängers“ Aaron plaudert die geistig fitte 96-Jährige über die Treffen der Senioren, die jahrelang hier zusammenkamen. Auch der damalige Gerbacher Hausarzt Hermann Koch „war öfter da und hat reihum jedem seine Grippespritze gegeben – hat immer geholfen“, erzählt Schläfer schmunzelnd. Die Treffen sind aus Altersgründen inzwischen passé. Generell machen die „Delwer“ keinen Hehl daraus, dass manche Entwicklungen auch an ihrem Dorf nicht vorbeigehen. Die einstmals drei Gastwirtschaften sind mittlerweile geschlossen, die zwei Kolonialwarenläden oder eine Wagnerei auch. Den Verlust dieser Kommunikationszentren kompensieren die Sankt Albaner durch ihre starke Dorfgemeinschaft. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Delwer Bürgertreff, zünftig gefeiert wird aber auch auf dem Platz an der Feuerwehr. Maibaum-, Glühwein- oder Brunnenfest, „Bunter Abend“ (statt Prunksitzung) an Gründonnerstag, Kerwe, ein Fußball-Tippspiel mit Abschlussfahrt am Saisonende, mehrfach im Jahr die Gestaltung des Kreisels am Buswendeplatz – an Terminen zum geselligen Beisammensein mangelt es nicht. Und es ist keine Floskel, dass alle willkommen sind. Als Beispiel nennt Volker Langguth-Wasem die syrische Flüchtlingsfamilie, die seit mehr als einem Jahr im Ort lebt und um die er sich zusammen mit seiner Ehefrau Ingeborg kümmert: Sie seien so gut integriert, „dass die Kinder inzwischen perfekt Nordpfälzisch sprechen“. Elin (4) und Ivan (6), die den Kindergarten in Würzweiler besuchen, haben beim Rundgang sichtlich ihren Spaß. Stolz ist man auch auf die „prima funktionierende Feuerwehr“. 20 Aktive gibt es derzeit, „da kann man nix sagen“, so Weilacher zufrieden. Wie andere bedauert er dagegen, dass der Fanfarenzug derzeit nicht mehr aktiv ist. Demnächst geht auch noch ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung: Sankt Alban soll schnelles Internet bekommen. Derzeit gibt es eine Funk-Lösung über einen ortseigenen DSL-Verein. Die Firma Pfalz-Connect will künftig Geschwindigkeiten von bis zu 50 Mbit/s anbieten (wir berichteten). Es gibt also viele Gründe für die „Delwer“, zufrieden zu sein. Und selbstbewusst. Einer fragt: „Wissen Sie, was ich einem Kölner antworte, wenn er sagt, Ihr lebt doch am A... der Welt hier?“ Schulterzucken. „Köln ist am A... der Welt – das liegt 200 Kilometer von hier.“ Der Mann stammt ursprünglich aus Norddeutschland ...

Voll integriert: die Flüchtlingskinder Elin und Ivan.
Voll integriert: die Flüchtlingskinder Elin und Ivan.
Puppenstube: Der aus Sankt Alban stammende Michael Pietsch hat für große Theaterbühnen schon mehrere hundert Handpuppen und Mari
Puppenstube: Der aus Sankt Alban stammende Michael Pietsch hat für große Theaterbühnen schon mehrere hundert Handpuppen und Marionetten gefertigt. Mutter Karin gewährte Einblicke in seine Werkstatt.
Ein Ort, zwei Namen: Durch Mittelalterliche Lautverschiebung wurde aus Sankt Alban Delwe.
Ein Ort, zwei Namen: Durch Mittelalterliche Lautverschiebung wurde aus Sankt Alban Delwe.
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