Göllheim „Jüdisches Leben in Göllheim“ – Von der Ausstellung zum Buch

Die drei Verfasser Manfred Nachbauer, Johann Schaffer und Dieter Chormann (von links) .
Die drei Verfasser Manfred Nachbauer, Johann Schaffer und Dieter Chormann (von links) .

Vor vier Jahren gab es im Museum Uhl’sches Haus eine Ausstellung zum Thema „Jüdisches Leben in Göllheim“. Jetzt haben die damaligen Macher, Dieter Chormann, Manfred Nachbauer und Johann Schaffer, ein Buch zum gleichen Thema herausgebracht.

Mehrere Monate lang wurde die Ausstellung „Jüdisches Leben in Göllheim und die Verfolgung der Göllheimer Juden während der Zeit des Nationalsozialismus“ 2018 in Göllheim gezeigt. Sie war anlässlich der 80. Wiederkehr der Reichspogromnacht als Veranstaltung der Ortsgemeinde und des Kulturvereins zusammengestellt worden. In dieser Nacht des 9. November 1938 hatte überall in Deutschland ein entfesselter Mob staatlich gefördert Übergriffe auf Juden und ihre Häuser, Geschäfte und Synagogen verübt – auch in der Nordpfalz und eben auch in Göllheim. „Nach dem Ende der Ausstellung blieb bei allen Beteiligten der Wunsch nach etwas Bleibendem. Aus diesem Wunsch heraus ist das vorliegende Buch entstanden“, sagte Ortsbürgermeister Dieter Hartmüller bei der Buchvorstellung im Haus Uhl.

Ihr Schicksal soll nicht vergessen werden

Er verwies dabei auf das Talmud-Zitat „Das Geheimnis der Erlösung ist die Erinnerung“, das auch die letzte Seite des Buches schmückt. Das Schicksal der Göllheimer Juden dürfe nicht nur nicht vergessen werden, es sei auch daran gedacht, sich aktiv damit zu beschäftigen, etwa in Zusammenarbeit mit den Schulen der Gemeinde. Und auch im Museum Uhl’sches Haus soll es künftig eine Multimedia-Station geben, an der man sich über dieses Thema informieren kann.

Jüdisches Leben in Göllheim gibt es urkundlich nachweisbar seit der Mitte des 16. Jahrhunderts. Wie Mit-Buchautor Dieter Chormann ausführte, wurde damals bei einer Verhandlung am Reichskammergericht ein Jude aus Göllheim als Zeuge vernommen. Undokumentiert lebten Juden aber wohl bereits viel länger in der Gemeinde, wie die Autoren vermuten.

Gemeinde im 19. Jahrhundert am größten

Im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Gemeinde am größten. Der erste, seit dem 18. Jahrhundert genutzte Friedhof, war bereits 1889 voll belegt. Da nach jüdischem Ritus Grabstellen nicht mehrfach genutzt werden dürfen, wurde ein neuer Friedhof erforderlich. Seit 1850 besaß die Gemeinde, die bis dahin auf einen Betraum in einem Privathaus angewiesen war, auch eine eigene Synagoge. Bei deren Einweihung waren auch die protestantische und die katholische Kirchengemeinde sowie die politische Gemeinde vertreten, was die Autoren als Hinweis auf ein gutes Verhältnis untereinander interpretieren. Das Buch widmet den Friedhöfen und der Synagoge, von der Abbildungen sowie anlässlich einer größeren Reparatur im Jahr 1911 angefertigte Pläne existieren, jeweils ein eigenes Kapitel.

Dabei wird auch nicht verschwiegen, wie die politische Gemeinde die Situation ausnutzen wusste, indem der Bürgermeister 1938, noch vor der späteren Zerstörung des Synagogen-Innenraumes, ein Kaufangebot mit dem Zusatz „als Kaufpreis kann nicht der normale Bauwert in Frage kommen, sondern nur ein niedriger Anerkennungspreis“ versah. Letzten Endes ging die Synagoge nach der Zerstörung in den Besitz der Gemeinde über und wurde 1949 an die Jüdische Kultusgemeinde der Pfalz übertragen, die sie 1970, durch Vernachlässigung inzwischen baufällig geworden, wieder an die Gemeinde verkaufte, die sich seit Kriegsende darum bemüht hatte. Mit Zustimmung der Kultusgemeinde wurde das Gebäude dann 1971 abgerissen.

Göllheimer Bürger unterlaufen Boykott

Das besonders umfangreiche Schlusskapitel widmet sich den Namen und, soweit bekannt, den Biographien der jüdischen Bürger während der Nazizeit und den Schikanen, die sie ab 1933 erdulden mussten, bis hin zu lokalen Boykottmaßnahmen – die aber zum Teil von Göllheimer Bürgern unbeeindruckt unterlaufen wurden, wie das Kapitel ebenfalls zeigt: Während sich vor dem Geschäft des Einzelhändlers Sally Hecht SA-Männer postiert hatten, gingen mutige Göllheimer Hausfrauen einfach durch die Hintertür einkaufen.

Besonders bedrückend sind die Auflistungen von ermordeten Göllheimer Juden – mit Namen, Geburtsdatum, Deportationshistorie, Todesdatum und Todesort, von einigen von ihnen existieren auch regelrechte Kurzbiographien. Dass über einige Bürger sehr viel, über andere nicht viel mehr als der Name in dem Buch steht, bedauern die Macher. „Die Intensität der Darstellung lag ausschließlich an der Materialsituation“, sagte Dieter Chormann dazu.

QR-Codes an jüdischen Häusern

Die Recherche im Internet habe übrigens dazu geführt, dass sich ein Nachfahre der Familie Straus, Peter Straus aus San Francisco, gemeldet habe. Es entstand ein E-Mail-Wechsel, der schließlich in einen im Buch ebenfalls dokumentierten Besuch Straus’ in Göllheim mündete. Und auch ein weiterer Straus-Nachfahre, der inzwischen verstorbene Arzt Jorge Weissmann aus Brasilien, dessen Mutter in Göllheim geboren wurde, hat die Gemeinde besucht.

Eberhard Dittus, der als Vertreter der Jüdischen Kultusgemeinde zur Buchvorstellung gekommen war, zeigte sich beeindruckt von der Beharrlichkeit, mit der die drei Göllheimer bei dem Buchprojekt vorgegangen sind. „Die Kultusgemeinde ist dankbar für diese Dokumentation.“ Er lobte das Göllheimer Gemeindearchiv als einen „Schatz“ und empfahl, das umfangreiche Material, das für das Buch verwendet wurde, Schülern zugänglich zu machen. Von der Idee, QR-Codes, die zu weiteren Informationen führen, an ehemaligen jüdischen Häusern in Göllheim anzubringen, war er angetan. Auch Verbandsbürgermeister Steffen Antweiler gefiel diese Idee: „Gerade in Zeiten, in denen Medien als Waffen genutzt werden, ist es doppelt wichtig, solche Informationen in den digitalen Medien zu vernetzen“, sagte er.

Info

Das Buch gibt es zum Selbstkostenpreis von 7 Euro im Museum Uhl’sches Haus, bei der VG-Verwaltung, im Tourismusbüro und bei Schreibwaren Euler.

x