Donnersbergkreis Lohnsfeld: Storch greift Störche an

Zerrupft, aber am Leben: der Storch, den der neue Partner seiner Mutter attackiert und aus dem Nest geworfen hat. Gerettet hat i
Zerrupft, aber am Leben: der Storch, den der neue Partner seiner Mutter attackiert und aus dem Nest geworfen hat. Gerettet hat ihn Karsten Tide von der Wildtierhilfe.

Der neuer Partner des Weibchens attackiert den Nachwuchs und wirft ihn aus dem Nest: Ein Jungvogel ist tot, zwei sind verletzt.

Nicht nur bei Menschen, sondern leider auch (und gerade) in der Tierwelt ereignen sich Familiendramen. Ein solches hat sich in den vergangenen Tagen allem Anschein nach bei den Lohnsfelder Störchen abgespielt. Die traurige Bilanz: Von drei Jungstörchen ist einer tot, zwei sind verletzt. Aber es gibt auch Anlass zur Hoffnung. Wie vielfach berichtet, haben sich im Lohnsbachtal seit 2014 zwei Störchenpärchen angesiedelt – eines auf einem eigens errichteten Mast, ein zweites dann vor zwei Jahren auf dem Dach eines Hochsitzes. Seither haben etliche Junge – zur Begeisterung nicht nur der Nabu-Kreisgruppe Donnersberg, sondern auch vieler regelmäßiger Kiebitze – nahe der Pulvermühle das Licht der Welt erblickt. Üblicherweise fliegt der Nachwuchs dann im Herbst mit den Eltern ins südliche Winterquartier und kehrt erst nach einigen Jahren und Erlangen der Geschlechtsreife wieder in die Heimat zurück – meistens aber nicht mehr an den Geburtsort. Soweit, so normal.

Storch stirbt bei Unfall

Dieser Kreislauf hat sich mehrfach wiederholt, bei den Nordpfälzer Tierfreunden herrschte eitel Sonnenschein. Die Lohnsfelder haben sich inzwischen gar zum Storchendorf ernannt, kürzlich Geld in zwei zusätzliche Masten investiert, um weitere Exemplare anzulocken. Erste Kratzer hat die heile Vogel-Welt dann vor rund zwei Wochen erlitten: Neben der A63 ist ein toter Storch entdeckt und als männlicher Teil des „Mast-Horstes“ identifiziert worden (wir berichteten) – höchstwahrscheinlich ist er einem Verkehrsunfall zum Opfer gefallen. Ob und wie intensiv Störche trauern, ist uns nicht bekannt – Fakt ist, dass RHEINPFALZ-Leser Manfred Benner, der selbst seit geraumer Zeit die Vögel auf seiner Facebook-Seite in Wort und Bild begleitet, nur wenige Tage später einen anderen Storch um die „Witwe“ hat buhlen sehen.

Wildtierhilfe rettet Verletzten

Der Casanova hatte offenbar Erfolg: Hat der „Neue“ zunächst noch schüchtern auf einem benachbarten Baum gesessen, so hat er schon kurz darauf den frei gewordenen Platz im Nest eingenommen. Mit äußerst unangenehmen Folgen für die Brut: Drei junge Störche hatten im Frühjahr auf dem Masten das Licht der Welt erblickt – am Donnerstag erblickte Benner neben den beiden „Alten“ nur noch einen. Der machte dann plötzlich auch noch im wahrsten Wortsinn „die Flatter“, fiel mehr als er denn flog von oben aus seinem Domizil ins Gras. Zwar habe er die Flügel mehrmals aufgeregt hin und her bewegt, sei dabei aber nicht von der Stelle gekommen. Und mit dem Fernglas stellte Benner fest, dass der junge Storch „vom Hinterkopf bis zum Rücken böse lädiert ist“. Der Grund liegt auf der Hand: Der neue, wenig zimperliche „Herr des Nestes“ hat den Nachwuchs des Vorgängers nicht akzeptiert, vermutlich mit seinem Schnabel malträtiert und kurzerhand hinausgeworfen – wohl mit Billigung der Mutter. Diese hätte aber ohnehin Probleme gehabt, die drei hungrigen Mäuler künftig alleine zu stopfen, erläuterte Karsten Tide von der Wildtierhilfe Kaiserslautern im RHEINPFALZ-Gespräch. Er hat den verletzten Vogel am Donnerstagabend gerettet, nachdem eine Lohnsfelder Bürgerin, die wie Benner das Drama verfolgte, zunächst den ebenfalls im Kaiserslauterer Raum ansässigen Tierrettungsdienst Südwest und der dann wiederum Tide informiert hat.

Von Geburt an behindert

Dieser brachte das Tier in die Auffangstation, die er seit fünf Jahren zusammen mit seiner Partnerin unter dem Dach der Tierhilfe Pfalz betreibt. Gestern konnte er aber noch keine Entwarnung geben: „Wir haben ihn erstversorgt und sehen jetzt erst mal zu, dass er wieder frisst.“ Eine Prognose, ob es der Storch schaffen wird, wollte er aber nicht wagen. Denn dessen Zukunftsaussichten seien generell nicht allzu gut, weil er anscheinend von Geburt an behindert ist. „Es wird wohl immer ein Laufvogel bleiben, besser wäre gewesen, man hätte ihn schon früher dort herausgeholt“, so Tide. Was aber ist mit den beiden anderen „Babys“? Hier musste er eine betrübliche Mitteilung machen: Wie er vom pfälzischen Storchen-Experten Manfred Conrad erfahren hat, sind diese allem Anschein nach ebenfalls vom „Stiefvater“ attackiert und bereits am Mittwoch auf dem Boden vor dem Nest gefunden worden – eines tot, eines verletzt. Letzteres ist in die Auffangstation der Storchenfreunde Glantal nach Theisbergstegen gebracht worden – dorthin soll nun auch der von Tide gerettete Storch zur weiteren Behandlung überführt werden. Wie’s im Lohnsbachtal weiter geht – die vier Jungen auf dem Hochsitz sind zum Glück wohlauf –, werden wir natürlich beobachten. Tide hält’s nicht für ausgeschlossen, dass sich über Sommer noch mal was tut: „Heutzutage spielt die Natur derart verrückt – schon möglich, dass demnächst wieder Eier im Nest liegen.“ Hier hat das frisch verliebte Paar nun ja ausreichend Platz und Zeit, ihre Beziehung zu pflegen – um Nachwuchs muss es sich (vorerst) nicht kümmern. Vielleicht hat die traurige und aus menschlicher Sicht durchaus grausame Geschichte wenigstens ein kleines Happy End ...

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