Donnersbergkreis Nachdenklicher Witz siegt

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Als der Kabarettist Stefan Waghubinger seinerzeit zum ersten Mal beim „neuen landweg“ zu Gast war, blieb das Publikum recht überschaubar. Diesmal aber war der schwarze Bühnenraum des Evangelischen Gemeindehauses in Eisenberg bis auf den letzten Platz besetzt. Wahrscheinlich setzt sich Gutes eben durch. Wunderbar balancierte der aus Österreich stammende und in Stuttgart lebende Wortkünstler auf dem Grat zwischen sinnfrei wortspielendem Schabernack und unversehens aufblitzender ernsthafter Lebensbetrachtung.

Das gab zwar keine knalligen Lacher, auf die die Humoristen heute so gerne setzen, aber ein verhaltenes Vergnügen und am Ende langen, zustimmenden Applaus. Ein etwas unbeholfen wirkender Mann stolpert auf die Bühne und macht sich an einem elektrischen Wasserkocher, der am Ende noch wichtig wird, zu schaffen. Er will sich einen starken Kaffee brauen, um erneut einer lange verschobenen Aufgabe gegenüberzutreten, vor der er eigentlich schon vor Wochen kapituliert hat: Die Steuererklärungsformulare sind auszufüllen, die Belege zu sortieren – zum Beispiel die Quittung für einen Fotokopierer, „den ich eigentlich nur brauche, um für die Steuer diese Quittung zu kopieren“. Die Steuererklärung ist der locker gestrickte Rahmen für Waghubingers zweites Kabarettprogramm „Außergewöhnliche Belastungen“. Wovon es handelt, ist schwer zu sagen. Ist das überhaupt in erster Linie Kabarett, oder hat da nicht einer viel eher die Gabe, begnadet zu plaudern? Von den Schwierigkeiten mit seiner entschwundenen Frau beispielsweise. „Was machst du?“, fragt sie. „Ich habe deinen Geburtstag in die Steuererklärung eingetragen.“ - „Wie? Hast du dir nach Jahren endlich gemerkt, dass ich am 3. Februar Geburtstag habe?“ – „Oh ... Schatz – wo ist das Tipp-Ex?“. Ein kleiner Perspektivenwechsel, eine winzige Volte, und schon blickt aus solchem Kram melancholischer Ernst hervor. Doch statt sich darin zu suhlen, ist Waghubinger, scheinbar frei assoziierend, schon ganz woanders. Bei artgerechter Tierhaltung etwa. Und kommt auch hier mittendrin unversehens ins Straucheln. „Bodenhaltung von Hühnern: Ist das wirklich passend – bei Vögeln?“ Dann ist er auch noch als Vater für korrektes Spielverhalten seiner Tochter zuständig. Sie spielt mit den Puppen Urlaub: Ken stolz voran, Barbie kommt, zwei Koffer schleppend, kaum hinterher. „So geht das heute nicht mehr“, legt der verantwortungsbewusste Vater dar. Dann wird der Zaun gestrichen. Ken fällt versehentlich in die ganz dunkle Holzlasur und wird tiefbraun. Nun spielt die Tochter wieder Urlaub. Barbie stolz voran, der schwarze Ken schleppt die Koffer. „Das geht ja auch nicht“, protestiert der Vater und sagt ratlos zur völlig verständnislosen Tochter: „Mit dem Schwarzen spielst du nimmer!“ Stefan Waghubinger hat ein großes Vergnügen daran, mit solchen vertrackten Geschichten vermeintliche kulturelle Gewissheiten im Absurden zu versenken oder aus banalem Alltagsgeschehen nicht nur Scherz, Satire und Ironie, sondern noch tiefere Bedeutung herauszuschälen. „Haben Sie schon bemerkt, dass es nur noch Rollkoffer gibt? Das ist ein Zeichen der Zeit: Lauter Menschen, die glauben, dass sie mehr brauchen, als sie tragen können ...“ Oder: „Wissen Sie, wie man merkt, dass man sich verändert hat? Wenn man einen Menschen, der genau so ist, wie man selbst vor drei Jahren war, für einen kompletten Idioten hält.“ Schließlich: „Nein, ich suche mich nicht mehr. Nachher finde ich mich und gefalle mir nicht ...“ Am Ende trifft ihn, bei ungeschicktem Hantieren mit dem elektrischen Wasserkocher und dem gekochten Wasser, der Schlag. Da singen nicht nur alle Engel, da spricht auch Gott der Herr, mit dem unser Lebenskünstler nicht zufrieden ist: „Erst hast Du uns aus Staub und dann Dich aus dem Staub gemacht!“, knurrt er. „Hinknien soll ich? Nee, 200 Jahre Aufklärung und zwei Monate nicht geputzt!“ Was hier scheinbar leicht und beiläufig verhandelt wird, rührt an die tiefsten Existenzfragen – Waghubinger hat auch eine Vergangenheit als Theologiestudent. Auch diese kluge, anspruchsvolle und bei aller Schärfe keineswegs überhebliche Nummer funktioniert auf der schwarzen Bühne des Evangelischen Gemeindehauses – auch in „Schlag-den-Raab“-Zeiten. Und die Schlusspointe ist einfach großartig.

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