Donnersbergkreis Nicht von Beginn an verteufeln

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Imsbach. „Gotta catch ’em all!“, lautet der Schlachtruf der 20-jährigen Pokémon-Geschichte. 1996 hatte Nintendo dieses Spiel erstmals veröffentlicht und einen Hype ausgelöst. Mit „Pokémon Go“ hat die Spielfirma wieder ein Spiel herausgebracht, das ich im Donnersbergkreis getestet habe.

Aufmerksam auf dieses Spiel wurde ich, als mein Sohn (16), der ein absoluter Pokémon-Fan ist, aufgeregt zu mir kam und von dem gefühlt millionsten Spiel dieser süßen Monster berichtete. Ich selbst bin auch eine Nintendo-Liebhaberin. Mit meinen 40 Jahren gehöre ich aber eher zur „Oma-Generation“ der Spielerfront, was mich selbstverständlich nicht wirklich stört. Auch auf der Spielemesse „Gamescom“ werde ich meistens von meiner Familie bei Nintendo „abgestellt“ und später wieder abgeholt. Umso mehr freut es mich, dass Nintendo ein Spiel herausgebracht hat, das ohne Blut auskommt und nette, kreative Spieler unterschiedlicher Altersgruppen zusammenführt. Als mein Sohn in den Ferien plötzlich morgens früh aufsteht, sich seinen Rucksack aufsetzt und, kurz bevor er die Tür hinter sich zuschlägt, sagt: „Bis später, ich geh’ dann mal“, werde ich doch neugierig. Als dann auch noch eine Mutter eines Klassenkameraden mir auf dem Parkplatz eines Supermarktes zuruft: „Unsere Jungs gehen im Ort zusammen Pokémon fangen. Ist das nicht toll!“, bin ich total baff. Nun interessiert mich dieses Spiel doch. Eine Freundin, die noch nie mit Pokémons zu tun hatte, erzählt mir, dass ihr ältester Sohn in Winnweiler nachts um zwei Uhr mit einigen etwa 40-Jährigen begeistert über Pokémon geredet habe. Dies hätte ihr Sohn nie für möglich gehalten. Daraufhin habe sie sich auch die Pokémon Go-App heruntergeladen und fange nun mit Begeisterung die süßen „Taschenmonster“. Selbst ihre Mutter (80), die sich nie ein Smartphone zulegen wollte, wird sich nun wegen diesem Spiel ein Smartphone besorgen. Nachdem ich davon gehört habe, will ich das Spiel ausprobieren. Da mein Sohn die App bereits auf seinem Handy installiert hat, gehe ich mit ihm auf Pokémon-Jagd im Donnersbergkreis. Von meinem Sohn erfahre ich, dass in Dörfern kaum Pokémon zu finden seien. Also ab nach Rockenhausen! Dort gehen wir zuerst an den Bahnhof. Nichts! In der Fußgängerzone finden wir einige Pokéstops. An diesen Stellen füllt man seinen „Beutel“ mit benötigten Items wie Pokébällen auf. Mich verblüfft, dass diese Stellen meistens Skulpturen oder Gebäude mit teils geschichtlichem Hintergrund sind. In Rockenhausen im Schlosspark ist das beispielsweise der „Weinkelter“. Als wir an einem Fitnessstudio keine Pokémon finden, wollen wir es auf dem Friedhof probieren. Dass Pokémon-Jäger auch auf Friedhöfen Jagd auf die virtuellen Tierchen machen, hat man schon oft in der Zeitung gelesen. Auf dem Weg zum Friedhof kommen wir an einem Firmengelände vorbei. Von dem dort sitzenden Pförtner möchte ich wissen, ob es viele Anfragen gibt, auf dem Firmengelände Pokémon fangen zu dürfen. Nein, davon habe er nichts gehört, sagt der Pförtner. Er hält diese Spieler auch für völlig daneben und meint sogar abfällig, dass es eine natürliche Auslese sei, wenn sie während der Pokémon-Jagd auf der Straße überfahren werden. Damit bezieht er sich auf eine Meldung aus amerikanischen Medien. Als ich wissen möchte, ob er Spieler in das Firmengelände reinlassen würde, verzieht er das Gesicht. Auf dem Friedhof ist sehr wenig los. Eine Frau, die ich nach dem Spiel frage, sagt, dass sie davon nur am Rande gehört habe. Stören würde sie es nicht, wenn die Leute auf dem Friedhof nach den „Tierchen“ suchen. Schließlich gebe es Schlimmeres. Sie habe in der Stadt eine hochschwangere Frau gesehen, die auf der Straße in ihr Smartphone Nachrichten eingetippt habe. „Wenn die dann überfahr werd, dätt se dumm gucke“, erzählt sie mir. Pokémon finden wir auf dem Friedhof keine. Für Pokémon-Jäger ist der Friedhof absolut „tot“. In Kirchheimbolanden ist dagegen mehr los. Einige Jungs mit Rucksäcken und zwei Mädchen spielen Pokémon Go. Am Römerplatz kann man die Gäste der Cafés beobachten. Die meisten sitzen kopfschüttelnd oder neugierig schmunzelnd da und beobachten die Spieler. Diese laufen nicht einfach über eine Straße ohne zu schauen – so erlebe ich es. Allerdings interessiert es sie nicht, dass andere über sie kichern. Eigentlich finde ich die „Nichtspieler“ merkwürdiger. Sie schauen die Spieler oft abschätzig an – als ob diese Raucher seien. Es scheint fast so, als gebe es kaum noch Toleranz für Spleens. Mein Fazit: In Dörfern findet man sehr wenig Pokémon. Um wirklich fündig zu werden, muss man in die Großstädte. Und dort fallen Spieler nicht auf. Die Spieler, die ich getroffen habe, gehen ganz normal durch die Gegend. Sie fallen eben nur in Dörfern auf. Denn dort sind kaum noch Kinder oder Jugendliche auf den Straßen zu sehen. Wenn die Jugend wegen Pokémon Go wieder weniger in ihren Zimmern vor den Computern sitzt, sondern mehr draußen ist, hat das Spiel sogar etwas Positives. Deshalb sollte man sich mit dem Spiel beschäftigen, statt es von Beginn an zu verteufeln. Oder wüssten Sie, wo in Kirchheimbolanden die „zwinkernde Wildsau“ ist? Nils erklärt

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