Donnersbergkreis „Riesengroßes Geschenk“

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Am Vorabend des 9. November, dem deutschen Schicksalstag, und ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung sollte an die Menschen in der DDR und deren Alltag erinnert werden. Wer könnte dies besser als jemand, der in der DDR geboren wurde und dort aufgewachsen ist. Birgit Siegmann, Jahrgang 1961, konnte von der CDU im Rahmen der Friedenstage für einen Vortrag im Foyer der Stadthalle gewonnen werden, das bis auf den letzten Platz besetzt war.

Landtagsabgeordnete Simone Huth-Haage freute sich, auch den Bundestagsabgeordneten Xaver Jung begrüßen zu können, der den Kontakt zur Referentin aus Thüringen hergestellt hatte. Birgit Siegmann war auch schon vergangenes Jahr in Kirchheimbolanden und hatte damals zum ersten Mal den 9. November nicht mit ihrer Familie gefeiert, wie sie berichtete. Sie ist im damaligen Sperrgebiet, im Landkreis Sonnenberg, zur Welt gekommen, was ihren fränkischen Dialekt erklärt. „Am 9. November haben wir ein riesengroßes Geschenk bekommen“, lautete einer ihrer ersten Sätze. Bis vor kurzem war sie pädagogische Mitarbeiterin des Stasi-Museums in Berlin. Ihre Kindheit verbrachte Birgit Siegmann in einem „systemkonformen“ Elternhaus, was ihr ermöglichte, Abitur zu machen, für das Lehramt zu studieren und als Lehrerin eine Anstellung zu bekommen. Noch heute sei für sie unglaublich, dass die Wiedervereinigung möglich geworden ist. „In der damaligen DDR war das einfach nicht denkbar, keiner sprach davon“, erläutert sie weiter. Der 17. Juni war für Siegmann die Ursache, dass sie sich mit Geschichte beschäftigte. Bis dahin hatte sie sich immer gewundert, warum in den Kalendern, die aus dem Westen kamen, der Monat Juni fehlte. Hinter vorgehaltener Hand habe ihre Großmutter dazu die Erklärung gegeben. Die Gründung der DDR, führte sie aus, habe schon in der Nazi-Zeit begonnen, und auch dort habe es Nazis gegeben. Krippen und Kindergärten habe es nur aus Gründen der Erziehungsdiktatur gegeben. „Individualismus war ein Straftatbestand“, so Siegmann, die auch von Kindergefängnissen sprach und von Gefängnissen, in denen keine Verbrecher waren, „sondern Leute die ihre Meinung sagten“. Ein politischer Witz habe gereicht, um für zwei Jahre ins Gefängnis zu kommen. Wer nicht zur Nationalen Volksarmee wollte, sei mit 21 Monaten Haft bestraft worden, oft sogar mehrmals. Alle, die nicht bei den Pionieren oder bei der FdJ mitmachten, wurden ausgegrenzt, hatten keine Chance auf Beruf oder Studium. Militärische Erziehung habe es von der Grundschule bis zur Berufsausbildung gegeben. Eine Oppositionsbewegung sei nur unter dem Dach der Kirchen möglich gewesen. Beliebt seien deshalb sogenannte Blues-Messen gewesen, an denen viele junge Leute teilnahmen, obwohl nur sehr wenige von ihnen getauft waren. Nur dort konnten sie frei reden und diskutieren. „Wir waren entmündigt, von der Wiege bis zur Bahre“, strich die Referentin heraus, die auch auf Zwangsadoptionen zu sprechen kam. Dass es in den neuen Bundesländern so viel Ausländerfeindlichkeiten gebe, führt Siegmann darauf zurück, dass man es in der ehemaligen DDR nicht gewohnt war, mit „Ausländern“ zusammen zu leben, das wirke noch nach. „Ich werde morgen wieder feiern“, erklärte Siegmann mit hörbar bewegter Stimme gegen Ende ihres Referats. Abschließend stand sie noch für Fragen aus dem Publikum zur Verfügung. Das hatte bis zum Schluss gespannt zugehört. (sien)

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