Kirchheimbolanden Trotz Krieg: Kirchheimbolander wollen an Freundschaft mit Tschernjachowsk festhalten

Gäste aus Kirchheimbolanden 2015 beim Geschenkeverteilen im Kinderheim in Tschernjachowsk.
Gäste aus Kirchheimbolanden 2015 beim Geschenkeverteilen im Kinderheim in Tschernjachowsk.

Aufgrund des Überfalls auf die Ukraine gibt es vielerorts Überlegungen, Partnerschaften mit russischen Städten und Gemeinden auf Eis zu legen oder gleich ganz aufzukündigen. In Kirchheimbolanden kann davon aber keine Rede sein.

„Ich bin traurig über das, was im Moment in der Ukraine passiert, aber trotz des Krieges hat sich unsere Meinung nicht geändert: Wir halten an unserer Freundschaft mit Tschernjachowsk fest“, sagt Jamill Sabbagh, der als Vorsitzender des Vereins „Donnersberger Initiative für Menschen in Not“ die Fahrten in das ehemalige Insterburg federführend organisiert.

Genau genommen ist es keine Städtepartnerschaft, die Kirchheimbolanden und Tschernjachowsk verbindet, obwohl es der Einfachheit halber oft so genannt wird, sondern eine offizielle Freundschaft. Der Freundschaftsvertrag wurde im Jahr 2002 geschlossen. Ihre Wurzeln hat die Freundschaft aber in einer Patenschaft zwischen der evangelischen Kirchengemeinde und dem dortigen Waisenhaus (das inzwischen allerdings geschlossen wurde), die schon Jahre davor begann: auf Initiative des damaligen Dekans Claus Burmeister, der aus Insterburg stammte.

Beginn auf ganz persönlicher Ebene

Auf ganz persönlicher Ebene wurden die Kinder in dem Heim von Familien aus Kirchheimbolanden und Umgebung mit Geld und Sachspenden unterstützt. Diese mitmenschlichen Aktionen blieben nicht unbemerkt, und so schlossen sich nach und nach auch andere Institutionen in Tschernjachowsk an, die Musik- und die Malschule, das Gymnasium, Kitas, die Armenküche. Natürlich kam es dann irgendwann auch zu gegenseitigen Besuchen von offiziellen Delegationen. Der damalige Stadtbürgermeister Klaus Hartmüller war 2001 das erste Mal in Tschernjachowsk. Doch die Kontakte fanden immer auch an der Basis statt.

„Das ist das Besondere an dieser Freundschaft, dass sie eben nicht von oben über offizielle Kanäle initiiert wurde, sondern von unten, von den Menschen ausging“, betont Jamill Sabbagh. „Diese Zivilgesellschaft ist die tragende Säule der Völkerverständigung, deshalb ist es ganz besonders wichtig, dass wir gerade jetzt in dieser Situation an der Freundschaft mit Tschernjachowsk festhalten.“ Er selbst sei nach wie vor mit Menschen dort in Kontakt: „Telefonisch oder per Whatsapp, genau wie zum Beispiel Henny Fürwitt, Monika Sandmeier oder Klaus Hartmüller. Wenn wir telefonieren, kommen den Leuten dort gleich die Tränen. Die Donnersberger Initiative hat so viele Fahrten und Besuche dort organisiert, da können wir uns nicht einfach verabschieden.“ Alleine in das Kinderheim seien über die Jahre mehr als 150.000 Euro an Spendengeldern geflossen.

Es wird eine Zeit nach dem Krieg geben

Die Freundschaft aufzukündigen, würde genau die Falschen treffen, findet Sabbagh: „Das fußt auf einer Riesenbasis von Menschen, die nichts mit dem Krieg zu tun haben.“ Zumal sogar viele der an der Freundschaft direkt Beteiligten familiäre Verbindungen zur Ukraine hätten. Galina Fomenko, die Bürgermeisterin, die 2002 den Freundschaftsvertrag unterzeichnet hat, sei sogar gebürtige Ukrainerin. „Diese Leute leiden selbst unter dem, was dort geschieht. Die Forderung, dass wir uns von diesen Menschen abwenden sollen, ist absurd. Was sehen wir denn im Fernsehen? Wir sehen, dass ein paar 1000 Leute Putin hinterherlaufen. Was wir nicht sehen, sind die Millionen, die das nicht tun.“ Nicht zuletzt müsse man jetzt schon weiterdenken: „Dieser Krieg wird hoffentlich nicht mehr lange dauern, und es wird eine Zeit nach Putin geben. Sollen wir dann wieder bei Null anfangen?“ Er jedenfalls sei bereit, so Sabbagh, „schon morgen wieder eine Fahrt auf die Beine zu stellen“. Dass das nicht schon längst passiert sei, liege nicht am Krieg, sondern in erster Linie an Corona.

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