Donnersbergkreis Von „blauem Auge“ bis „Katastrophe“

91-97075443.jpg

Buchstäblich kalt erwischt worden sind die Winzer in unserer Region vom nächtlichen Spätfrost der vergangenen Woche mit Temperaturen von bis zu sieben Grad Minus. Bei manchen sitzt der Schock noch tief über die Schäden, deren Ausmaß die Betroffenen zwar bislang nicht genau beziffern konnten. Einig waren sie sich aber: „Sie sind gravierend.“ Glücklicherweise sind aber nicht alle Wingerte erfroren. Bei einer Umfrage der RHEINPFALZ – noch vor dem neuerlichen Frost in der Nacht auf den gestrigen Freitag – haben Weinbauern aus dem Alsenz- und Zellertal ihre Betroffenheit und Sorgen geäußert.

„Uns hat es sehr hart getroffen, die Lage ist katastrophal“, fasste Andreas Schmidt, Inhaber des Obermoscheler Weinguts Schmidt, seine ersten Eindrücke der Frostfolgen zusammen. In manchen Lagen rechnet er mit einem Ausfall von bis zu 70 Prozent. „Der 20. war der schlimmste Tag, mit Werten von bis zu minus 6,5 Grad“, so der Winzer. Er setzte im Kampf gegen den Frost auf handelsübliche Briketts. Mit diesen beheizte er jedoch nur zwei Hektar seiner Weinberge, was das Unglück nur teilweise abwenden konnte. Schmidt beschreibt den Schaden als „gravierendsten der letzten Jahrzehnte“. Trotz des Schocks schaue er nach vorne – hierbei hofft er in nächster Zeit nicht zuletzt auf die sogenannten Beiaugen. Als Beiauge bezeichnet man die unter dem „Hauptauge“ sitzende kleine Knospe, die sich dann entwickelt, wenn das Hauptauge oder der daraus hervorgehende Trieb durch Spätfrost zerstört wird. Aber Lamentieren helfe nichts, betonte Schmidt – schließlich müsse es mit der Arbeit im Weinberg weitergehen. Und diese werde durch die jüngsten Frostschäden nicht gerade weniger. Ähnlich betroffen zeigt sich auch Martina Linxweiler vom Weingut Hahnmühle in Mannweiler-Cölln. Dort hat man versucht, die Pflanzen durch Frostkerzen vor der Kälte zu schützen. „Unser Sohn hat den Aufbau von 360 Frostkerzen pro Hektar organisiert.“ Diese Maßnahme hatte aber laut Linxweiler nur wenig Erfolg, da der Frost schon um Mitternacht begann. „Trotzdem haben wir die ganze Nacht gefeuert“, so Linxweiler weiter. Solch eine Nacht sei mit das Schlimmste, was einem Winzer passieren könne. Bei der Hahnmühle seien die Anbaugebiete in Mannweiler am stärksten betroffen, die Lagen in Oberndorf sowie in Steingruben hätten dagegen „in den oberen Bereichen fast gar nichts abbekommen“. Mit der letzten Aprilwoche beginnt jetzt – wie immer – „noch mal eine heikle Zeit“, erklärt Linxweiler. Andererseits bestehe Hoffnung auf manche „Augen“, die sich teilweise noch im Winterstadium befunden hätten, weil der Austrieb in diesem Jahr sehr unterschiedlich ausgefallen sei. Insgesamt etwas glimpflicher sind die Winzer im Zellertal davongekommen. Doch auch hier hat der Frost zum Teil beträchtliche Schäden angerichtet. So schildert Jörg Bayer vom Weingut Martinspforte in Einselthum, dass seine Weinberge sehr „elendig“ aussähen. Er hat festgestellt, dass dieses Mal die „üblichen Frostlagen“ weniger betroffen seien – stattdessen sind nun die Reben an Steilhängen und in höheren Lagen stärker in Mitleidenschaft gezogen worden. Besondere Maßnahmen vor dem Kälteeinbruch hat Bayer nicht ergriffen – unter anderem deshalb, weil schon im Vorfeld klar gewesen sei, dass der Frost bereits vor Mitternacht einsetzt und ein Schutz die ganze Nacht über nur schwer zu gewährleisten sei. „Unseren älteren Anlagen machte der Frost aber weniger aus“, nennt der Einselthumer Winzer auch einen Lichtblick. Zusätzliche Probleme bereite der Rhombenspanner-Schädling, dem die Konstellation des warmen Märzes und die danach einsetzende Kälte zugute komme. Der Rhombenspanner müsse von Hand bekämpft werden, was einen hohen Arbeitsaufwand mit sich bringe. Trotz seiner eigenen Schwierigkeiten – Bayer sieht sich aber mit einem „blauen Auge“ davongekommen – vergisst er auch andere Landwirte wie beispielsweise die Obst- oder Kartoffelbauern nicht. Und: „Neue Kältewellen können noch auf uns zukommen.“ Einen solchen Frost habe er in seiner knapp 60-jährigen Arbeitszeit noch nie erlebt, sagt Önologe Michael Acker vom Weingut Bremer in Niefernheim. Er rechnet für den Betrieb mit einem durchschnittlichen Verlust von zirka 30 Prozent. „Die Jungpflanzen dagegen hat es mit 80 bis 90 Prozent hart getroffen, weil sich diese noch nicht gegen die Kälte wehren können“, erklärt Acker. Auch das Niefernheimer Weingut habe keine besonderen Schutzmaßnahmen ergriffen, da die Kälte in diesem Ausmaß sehr überraschend gekommen sei. Eher mehr habe es den „Burgunder“ erwischt, weniger dagegen die klassischen Sorten wie Riesling oder Silvaner. „Es ist unvorstellbar, und der Schock sitzt tief“, beschreibt Acker seine aktuelle Gefühlslage. Dennoch müsse man erst einmal abwarten, wie sich die Beiaugen entwickeln – gerade mit Blick auf das unverändert trockene und kühle Wetter. Welche Auswirkungen der flächendeckende Frost für die Winzer – bundesweit, aber auch in ganz Europa – habe, sei noch gar nicht abzusehen, betonte Acker. Holger Stutzmann, Inhaber des Weinguts Stutzmann in Einselthum, hat sich wegen der zu hohen Kosten gegen eine Beheizung der Weinberge entschieden. Er nutzte dagegen „Frostruten“ als Schutz vor der Kälte. Stutzmann rechnet bis in den Mai hinein mit weiterem Frost – eine Prognose wagt er deshalb noch nicht, wie hoch seine Ausfälle in diesem Jahr sein werden. Auch er hebt hervor, dass sich das Ausmaß der Schäden je nach Lage unterscheidet: „Die weiter oben gelegenen Gebiete sehen besser aus.“ Wenigstens ein kleines Trostpflaster könnte der Frost mit sich bringen: Wegen der vielen Ausfälle sei ein Anstieg der Weinpreise denkbar – aber das sei vorerst reine Spekulation, betonte Stutzmann. „Wir hatten großes Glück“, sagte Robert Boudier vom Weingut Boudier und Koeller in Stetten. In Albisheim habe es beim Bacchus leichte Frostschäden gegeben. „Wir haben uns bewusst überwiegend auf historische Weinberge mit Südlage beschränkt“, sagte Boudiers Partner Elmar Koeller. Diese Weinberge seien nicht so anfällig für Frostschäden. „Und in Kirchheimbolanden sind wir noch gar nicht so weit, dass uns der Frost hätte Probleme bereiten können“, so Koeller.

x