Donnersbergkreis Zauberhaft und voller Anmut

91-75780481.jpg

KIRCHHEIMBOLANDEN. Sie ist populär wie kaum eine andere Ballettmusik und aus dem Weihnachts-Repertoire kaum wegzudenken: die Nussknacker-Suite nach der Geschichte von E. T. A. Hoffmann zu Peter Tschaikowskys Musik. Im Rahmen des städtischen Kulturwinters wurde sie am Dienstag von dem „Klassischen Russischen Staatsballett“ in der gut besuchten Kiboer Stadthalle aufgeführt.

Um es vorwegzunehmen: Die tänzerische Klasse war hervorragend, die Musik – aus einer Konserve eingespielt – enttäuschend: viel zu laut, stellenweise metallisch schrill bis scheppernd. Die Anlage war wohl übersteuert. Schade, denn Ballett ist doch die (hier äußerst artifizielle) körperliche Umsetzung von Musik. Wenn man so will, ein Doppelkunstwerk. Armer Tschaikowsky! Der Hintergrund: Eine wohlhabende Familie feiert mit zwei Kindern, Freunden und Verwandten Weihnachten. Das auch in der Folge durchgängige, von einem funkelnden Tannenbaum dominierte Bühnenbild führt in einen großbürgerlichen Salon. Man tanzt und trinkt. Die kleine Marie bekommt von ihrem Patenonkel Drosselmeier einen Nussknacker geschenkt. Später, in ihrem Bett, träumt sie von ballettösem Schlachtgetümmel: Die vom Titelhelden angeführte Zinnsoldatenarmee ihres Bruders kämpft gegen das unheimliche Heer des bösen Mäusekönigs. Der Onkel schreitet als Magier ein und verwandelt die verletzte Holzfigur mit dem stählernen Gebiss in einen wunderschönen Prinzen, der mit Marie ins Schloss der Zuckerfee und zu anderen Fantasiegestalten reist. Puppen werden zum Leben erweckt – der Nussknacker, und auch ein Harlekin und seine Colombina. Teufel, Mäuse, Schneeflocken und Folkloretänzer wechseln durch einen märchenhaften Bilderbogen. Die lebendige, auf Tempo angelegte Choreografie Konstantin Iwanows verwebt klassische Konventionen mit neueren Ausdrucksformen: Alles wirkt geschliffen und eng verzahnt bis ins nebensächlichste Detail – etwa, wenn das „Corps de Ballet“ aufmerksam angeregt das Rampenspiel der Hauptdarsteller verfolgt. Das Ensemble, gut zwei Dutzend Tänzerinnen und Tänzer, viele auffallend jung, lässt knochenharten Drill, Akrobatik und Perfektion traumtänzerisch leicht erscheinen. Alles ist anmutig und zauberhaft. (Leider klappert schon mal der Bühnenboden lautstark mit, wenn alle gleichzeitig auftreten.) Schöne Bilder prägen sich ein: die rote Spielzeugarmee und ihr zackiger Kommandant, silbrig glänzende, wirbelnde „Schneeflocken“, grazile Ballerinen zum Ohrwurm „Blumenwalzer“ – hier ein Traum in lichtem Rosé. Und im Kontrastprogramm, als Nachtmahre schwarzer Romantik, die schaurig fiesen Mäuse und ihr dämonischer König zum Fürchten. Brillant sind die Solisten, Primaballerina Olga Chelpanova tanzt die Rolle der Marie. Elfenhaft zart in ihrem weißen Tutu, geradezu ätherisch grazil, dabei zeigt sie bewundernswerte Spannkraft und absolute Körperbeherrschung. Ein Idol für die kleinen Mädchen unten im Parkett: schwerelos auf den Spitzen trippelnd und schwebend, schwindelnd rasante Pirouetten filigran ausreizend – bis in die Zehen- und Fingerspitzen durchdrungen wirkt sie. Konstantin Korotkov ist der ihr ebenbürtige Prinz: Fast berstend vor Vitalität durchmisst er die Szene in klafterweiten gesprungenen Spagaten und meistert raffinierte Hebefiguren mit spielerischer Nonchalance. Mit zu den Höhepunkten zählen die „Pas de Deux“ des Liebespaars, nicht zu vergessen die Chelpanova als zuckersüße „Zuckerfee“. Kirill Parshin verkörpert den dunkel-dramatischen Gegenpart zu diesen Lichtgestalten, auch er ein exzellenter Könner, hier mit magischer Ausstrahlung. Als Drosselmeier zieht er die Fäden in dem Traumspiel und wandelt sich vom großzügigen Onkel zum Hexenmeister, der im weiten schwarzen Vampirmantel das Geschehen steuert und virtuos überfliegt. Reizvoll mischen originelle Charaktertänze die kindlich angelegte Handlung auf – sicherlich Klischees, aber immer wieder sehenswert: feurige Spanier, höflich feine Chinesen, Russen im wild aufbrausenden „Trepak“. Insgesamt eine Fülle von Augenweiden mit rauschhaftem Finale – behütet von ihrem Onkelchen wacht Marie auf. Die Liebe zu ihrem Prinzen bleibt ihr. Stürmischer Applaus im Stehen.

x