Frankenthal „Alles basiert auf Geschichten“

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Mit dem Stoff der Nibelungen ist Geraldine Laprell bestens vertraut. Bevor die Videokünstlerin zum Film kam, hat sie Literaturwissenschaften studiert. Da gehört die Geschichte in der deutschen Literatur natürlich zum Pflichtprogramm. Im mittelhochdeutschen Original, versteht sich. Mit Worms, einem der Schauplätze des Nibelungenlieds, hat Laprell aber erst Bekanntschaft gemacht, als sie Regisseur Nuran David Calis für die diesjährige Inszenierung „Gold“ aus der Feder von Albert Ostermaier verpflichtet hat. Wie das ist, eine Aufführung vor dem Dom, kann sie sich noch nicht recht vorstellen. „Das ist eine beeindruckende Kulisse und eine echte Herausforderung. Man muss ganz anders arbeiten als in einem Theater.“ Noch pendelt Laprell zwischen München – dort lebt sie und leitet eine eigene Produktionsfirma –, Berlin und Worms. Erst rund drei Wochen vor der Premiere von „Gold“ am 15. Juli wird sie voll ins Geschehen einsteigen und die Proben begleiten, berichtet Laprell. Dann, erzählt sie, werden die Proben nicht mehr im Kultur- und Tagungszentrum Wormser stattfinden, sondern auf der Bühne vor dem Dom, wo die einzelnen Teile des Stücks zusammengesetzt werden. Die Vorbereitungen laufen indes bereits: Ein Teil der Videos, die die Zuschauer bei den Aufführungen sehen werden, wird vorproduziert, der Rest wird live gefilmt und auf die Leinwand geworfen. Die Videoarbeit sieht Laprell als Ergänzung zum Stück. Sie will der Inszenierung eine neue Dimension geben, die das Theater alleine nicht leisten könne: dem Zuschauer intime Blicke auf die Bühne und die Darsteller liefern, die er sonst nicht hätte, etwa Innenaufnahmen aus dem Dom. Wichtig ist ihr dabei, dem Spiel auf der Bühne nichts wegzunehmen, es nicht mit den Videos zu überlagern. Details verrät sie noch nicht, nur so viel: „Wir werden Teile des Stücks in den Videos sezieren, besondere Szenen näher ranholen oder verfremden, dem Zuschauer zeigen, was hinter den Kulissen eines Filmsets passiert.“ Mit Regisseur Nuran David Calis hat Laprell schon mehrfach bei Theaterproduktionen zusammengearbeitet, zum Beispiel 2008 am Thalia Theater Hamburg, ein Jahr später bei „Romea und Julia“ am Maxim Gorki Theater in Berlin oder 2014 für „Die Lücke – NSU-Nagelbombenanschlag in Köln“ am Schauspiel Köln. Auf Basis des Theaterstücks entstand Laprells Dokumentarfilm „Die Lücke“, der sich mit den Opfern des NSU-Anschlags in Köln auseinandersetzt. Laprell – Jahrgang 1982, schlank, akkurat geschnittene lange blonde Haare, goldener Ring mit grafischem Muster – bezeichnet sich als Bücherwurm, hat selbst in der Schule Theater gespielt. Auch für das Medium Film habe sie sich früh interessiert, es sei aber damals für sie nicht richtig greifbar gewesen. Daher studierte sie zunächst Literaturwissenschaften. Besonders die Gattung Drama hat es ihr angetan. Ihre liebsten Theaterstücke sind Frank Wedekinds „Frühlings Erwachen“ („Das hatte ich gefühlt unter dem Kopfkissen liegen“) und Schillers „Die Räuber“. Während des Studiums in München knüpfte sie erste Kontakte zur Hochschule für Film und Fernsehen, entschied sich nach ihrem Magisterabschluss für ein Anschlussstudium in Produktion und Medienwissenschaft. „Mein Literaturstudium hat mir für meine jetzige Arbeit viel gebracht. Alles basiert auf Geschichten.“ Bereits als Studentin hat Laprell erste Werbespots und Kurzfilme gedreht, nach ihrem Abschluss gründete sie dann ihre eigene Produktionsfirma Sterntaler. Dass sie durch ihre Arbeit viel unterwegs ist, sei einerseits stressiger, andererseits lerne man so Deutschland und seine Regionen und Städte anders und intensiver kennen, findet sie. Wenn sie nicht gerade durch die Republik reist, verbringt Laprell am liebsten Zeit mit ihrer vierjährigen Tochter. „Noch geht die Kleine in den Kindergarten, da kann man sie auch mal mitnehmen, wenn man beruflich unterwegs ist. Mal schauen, wie das wird, sobald sie zur Schule geht.“

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