Frankenthal Gruselkino in Tönen

Das Zusammenspiel der Solistin Elena Bashkirova und der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz wirkte harmonisch und geschmeidig.
Das Zusammenspiel der Solistin Elena Bashkirova und der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz wirkte harmonisch und geschmeidig.

Mozart als Filmkomponist? Der zweite Satz seines Klavierkonzerts Nr. 21 erfuhr durch den Film „Elvira Madigan“ neue Popularität. Tschaikowsky starb kurz nach der Uraufführung seiner Sinfonie Nr. 6. War sie sein Requiem? Unter dem Titel „Revival und Requiem“ gastierte die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz am Freitagabend im Wormser Theater. Solistin war Elena Bashkirova.

Es ist der romantische Zauber einer Liebesgeschichte, die Mozarts Andante aus dem Konzert für Klavier und Orchester illustriert. Im Film wie im wahren Leben geht es für Elvira Madigan böse aus: mittellos und verzweifelt begehen sie und ihr Geliebter Selbstmord. Womit wir die Verbindung zu Peter Tschaikowsky haben: Warum er mit 53 Jahren starb, steht nicht zweifelsfrei fest. Er könnte der Cholera erlegen sein. Die gruseligere Variante: Er wurde zum Selbstmord gezwungen, verurteilt von einem Femegericht, das seine Homosexualität als Verbrechen ansah. Und erklingen in seinem letzten Werk nicht auch Zitate aus der russisch-orthodoxen Begräbnisliturgie? Wusste er um seinen Tod? Endet das Finale deshalb so unheimlich? Der Konzertabend beginnt jedoch alles andere als düster mit Mozarts Konzert für Klavier und Orchester Nr. 21 C-Dur. Elena Bashkirova spielt sehr klar und artikuliert, die Klarheit wirkt erfrischend. Das berühmte Andante ist, im Gegensatz zu den anderen beiden Sätzen, technisch nicht besonders schwer. Das Zusammenspiel mit dem Orchester wirkt harmonisch und geschmeidig. Der dritte Satz verlangt dann wieder einiges an Virtuosität, und die russische Pianistin begeistert die Zuhörer. Sollte Tschaikowskys Sinfonie Nr. 6 genannt „Pathétique“ Filmmusik werden, dann sicher zu einem atmosphärischen Gruselfilm. Da steckt alles drin: unheimliche Akkorde und langsamer Spannungsaufbau. Über eine leise, hohl wirkende Quinte beginnt das Fagott ein klagendes, absteigendes Motiv, das die verschiedenen Instrumentengruppen aufgreifen. Es folgt ein zartes, lyrisches Thema. Schön wird es durch das Zusammenwirken von Bläsern im Hintergrund und Streichern im Vordergrund. Die Soloklarinette wiederholt das später und haucht am Ende so leise wie möglich. Im Notentext steht ein sechsfaches „p“ für „piano“ (leise). Tief entspannt lächelt der Hörer – rumms! – macht er vor Schrecken einen Satz. Im Gruselkino heißt das „jump scare“, was das urplötzlich krachende Fortissimo des Orchesters bewirkt. Und das klopfende Herz der Zuhörer wird weiter gehetzt, von rasenden Linien, die durch- und gegeneinander wie die Wilde Jagd auf dem Sturmwind reiten. Da blasen auch Hörner – das Requiemmotiv erklingt. Wir sind immer noch im ersten Satz, aber man ahnt, was für eine emotionale Achterbahn die Hörer eine dreiviertel Stunde lang durchschüttelt. Es sind starke Farben und Kontraste, die Dirigent Karl-Heinz Steffens mit seinen Musikern bietet. Alles wirkt schlüssig, und als Hörer verliert man sich ganz in der Interpretation. Im dritten Satz entwickelt sich ein Marsch, der sich zum furiosen Finale steigert. Erleichtert klatschen Zuhörer – zu früh. Es folgt ein vierter Satz, ein „Adagio lamentoso“. Langsam und klagend beginnend, wird es noch einmal dramatisch. Es gibt ein Aufbäumen – doch es hilft nichts. Alles löst sich auf, wird leiser, verschwindet. Stille. Ein einsamer Klatscher beginnt, der Rest im sehr gut besuchten Saal ist wie vom Donner gerührt. Oder will nicht wieder zu früh klatschen. Endlich gibt es den verdienten Applaus.

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