Frankenthal „Ich hatte keine Zeit!“

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Auf dem Gepäckträger hockt eine Fünfjährige im Einkaufskorb der Mutter, die das Kind per Rad zur Kita Jakobsplatz kutschiert. Zumindest trägt die Kleine einen Helm, doch der ist ein paar Nummern zu groß. Die Polizeibeamten stoppen die Mutter, die sich entschuldigt und sagt: „Ich hatte keine Zeit!“ Die polizeiliche Stichproben-Kontrolle zum Schulbeginn ergibt: Eltern, die ihren Nachwuchs morgens chauffieren, achten zu wenig auf Sicherheit.

„Das Zeitproblem ist eine klassische Rechtfertigung, wenn die Kids nicht verkehrsgerecht zu Schule und Kita gebracht werden“, weiß Alexander Koch, der in der Polizeiinspektion Frankenthal den Sachbereich Verkehr leitet. Zusammen mit zwei Kollegen hat er am Dienstagmorgen Verkehrskontrollen an Gefahrenstellen durchgeführt, die laut Bürgerhinweisen in der Nähe von Bildungseinrichtungen bestehen. Dabei ging es nicht um Gefahren, die aus problematischen Verkehrsverhältnissen resultieren, sondern um das Verhalten der Eltern im Verkehr. Auf dem Parkplatz neben der Hans-Fay-Straße ist um 7.30 Uhr noch alles ruhig. 20 Minuten später ist der Parkplatz voll besetzt und die Autos stehen Schlange. Die Eltern müssen pünktlich zur Arbeit und den Nachwuchs rechtzeitig in Friedrich-Ebert-Grundschule, -Realschule plus und Jakobsplatz-Kita abliefern. Dazu kommt heute die Einschulung der Erstklässler mit Freunden und Verwandten. Hektik kommt auf, als die Fahrzeuge sich in zu enge Parklücken quetschen oder die Kinder mitten auf der Straße aussteigen. Das sieht der Verkehrsberater Klaus Bergmann von der Polizeiinspektion mit Sorge, denn: „Kindern fehlt noch der Weitwinkel-Blick. Sie achten nur darauf, was direkt vor ihnen ist.“ Um 8 Uhr kontrollieren die Beamten einen Pkw, der eine Abkürzung über den Gehweg gefahren ist. „Sie müssen schon auf der Straße bleiben, und ihr Sohn hat sich noch während der Fahrt abgeschnallt“, belehren sie den Fahrer. Dahinter parkt eine Familie, die zur Schuleinführung möchte – die Kinder sind zwar angeschnallt, aber die Gurte sitzen schief. „Wenn es morgens schnell gehen muss, achten viele Eltern nicht auf den korrekten Verlauf der Sicherheitsgurte“, erklärt Koch. Derartige Versäumnisse führen Koch und seine Kollegen auf eine Überforderung zurück, die punktuell entsteht: „Ein Verkehrsteilnehmer kann sich durchschnittlich nur auf sieben Wahrnehmungen gleichzeitig konzentrieren. Wenn Kinder mitfahren oder Zeitdruck besteht, sind es zehn Faktoren oder mehr, die der Fahrer managen muss.“ Wünschenswert wäre, dass anstelle des „Eltern-Taxis“ die Kinder den Weg zur Schule selbstständig meistern – „schon im Kindergartenalter beginnt die Verkehrserziehung, und in der vierten Klasse erwerben die Schüler den Fahrradführerschein“. Doch die Kinder dürfen auch ohne Führerschein allein zur Schule radeln – bis zum achten Lebensjahr ausschließlich auf Gehwegen, bis zum zehnten Lebensjahr können sie selbst entscheiden, ob sie auf Gehweg oder Straße fahren, und ab zehn Jahren müssen sie Straßen und Fahrradwege nutzen. |ous

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