Frankenthal Klangerlebnis aus dem All

Eine akustische Klangreise der außergewöhnlichen Art erlebten am Samstagabend rund 40 Besucher in Großkarlbach. In Franks Bodega verzauberte Dieter Bornschlegel sein Publikum mit sphärischen Klängen und tiefen Textbotschaften. Vor dem kollektiven Abheben in unerhörte Soundwelten gab es Bodenständiges mit Tom Bola und Jenny T.

Das Folkmusikduo überzeugt mit handgemachten Coverversionen wie „It’s All Over Now, Baby Blue“ von Bob Dylan, „Powderfinger“ (Neil Young) und „Something to Lean Back“ ( Crosby Stills & Nash). Tom Bola aus Worms, der im wirklichen Leben Thomas Martin heißt, und die Rheindürkheimerin Jennifer Thiede alias Jenny T spielen auf Zuruf und lassen neben sensiblem Spiel auf ihren Akustikgitarren harmonisch-weichen Duogesang hören. Topact des Abends ist Dieter Bornschlegel, älteren Musikfreunden noch als Mitglied der Krautrock-Gruppe Guru Guru bekannt. Der 60-jährige Marburger, Spitzname „Bornzero“, ist vom E-Gitarristen zum experimentellen Akustikkünstler mutiert. Mit seinen hypnotisch-spirituellen Soundsinfonien durchschreitet er Sphären und Galaxien, mitunter augenzwinkernd, was Textzeilen wie „Night and Day/ Welcome to the Milky Way“ aus dem Techno-Opus „Beatrice“ verraten. Psychedelic Freakstyle nennt Bornschlegel seinen Stil, und er scheint dafür die Gitarre neu erfunden zu haben. Er montiert Tonabnehmer an die Kopfplatte, um das ganze Griffbrett spielen zu können, stopft Schaumstoff in den Korpus, streichelt darauf den Beat mit einem Schlagzeugerbesen oder wirft einen Lappen über die Saiten, um Schwingungen zu unterdrücken. Er appliziert Echoeffekte, spielt mal im Lapstyle, mal vertikal. Denn eine Gitarre ist eine Harfe, ist eine Zither, ist eine Orgel, ist ein Gong, ist ein Schlagzeug, ist ein Ein-Mann-Orchester. „Alles ist ständig in Bewegung, ich hatte noch nie so viel Spaß am Musik machen wie jetzt“, gesteht der Klang-Kreateur nach 50 Jahren Instrumentalpraxis gegen Mitternacht. Zuvor hatte er sich zweieinhalb Stunden lang verausgabt, hat sein Publikum dräuendem Donnergrollen ausgesetzt und es mit flügelflinkem Fingerpicking fasziniert. Seine Stücke – von Songs zu sprechen, wäre Frevel – sprengen zeitlich und stilistisch jeden Rahmen. „Nur Singer-Songwriter zu sein, hat mir nie genügt“, meint Bornschlegel. Man hört weltmusikalische Fusionen, chromatische Harmonien orientalischen Ursprungs, mantrenartige Redundanzen, Techno- und Trancestrukturen. Dabei halten sich Komposition und Improvisation, Technik, Kalkül und situative Spiellust die Waage. Nach seinen Einflüssen befragt, antwortet er: „Ich höre mir seit 30 Jahren keine Musik mehr an, ich habe alles in mir.“ Der Virtuose schöpft dabei aus einem Ozean eigener Klanginnenwelten und bereitet daraus ein akustisches Wechselbad, ein Klangerlebnis direkt aus dem All. Ganz besonders gefiel am Samstag das Stück „Back-2-Paradise“ mit seiner Gothic- und Industrial-Aura. Eine eigene Rolle in Bornschlegels Soundwelten spielen die Texte. Mal Deutsch oder Englisch, sind es affirmativ geraunte Botschaften wie „Helf deinem Glück mal auf die Beine/ein langer Weg/nichts kommt von alleine“, die mal zur Lebensbewältigung aufrufen oder wie bei „E I S – es ist Sommer“ lässige Ironie enthalten.

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